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Legendärer Erfolg

Große Gewächse

Die Großen Gewächse des Verbandes der Prädikatsweingüter sind einer der größten Erfolge der jüngeren deutschen Weingeschichte. Von Mainz bis Manhatten weiß jeder Liebhaber und Kenner deutscher Weine, dass er mit den so bezeichneten Gewächsen die besten trockenen Weine des VDP und viele der allerbesten Weine Deutschlands bekommt. Die heute so renommierte Geschichte nahm ihren langen Anlauf tatsächlich schon Mitte der 1980er-Jahre.

In der Hochburg des Rheinweins, dem Rheingau, reifte dank einiger Qualitätsvorreiter - darunter Koryphäen wie Georg Breuer und Graf Matuschka von Greiffenclau (Schloss Vollrads) - der Gedanke des Terroir-Weines nach französischem Vorbild. Jedes Jahr erzeugten die teilnehmenden Winzer einen besonderen, geschmacklich trockenen Wein, der seine Herkunft deutlich repräsentieren sollte. Diese Weine firmierten seit den 1990er-Jahren unter dem Label »Charta«. Deren Qualität und Machart sorgte rasch für überregionale Beachtung. Ein schon an der Flasche und Aufmachung erkennbares Gewächs von herausragender Güte, das seine Herkunft und die Lage geschmacklich repräsentiert. Genau das war die Idee, die sich auch im Bundes-VDP in den folgenden Jahren zunehmend etablierte.

Die Idee des Terroir-Weines – losgelöst von Oechslegraden und der Prädikatswein-Einstufung des Weingesetzes von 1971 – kam somit auch in Deutschland an.

Nach diesem Vorbild floss aus der Feder der VDP-Mitglieder kurz nach der Jahrtausendwende eine einheitliche Firmierung trockener Spitzenweine aus Einzellagen. Auf der Basis einer verbandsinternen Weinbergsklassifikation, die auf historischer und aktueller Bewertung basiert, unterscheiden die VDP-Weingüter seither zwischen Guts- und Ortsweinen, klassifizierten Lagenweinen sowie Ersten bzw. Großen Gewächsen. Eine Dekade später, im Jahr 2012, wird die heute bekannte vierstufige Qualitätspyramide in den Statuten als Leitklassifizierung für alle Landesverbände innerhalb des VDP festgesetzt. Das Große Gewächs ist der beste trockene Wein aus einer klassifizierten Großen Lage. Fortan darf kein weiterer trockener Wein die Bezeichnung der Lage tragen, wenn es daraus ein Großes Gewächs gibt. Neben dem »GG« soll es keine weiteren Götter innerhalb der Sortimente geben, die Spitze ist somit klar definiert und unangefochten. Die deutschen Grands Crus sind geboren.

Natürlich ist der Riesling als Aushängeschild des deutschen Weines und König der weißen Rebsorten mit Abstand die am meisten genutzte Sorte für die weißen Großen Gewächse des VDP. Viel bemerkenswerter ist allerdings, dass sich im Rotwein-Bereich der Deutschland mit dem Spätburgunder im Zeichen des Klimawandels anschickt, neben dem Burgund und Neuseeland als weltweit wichtigste Herkunft für roten Cool Climate Burgunder zu gelten. Auch hier hat die Kategorie der Großen Gewächse für rasche internationale Anerkennung und ein einfacheres Verständnis deutscher Weinbezeichnung geführt. Spätburgunder Große Gewächse stehen heute sogar preislich – zumindest teilweise – nicht mehr allzu weit hinter den Preisführern der luxuriös kostspieligen Bourgogne zurück. Für die allerbesten der deutschen Spätburgunder-Gewächse wird der Grand-Cru-Anspruch fraglos auch im Markt reflektiert. Die deutsche Qualitätsoffensive ist auch beim Rotwein ungebremst on the run. Der Traubenadler des VDP segelt dabei weiterhin munter in den warmen Aufwinden des Klimawandels, der die deutschen Weinbaugebiete vom nördlichen Rand immer weiter ins Herz des Spätburgunder-Anbaus manövriert.

Die deutsche Qualitätsoffensive ist auch beim Rotwein ungebremst on the run.

Weniger überraschend sind die Großen Gewächse aus der deutschen Leitrebsorte, dem Riesling, aber fraglos noch erfolgreicher. Keine andere weiße Rebsorte der Welt ist so vielseitig: Von knockentrocken wie viele Großen Gewächse bis hin zur Trockenbeerenauslese - Riesling kann einfach alles und zählt dabei in jeder Kategorie mit zum Feinsten, was die Weinwelt zu bieten hat. Selbst die stolzen Winzer Frankreichs, ihres Zeichens geistige Begründer der Terroir-Philosophie, erkennen neidlos an, dass Riesling den Charakter und die Typizität verschiedener Böden und Lagen zum Ausdruck bringen kann wie nur sehr wenige andere Rebsorten der Welt. Kein Wunder also, dass Riesling als einzige Sorte in jedem deutschen Anbaugebiet für die Erzeugung Großer Gewächse zugelassen ist. Große Tradition hat er ohnehin überall in Deutschland. Vor allem aber an Mosel, Rhein und Nahe, wo ausschließlich Riesling und in letzteren beiden auch noch Spätburgunder für das Keltern Großer Gewächse zulässig ist. Eine Fokussierung, die den Gewächsen der deutschen Weinwelt spürbar guttut und in den nächsten Jahren und Jahrzehnten gerne noch weiter voranschreiten soll. Denn Terroir-Ausdruck kann mitunter auch Verzicht durch Pointierung bedeuten, wie ein Blick nach Frankreich und Italien eindeutig zeigt.

Kein Wunder also, dass Riesling als einzige Sorte in jedem deutschen Anbaugebiet für die Erzeugung Großer Gewächse zugelassen ist.

Ob man nun den geistigen Beginn der Bestrebungen in den 1980ern, die Konsolidierung des Ganzen in den frühen 2000ern oder die Konkretisierung im Jahr 2012 als Startpunkt sieht, spielt eigentlich keine entscheidende Rolle. Was wirklich zählt, ist dies: Deutscher Wein hat mit dem Riesling, dem Silvaner, dem Spätburgunder und den anderen aufstrebenden Burgundersorten den Sprung mit an die Spitze der Fine-Wine-Welt geschafft. Und die Großen Gewächse haben hierzu ihren fairen Beitrag geleistet. Alleine schon dadurch, dass sie klar definieren, was deutschen Winzern bezeichnungsmäßig in der Vergangenheit oft schwer-fiel: Wo GG draufsteht, steckt der beste trockene Wein aus dieser Lage drin – ganz einfach.

Das Große Gewächs ist der Kickstarter für deutschen Wein mit anerkanntem Grand-Cru-Niveau auf der Weltbühne, so viel hat der VDP damit bisher schon erreicht. Der Rest ist die Erfolgsgeschichte unserer herausragenden Winzertalente, die diese Kategorie mit ihren Spitzenweinen gebührend aufblühen lassen. Durch weiterhin klare Vorgaben an Reifegrade, Ertragsbeschränkungen und Zuckergehalte, aber eben auch die eindeutige Bindung an die Herkunft aus fest umrissener Lage ist es quasi die Vermischung romanischer und deutscher Weinbautradition - best of both worlds!

Das Große Gewächs ist national und weltweit ein großer – mehr noch! – ein riesiger Erfolg.