Ein guter Barolista kann immer sagen, wo der Wein gewachsen ist – das ist wirklich verblüffend!

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Im Überblick

Weinregion Piemont

Die hügelige Landschaft südlich Turins heißt Piemont. Die sehr umfangreichen und weit zurückreichenden, historischen Fakten und Zusammenhänge und auch Interaktionen mit Frankreich möchte ich hier nicht ausführen, aber als Resultat sprechen alle Piemonteser heute auch französisch und die Winzer halten mit voller Überzeugung das Burgund für sehr seelenverwandt.

Piemont Weinfeld

Die DNA Burgunds findet sich in den größten Wein­regionen

Da ist was dran, die Pinot Noir (Burgund) ist ein ähnlich terroirspezifisches Sensibel­chen wie die Nebbiolo (Piemont). Auch die sehr bäuerliche Struktur und die Winzig­keit der Betriebe ähnelt dem Burgund. Die manchmal esoterisch ange­hauchte, etwas spinnige Intellektualität der von reichen Industriellen aus Mailand domi­nierten Weinszene der Toscana ist hier zum Glück nie ange­kommen. Hier leben Bauern, manchmal schon sehr gebildet, klug und weise und mit einem Hauch schöner Alters­philosophie. Sie lieben die Mit­menschen, auch ihre stets respektvoll behandelten Wettbewerber und sie ge­nießen mit Freude das Leben. Im Wesent­lichen umfasst das Gebiet Piemont die Provinzen Asti und Alba, die zugleich die größte Stadt der Region ist, dem Weinlaien ganz sicher auch bekannt durch die berühmten Trüffel und als Firmensitz der berühmten Süß­waren­fabrik Ferrero.

Luca und Alfredo Roagna
Luca und Alfredo Roagna

Auch einer der welt­berühmten Grappabrenner, qualitativ die klare Nummer 1 Italiens, die Destillerie Berta, befindet sich im Herzen der Region, in Nizza Monferrato. Im heili­gen, inneren Weinbereich der Wein­region, um den es uns im Grunde nur geht, trennt der Fluss Tannaro die Heiligtümer des Barolo-Tals und des Barbaresco-Tals von dem als minderwertiger erachteten Teil um die Stadt Canale, genannt Roero. Etwas zu Unrecht, denn da gibt es mit dem Arneis einen der interessantesten Weiß­weine Italiens aus einer echt piemontesisch autochthonen Rebsorte.

Barolo bleibt die Referenz

Das wirkliche Aha-Erlebnis kommt aber erst, wenn man in das große, malerische Tal der Region Barolo/Barbaresco fährt. Es handelt sich um eine riesige Senke mit einem Bergkranz drum herum.

In der Ferne leuchten weiß und unerhört klar – fast berührbar – die Alpen.­

In der Mitte des riesigen Kessels wachsen einzelne große Hügel mit den malerischsten, kleinen Dörfern, die man sich vorstellen kann: Barolo, La Morra, Serralunga und viele mehr. Die Aufzählung kann man lange fortsetzen, es sieht hier aus wie im Märchen. Ein sehr spezielles, fast weich gezeichnetes Sonnen­licht, das zuweilen unwirklich ver­träumt erscheint, bestärkt diesen Eindruck eines wunderschönen Traumlandes. Tschechische Märchen­verfilmungen gemischt mit »Herr der Ringe«, so kommt es einem vor. Vielleicht zusammen mit dem portugiesischen Dourotal das schönste und malerischste, ja spekta­kulärste Weingebiet der Welt. Ganz ruhig, ver­träumt, kaum Touristen, die besten Restaurants Italiens, die schönste Enotheken und erst die Trüffel …! Dann noch der romantische Morgennebel des Spät­herbstes (die Traubensorte Nebbiolo ist nach diesem berühmten Nebel benannt) – hier muss das Schlaraffenland sein!

Piemont Wein

Barolo vs. Barbaresco

Die Superlative enden nicht, denn hier wachsen aus der tanninreichen, sehr spät zu lesenden, piemontesisch autochthonen roten Rebsorte Nebbiolo die nach ihren Hauptdörfern benannten besten Rotweine Italiens: Barolo und Barbaresco. Barolo gilt eher als fruchtstark, tanninreich, kraftvoll und dicht, Barbaresco ist deutlich finesse­reicher, seidiger in seiner Art. Sehr elitäre Genießer halten nur diese Weine Italiens für echte Weltklasse, das sind sie dann aber auch mit allem Nachdruck. Alle Versuche, aus der Nebbiolo an anderen Plätzen der Welt sehr gute Weine zu erzeugen, schlu­gen fehl. Große Weine aus Nebbiolo kommen nur aus Piemont. (Ähnlich wie bei allen terroirsensiblen Rebsorten: Pinot Noir aus Burgund, Syrah von der Rhone, Sangiovese aus der Toscana, Tempranillo aus Spanien und Riesling aus Deutschland!) Scheinbar braucht die Nebbiolo diese speziellen, oft sehr eisenhaltigen Lehm- und Kalkterroirs, das spezielle Klima und sogar den Nebel. Nebbiolo reagiert extrem auf das Terroir und kann die unterschiedliche Mineralität der verschiedenen Lagen besser als jede andere bekannte Rebsorte der Welt abbilden. Von Dorf zu Dorf, je nach Himmelsrichtung und vor allem Mineral­bestand­teilen, schmeckt der Wein völlig anders, mal hart und tanninreich maskulin (z. B. Giacosa, Luigi Pira u. a.), mal frucht­stark und burgundisch (z. B. Sandrone, Scavino, Voerzio u. a.) und mal weich und feminin (Altare). Ein guter Barolista kann immer sagen, wo der Wein gewachsen ist – das ist wirklich verblüffend! Die Auswahl des Dorfes und des Crus (Lage) ist im Piemont extrem viel wichtiger als in den anderen Topregionen der Weinwelt. Natür­lich und wie immer:

Nur die besten Winzer bringen die perfekte Naturentsprechung auf die Flasche!

Weinlage Barbaresco Piemont

Barbera d’Alba

Das zweite autochthone Unikat ist die Barbera. Weiche, dichte Schwarz- und Sauerkirsche, Schokolade, Vanille, hohe samtige Viskosität, immense Frucht und schönste, lebendige, aber milde Säure. In jeder Hinsicht vollmundig, fast ein ero­tischer, auf jeden Fall sehr verführe­rischer, sehr dunkler Wein. Etwas grad­liniger und versammelter wirkt er in den Tälern von Barolo und Barbaresco, dort heißt er dann Barbera d’Alba. Sich Asti nähernd dann natürlich Barbera d’Asti, der Wein wird üppiger, etwas fetter, fast woll­üstig. Hier kommt mit Braida der wohl einzige Erzeuger, der aus der immer lecker schmackigen Barbera Weltklasse erzeugt. Der perfekte Wein mit Anspruch und geeignet für jeden Tag, der ideale Pastabe­gleiter, rotfruchtig, aber nie aufdring­lich, immer duftig aromatisch und verführe­risch lecker ist der entgegen seines Namens ganz trockene Dolcetto. Auch der immer faire Preis dieser im Schatten der Großen wach­sen­den, dritten autochthonen Rebsorte des Piemont macht den Wein fast zum Idealfall. Es wissen nur zu wenige Genießer:

Nicht Chianti, sondern Dolcetto passt perfekt zur Pasta und Pizza!

Wenige aber einige sehr gute Weißweine

Last but not least muss man erwähnen, dass auf manchem großartigen, etwas kühleren Hang, Italiens bester Chardonnay wächst. Gaja, Aldo Conterno, Conterno-Fantino und Bruno Rocca können sich durchaus mit internationaler Klasse messen. Zusammen mit den Chardonnay von Ca’ del Bosco aus der Lombardei, Jermanns »Dreams« aus Friaul und Lage­ders »Löwengang« aus Südtirol sind es wohl die hochklassigsten Weißweine Ita­liens. In Summe kann man sagen: das winzige Gebiet der edelsten Weine des Piemont gehört ganz sicher in den Reigen der qualitativ hochwertigsten Regionen der gesam­ten Weinwelt. Mit dem Burgund, der Rhone, Bordeaux, Rioja, Ribera del Duero, Toro, Douro, Napa und Mendoza bildet es die Top-Ten der Rotweinwelt. Viele Genießer denken bezüglich des Piemont nicht ganz zu Unrecht sogar an die Top-Fünf.

Piemont, ein außer­gewöhn­liches Erlebnis der Sinne: Wein, Land­schaft und Menschen!

Weinkarte Barolo
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