Mehr Mut zum Alkohol:
Domaine Cauhapé Jurancon Sec

Das Thema Cool Climate und niedrige Alkoholwerte sind im Wein en vogue. Dass ein Wein mit einem halben Prozentvolumen Alkohol weniger stets dem kräftigeren vorzuziehen sei, ist quasi zum Konsens unter Sommeliers, Liebhabern und auch Freaks geworden. Und klar: Alkohol macht müde, gibt dem Wein Kraft, lässt ihn aber auch manchmal schwerer und nicht selten brandig geraten. Viel Alkohol macht eben nicht nur Menschen, sondern auch Weine platt. Warum dieser Trend aber keine Einbahnstraße ist, jedoch die Vielfalt einschränkt, wurde mir erst kürzlich wieder in der Praxis, bei einem Glas Jurancon sec klar. Denn das mit dem Alkohol ist relativ.

Die Domaine Cauhapé

Jurancon ist ein in Südwestfrankreich liegendes Anbaugebiet. Sonnendurchtränkt und eher trocken. Die typischen Rebsorten Petit und Gros Manseng werden hier richtig reif und erreichen hohe Mostwerte. Daher eignen sich die Weine auch oft zum restsüßen Ausbau. Dessertweine. Doch durchgegoren werden diese immer kräftig im Alkohol. Die Trauben trocknen auf natürliche Art am Rebstock ein, das Wasser verdunstet und es bildet sich der hohe Zuckergehalt. Diese Art der Süßweinerzeugung hat eine natürliche Ertragsbeschränkung zur Folge, die eine schon fast legendäre Konzentration und Finesse der Weine bewirkt. Die Domaine Cauhapé ist einer der Vorzeigebetriebe der Region. Ein Kultweingut. Handwerklich und klein. Die Preise verhältnismäßig human. Die Weine sind sehr erschwinglich. Aber Jurancon genießt auch nicht den Ruf wie die weltweit gesuchten Blue-Chips Piemont, Burgund und Bordeaux.

Paracelsus sagte: »Die Dosis macht das Gift«. Und so ist es auch beim Alkohol. Jedoch muss man hier beachten, dass ein Wein die Summe aller Teile ist. Was bedeutet das für den Alkohol? Das ist ganz einfach: 14,5 % Alkohol sind 14,5 % Alkohol, sind 14,5 % Alkohol.

Ein Wein kann schon mit 12 % Alkohol schwer und brandig erscheinen – wenn er nämlich ansonsten nicht viel zu bieten hat. Dieser Jurancon hat aber enormen Extrakt, sehr reifes Lesematerial, aber eben auch genügend Säure. Denn Jurancon ist eingebettet zwischen den Pyrenäen und dem Atlantik. Mediterranes Klima, das dem Wein seine Säure lässt. Das heißt, diese puffert auch sensorisch den Alkohol. Wir haben zudem ein richtig kräftiges Aroma im Wein. Er riecht nach frischen Honigwaben, etwas Hefe und weißen Blüten. Am Gaumen hat man ein sattes Aroma. Die Sonne strahlt aus dem Wein. Reife Zitrusfrüchte, Pampelmuse, Akazie und so etwas wie Honig, obwohl der Wein nicht süß schmeckt. Das ist auch die Extraktsüße des Alkohols. Und trotzdem hat der Wein seine Balance. Ich trinke regelmäßig vom Glas, ohne dass der Gaumen ermüdet. Das ist die Kunst.

Natürlich ist dieser trockene Jurancon nicht mit einem federleichten Riesling von der Mosel vergleichbar, der als Kabinett mit 8,5 % Alkohol über den Gaumen schwebt und mit jedem Schluck erfrischt. Der Cauhapé ist mehr ein Essensbegleiter, denn die Säure ist gegenüber einem Riesling deutlich niedriger, ähnlich einem Chardonnay. Und dann ist da der Körper und diese gebündelte Agrumen-Palette nebst Rosmarin und weißen Blüten. Daher sollte man ihm auch Raum zur Entfaltung geben. Also ab ins Burgunderglas und auch gerne etwas Luftkontakt. Das schadet ihm gar nicht. Ich sehe dazu eine gegrillte Dorade mit Safranreis und Rosinen. Etwas, was die Exotik des Weins aufgreift und mit der bunten Farbpalette jonglieren kann. Und als Kontrastpunkt Joghurt mit Minze und Dill. Der gibt dem Gericht und dem Wein Frische und passt auch zur Cremigkeit des Weins. Das funktioniert richtig gut. Und wem dieser Powerwein dann zu viel ist, für den gibt es das kleine Konzentrat auch in der Halbflasche. Reicht perfekt für den Hauptgang zu zweit. Und danach kann es mit Riesling weitergehen. Sève d’Automne heißt übrigens so viel wie: der Saft des Herbstes. Weil die Trauben hier in den letzten sonnenreichen Herbsttagen vor der Lese ihre volle Kraft und Aromatik tanken.

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