Von Nico Medenbach

Mineralitäten
– Champagner des Jahres 2016!

Weinfeld und Weinreben

Dieser Artikel erschien am 25. Januar 2017 auf drunkenmonday:

Wie es der Zufall so wollte, verkostete ich den Champagner des Jahres 2016 auf der Veranstaltung des Jahres 2016. Da wir dafür aber keine offizielle Kategorie haben, darf ich nun in diesem Artikel auf die schiere Größe und Ausnahmestellung dieser Veranstaltung freundlich aber distinkt hinweisen. Der Meininger Verlag lud im November 2016 in Saalbau zu Neustadt an der Weinstraße zu der vielleicht singulär beeindrucktesten deutschen Weinfachveranstaltung neben privat organisierten Proben ein: Der Meininger Finest 100. Der Ansatz ist so einfach wie ehrfurchteinflößend. Lade zu den vielleicht besten 100 Weingütern dieser Erde viel zu wenige Sommeliers, Weinhändler und Presse Fuzzies ein und überfordere den überwältigten Gast mit zu viel gutem Wein. »Once in a lifetime« für 7 Leben. Wahrlich ein Luxusproblem.

Top of the Tops – in allen Belangen

Meine Kritik ist bescheiden: Bei dem gebotenen LineUp hätte sich noch Château Petrus oder das ein oder andere »First Growth« aus dem Bordeaux gut gemacht. Rein der Vollständigkeit halber. Denn sonst war aus fast allen hochkarätigen Weinregionen die Crème de la Crème zum Verkosten angetreten, inkl. Domaine de la Romanée Conti, Giacomo Conterno, Ponsot, J. J. Prüm und aus der Champagne alles was groß und teuer ist. Wo wir wieder beim eigentlichen Thema des Artikels wären: Der Champagner des Jahres 2016. Dieser ist tatsächlich ein Champagner, genauer gesagt ein ganzes Champagner Haus. Dieses schaffte es auf der Meininger Finest 100 lockerst monumentale Häuser wie Krug, Bollinger (inkl. R. D. 2002), Jacquesson oder Roederer ganz links liegen zu lassen. Zudem glänzten sie mit für mich persönlich noch nie dagewesenen Schaumweinqualitäten. Für mich waren die Weine die perfekte Interpretation des Thema Champagner. Somit ist der Champagner des Jahres 2016 (stellvertretend für das Sortiment, Philosophie, Anspruch und Qualität des Hauses) …

J. J. Prüm

Winzer

J. J. Prüm

J. J. Prüm

Das Weingut J. J. Prüm entstand 1911 nach der Erbteilung des Stammgutes auf die sieben Kinder des letzten Inhabers, Mathias Prüm. Heute werden die legendären Weine von Dr. Manfred Prüm und seiner Familie erzeugt.

2007 Agrapart et Fils Champagne »Mineral« Extra Brut

Wo fange ich hier an. Am besten ganz vorne. Das Champagner Haus Agrapart wurde 1894 von Arthur Agrapart, dem Ur-Großvater der heutigen Besitzer Pascal und Fabrice Agrapart, in Avize im Herzen der Côte des Blancs gegründet. Die 52 biodynamisch und mit dem Pferd bewirtschafteten Parzellen liegen zu 100 % in Grand Cru klassifizierten Ortschaften. Eine weitere Besonderheit bei Agrapart ist, dass alle Weine zur 2. Gärung mit einem Kronkorken fest verschlossen werden, bevor diese für mehrere Jahre auf der Hefe reifen dürfen. Der »Mineral« ist der leiseste und feinste Champagner im Sortiment des Hauses. Der Grundwein wurde zur Hälfte im Stahl und zur Hälfte im Holz ausgebaut. 64 Monate lag dieser auf der Hefe, bevor eine minimale Dosage (5 Gramm/Liter) hinzugefügt wurde. Meine beiden persönlichen Favoriten »Venus« und »Avizoise« standen auf Grund ihrer wirklich raren Präsenz im deutschen Markt leider nicht zur Verkostung zur Verfügung. Doch auch der 2007er Agrapart Champagner »Mineral« fasziniert mich auf seine ganz eigene und elegante Art.

Weicher Stein

Wer sich dem »Mineral« aufmerksam und mit Bedacht hingibt, wird einen der sanftesten, weichsten, feinsten und elegantesten Champagner auf dem Markt erleben dürfen. Die Klarheit, Transparenz und Reinheit kann durchaus als mineralische Seele des Chardonnay aufgenommen werden. Wie ein Schaumbad aus Kalkstein kleidet der Wein den Mundraum aus. Die Perlage ist ultra fein. Und mit ultra fein meine ich wirklich mit das feinste, sanfteste und weichste was ich in Sachen Haptik und Perlage kenne. In absoluter Balance und frei von jeder Ecke und Kante gibt der Wein im Mundraum förmlich eine Wellness Kur für den Gaumen ab. Schwebend, tänzelnd und frei von jeder Schwere gibt es hier eine Sensation und Ovation mit ganz leisen Tönen. Und gerade dieser Gegenpol aus kalkiger, eigentlich fester und schroffer Mineralik und diesem Inbegriff von Feinheit fasziniert mich durch die ganze Flasche hindurch.

Dieser haptische Widerspruch entbindet den Wein eigentlich davon in seiner Aromen Vielfalt beschrieben zu werden. Sicher finden wir hier zarte Hefe/Nuss/Brioche Noten, eine feine reife Zitrusfrucht, etwas grüner Tee, feine weiße Blüten, staubiger Kalkstein Mineralik und ganz hinten vielleicht auch etwas an Honig erinnerndes. Aber wen interessiert das bei dieser Parade an Eleganz und Weichheit? Champagner als Relaxant, Entschleuniger und Wohlfühlobjekt. Wer hätte das gedacht. Muss man im Mund haben um es zu glauben. 94 Punkte in meinem Buch. Höhere Sphären sind für die großen Brüder des Mineral geblockt – wenn ich sie denn jemals wieder probieren darf …

Agrapart & Fils

Agrapart & Fils

Dieses Champagner-Haus wurde 1894 von Arthur Agrapart, dem Ur-Großvater der heutigen Besitzer Pascal und Fabrice Agrapart, in Avize im Herzen der Côte des Blancs gegründet.

Nico Medenbach

Nico Medenbach

Nico ist eigentlich IT-Manager, aber seit mehr als 10 Jahren Wein-verrückt. Schreibt noch auf Drunkenmonday und Rebolution und immer auf der Suche nach dem Neuen und Unbekannten.

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