Nur wenige Weine strahlen eine solche Kraft und Erhabenheit aus wie die weißen und roten aus der Appellation nördlich von Avignon. Es ist ein geniales Landschaftsbild – selten werden die Grenzen einer Weinregion so klar durch ihr sichtbares Terroir begrenzt. Auf Satellitenaufnahmen ist Châteauneuf-du-Pape mit den typischen Kieselsteinen, den »Galets roulés«, eindeutig zu erkennen: eine riesige gelbe Kiesinsel am linken Ufer der Rhône. Es verwundert nicht, dass die Päpste im 14. Jahrhundert, als Avignon ihr Sitz für knapp 70 Jahre war, ihren »Hauswein« genau hier gedeihen ließen. Schließlich herrschten hier, im Einflussgebiet des mediterranen Mittelmeerklimas, schon vor Hunderten Jahren ideale Bedingungen für den Weinanbau. Heute stehen rund 3.100 Hektar Reben in Châteauneuf-du-Pape, der Großteil davon in Gobelet-Erziehung, um den teils starken Winden der Region zu trotzen. Châteauneuf ist damit eine der größten Einzelappellationen an der südlichen Rhône. Aber was genau macht die Weine so grandios?
Einmaliges Terroir
Natürlich ist es zum einen das besondere Terroir: Die großen runden Kieselsteine, die sich nahezu durch das ganze Plateau ziehen, heizen sich im Sommer tagsüber auf und geben nachts ihre Wärme an die kleinen, teils uralten Rebstöcke ab. Reifeprobleme gibt es auch deshalb schon lange nicht mehr in Châteauneuf-du-Pape. Die geforderten 12,5 Volumenprozent Mindestalkoholgehalt werden spielend übertroffen. Gleichzeitig spielt Trockenstress eine immer größere Rolle in Châteauneuf. Die Böden sind karg, zu den Kieseln mischen sich je nach Parzelle große Anteile an Kalk, Mergel und Sand. Die Reben müssen deshalb extrem tief wurzeln, um an die kostbaren Wasserreserven zu kommen.
Eine lange Tradition
Die Vorteile der exponierten Lage wusste man schon vor Hunderten von Jahren zu nutzen, bereits im Mittelalter entstanden in Châteauneuf wohl vergleichsweise kräftige Weine. Der päpstliche Status (lange Zeit war der Wein aus Châteauneuf schlicht als »Vin du Pape« bekannt) wurde aber erst im 19. Jahrhundert im Namen der Region verewigt: Auf Initiative des einflussreichen Regionalpolitikers Joseph Ducos wurde die Region von »Châteauneuf Calcernier« in »Châteauneuf-du-Pape« umbenannt. Gemeinsam mit der typischen Prägung der Glasflaschen ist der päpstliche Name zum Markenzeichen der Appellation geworden. Apropos Appellation: Châteauneuf-du-Pape erhielt 1936 als eine der ersten Weinregionen Frankreichs den Status einer Appellation d’Origine Côntrolée (AOC). Schon Jahre vorher bemühten sich lokale Winzer um den rechtlichen Schutz ihrer Weinheimat.
Geheimnis Nummer zwei ist der immense Reichtum an Rebsorten. Ganze 13 dürfen für die Bereitung eines Châteauneuf-du-Pape genutzt werden.
Rebsorten en masse!
Geheimnis Nummer zwei ist der immense Reichtum an Rebsorten. Ganze 13 dürfen für die Bereitung eines Châteauneuf-du-Pape genutzt werden. Auch wenn die Grenache in Châteauneuf klar den Ton angibt – sie bedeckt teilweise 80 Prozent der Flächen – werden auch die restlichen 12 Sorten noch abgebaut. Bei den roten sind es neben den bekannten Syrah, Mourvèdre und Cinsault die autochthonen Muscardin, Vaccarèse und Terret Noir. Bei den weißen sind Clairette, Bourboulenc, Picardin, Picpoul und Roussanne zugelassen. Früher wurden sie mit in den Rotwein verschnitten, heute sieht man aber weitestgehend davon ab. Zu kostbar sind die wenigen weißen Trauben geworden, die heute noch in Châteauneuf-du-Pape wachsen.
Weiße Stars in Châteauneuf-du-Pape
Die besten ihrer Art zählen zu den gehaltvollsten in ganz Frankreich. Es sind Weine für ein langes Leben, denn trotz niedriger Säure halten sie erstaunlich lange ihre Jugendlichkeit und erreichen erst nach Jahren den Zenit. Grandiose weiße Châteauneuf reifen jedes Jahr bei Beaucastel, Clos des Papes, Domaine de la Janasse oder der Domaine du Pegau heran. Es ist die Mischung aus den verschiedenen weißen Sorten, die für eine geniale Harmonie sorgt. Jede einzelne trägt ihren Teil zum Gesamterlebnis bei. Hochgradig unterschätzt werden sie schon lange, vor allem die unscheinbare Clairette blanche. Reinsortig ausgebaut werden die weißen Sorten nur selten. Ausrufezeichen setzen Château de Vaudieu und Beaucastel mit genialen reinsortigen Roussannes von uralten Reben. Vadieu hat darüber hinaus noch einen weißen Châteauneuf aus 100 Prozent Grenache blanc auf Lager, gewachsen in der Spitzenlage Clos du Belvedère auf Kalk- und Feuerstein.
Rote Ikonen von der Kiesinsel
Natürlich ist Châteauneuf in erster Linie für seine roten Wuchtbrummen berühmt. Das ist gar nicht despektierlich gemeint – rote Châteauneuf besitzen nun mal einfach enorme Kraft und Power, was die Weine aber letztlich auch so einzigartig macht. Französische Grenache zeigt nur hier eine unglaublich hedonistische Ader, die ganz anders pulsiert als die Pendants von der iberischen Halbinsel. Dicht, reif, tief und mit enormem Körper – so fällt die Sorte auf den Kiesböden von Châteauneuf aus. Nur selten findet man reinsortige rote Châteauneuf, Paradebeispiele sind der Châteauneuf-du-Pape Chaupin von Janasse, der Amiral G von Vaudieu und die Cuvée Spéciale Vieilles Vignes von Tardieu, alle aus 100 Prozent Grenache.
Im Normalfall wird in Châteauneuf jedoch mit mehreren Rebsorten gearbeitet. Teilweise werden sie separat angebaut und vinifiziert, teilweise stehen sie noch wie vor Hunderten von Jahren im gemischten Satz, dann wird alles auf einmal geerntet und zusammen vergoren. Die verschiedenen Verschnittpartner sorgen für Balance: Mehr Cinsault bedeutet mehr Frucht und Power, mehr Syrah und Mourvèdre mehr Farbe und Frische. Teilweise übernehmen die »kleineren« Sorten sogar die Führung, wie in der Hommage à Jacques Perrin von Beaucastel – Mouvèdre gibt in der Cuvée klar den Ton an.
Wie so oft in Spitzenweinregionen teilt sich die Winzerriege auch in Châteauneuf-du-Pape in die Lager »Modernisten« und »Traditionalisten« auf.
Modernisten und Traditionalisten
Nach der Gärung stellt sich dann die Frage des Ausbaus. Wie so oft in Spitzenweinregionen teilt sich die Winzerriege auch in Châteauneuf-du-Pape in die Lager »Modernisten« und »Traditionalisten« auf. Während beispielsweise Bosquet des Papes mit großen Holzfässern eher traditionell arbeitet, legt man bei den Perrins auf Château de Beaucastel den Fokus auf kleine Barriques und 100 Prozent entrappte Trauben. Am Ende alles eine Frage des Geschmacks. Klar ist, dass Châteauneuf nicht gleich Châteauneuf ist. Zu unterschiedlich arbeiten die Winzer, zu unterschiedlich sind die Terroir-Ausprägungen der einzelnen Parzellen, zu unterschiedlich präsentieren sich die fertigen Weine.
Bei richtiger Reife, meist ab mindestens fünf Jahren, sind es in der qualitativen Spitze aber allesamt extreme Spaßmacher, die von der sinnlichen Frucht langsam, aber sicher in die feine Gewürz- und Tabakwelt abdriften. Die besten ihrer Art? Sicherlich das Vorzeigegut Beaucastel mit seinen 80 Hektar Weinbergen an einem Stück, gelegen im Norden der Appellation. Dann die mystischen Bonneau und Rayas auf gleichem Level, dicht gefolgt von Vaudieu, Clos des Papes, Vieille Julienne, du Pegau und Tardieu. Päpstlicher Genuss!