Lobenberg: Die Sonnenuhr ist das Kernstück aus der Großen Lage Brauneberger Juffer, hier ist der Boden noch karger und steiniger, weniger tiefgründig, fast reines Schiefergestein. Hier stehen uralte, teilweise wurzelechte Reben in Einzelpfahlerziehung. Die Ernte wird in der Sonnenuhr immer in ein bis zwei Vorlesen vorbereitet, um jegliche Fäulnis vorher auszulesen, aber auch um am Ende nur die stammnahen und bestversorgten Trauben für das GG zu erhalten. Diese Partien werden auch getrennt ausgebaut. Die Fermentation erfolgt im Holz, der Ausbau ebenfalls. Die Nase der Sonnenuhr ist nochmal deutlich hintergründiger als die Nase des Juffer GG. Wenn der wie ein Süßwein rüberkam, dann haben wir hier viel multiplere Aromen. Die Frucht kommt stärker. Auch hier Maracuja, Quitte, pfeffrige Papaya, überhaupt weißer Pfeffer. Hochintensiv, Schiefergestein, Salz. So lang, so drückend. Und trotzdem keine Zitrussäure ausstrahlend, also keine Apfelsäure sondern Weinsäure. Eher Richtung Orange, Quitte und Apfel gehend. Anders als beim Juffer GG kommt hier die Assoziation an die Auslese Goldkapsel erst im Mund. So etwas wie ein nicht-süße Auslese Goldkapsel. In der Aromatik fast dramatisch. Hohe Intensität. Kandierte Limette, Orange, sogar kandierte Maracuja und Quitte. Alles puristisch in der Frucht und alles gleichzeitig mit Zucker umhüllt. Dennoch ist der Wein nicht klebrig-süß. Der Wein hat definitiv keine Botrytis gesehen und er ist weit durchgegoren, kaum Restzucker, die Süße kommt aus dem Extrakt und der reifen Frucht. Alles ist total sauber, total präzise. Er hat etwas total Kristallines, Strahlendes, Klares. Und trotzdem ist der Oszillograph zwischen dieser wunderbar saftigen Süße der Frucht – in die man sofort reinspringen möchte, wie bei einer Auslese Goldkapsel – und der wahnsinnigen Frische, die nichts Grünes oder aggressives ausstrahlt, pikant bis zum Abwinken. Ein echter Extremistenwein. Und das will etwas heißen, wo Oliver Haag doch archetypisch und eine Benchmark für die sauber definierte Mosel ist. Aber hier kracht es schon vorne und hinten rein, weil wir zu extrem in beiden Ausprägungen sind: In der Saftigkeit, Üppigkeit und Wollust von 2018 und der Puristik und wahnsinnig hohen Schiefermineralik von 2010. Schiefergestein ist am Ende dominant, mit Salz. Aber die süße, saftige Frucht drückt doch immer durch das Gesteinsmehl und das Salz und bringt einen Hauch Maracuja-Säure mit. Das ist ein Erlebnis der dritten Art, ein ganz besonderer Wein. 2019, ein Jahrgang, den ich liebe. Ich glaube ein solches Jahr – nicht, weil es perfekt ist, sondern weil es so viele Extreme vereint – habe ich noch nie erlebt in Deutschland. Die Perfektion war 2016, aber das aufregendste Jahr, das ich kenne, ist definitiv 2019. Weil 2010 damals zu extrem war, sich erst langsam grandios zeigte, weil 2018 zwar perfekt war, verglichen mit 2019 aber zu lieb. Das kann man erst jetzt richtig würdigen. Was für ein Hammer Wein! 100+/100