Jörn Goziewski – Riesling Magic

(NM) Es gibt Winzer und es gibt Winzer. Die einen produzieren Jahr ein Jahr aus bodenständige Weine, beglücken mit konstanten Qualitäten die Kundschaft und sind in Sachen Evolution und Revolution eher konservativ unterwegs. »Wir machen das schon immer so«. Zu Recht. Der Kunde kauft. Alles gut. Und dann gibt es Winzer wie Jörn Goziewski. Ja genau, der Jörn Goziewski. Jörn kann man gut und gerne als das komplette Gegenteil des »das Weingut ist seit 1792 in Familienbesitz – der Wein schmeckt immer gleich«-Winzers bezeichnen. Wenn man glaubt, er hat das Thema Riesling auf die Spitze getrieben, setzt er im nächsten Jahr noch einen drauf. Seine Heimat ist der Rheingau, seine Hommage an ihn der Riesling und sein Markenzeichen ist sein Mut die Sachen einmal etwas anders anzugehen.

Umtriebiger Teufelskerl

Nachdem Jörns Ära bei dem Weingut Ankermühle 2013 zu Ende ging, machte sich der umtriebige Riesling-Virtuose mit der Marke »Jörn Wein« selbständig. Auf 1,4 Hektar gepachtetem Mutterboden, selbstredend im Rheingau rund um Geisenheim und Rüdesheim ansässig, produziert er je nach Ertrag zwischen 3000 und 4000 Flaschen Wein pro Jahr. Das der aktuelle 2015er Jahrgang zum Teil noch in den Fässern auf der Hefe schlummert, kann durchaus als Markenzeichen bezeichnet werden. Denn Jörn macht langsamen, Natur bezogenen Wein. Der forcierte Ansatz »im Herbst ernten, pressen, Hefe drauf, vergären, in die Flasche und beim Kunden bis Januar« lässt Jörn kalt. Frisch und knackig in rauen Mengen machen Andere.

Des Rieslings neue Grenze

Das Riesling Sortiment von Jörn Goziewski umfasst fast alle bekannten und unbekannten trockenen Spielarten des Rieslings. Ob klassisch im Stahltank, im Stückfass als Hommage an den Rheingau, im 500 Liter Tonneaux oder im Barrique auf der Maische vergoren, es gibt nichts was es nicht gibt. Dabei kitzelt Jörn der Traube Riesling immer wieder neue Facetten heraus, die selbst gestandenen Riesling Enthusiasten den Teppich unter den Füßen wegzieht. Es schein als würde er die Grenze dessen, was die Traube im Stande ist zu leisten kontinuierlich dehnen. Und das ohne Reinzuchthefe, Kaltvergärung oder Umkehrosmose. Sein »200 % Riesling« und der unten beschriebene Riesling aus dem Schlossberg sind die besten Beispiele dafür.

An die Basis – 2014 Jörn Riesling

Den Einstieg in die Jörn’sche Riesling Welt ist der 2014er Jörn Riesling. Sein Basiswein sozusagen. Doch wo andere die Trauben für ihre »Visitenkarte« in der Flachlage »easy« mit dem Vollernter einfahren, setzt Jörn schon mit diesem Wein ein Ausrufezeichen. Alle Trauben stammen aus dem Rüdesheimer Berg, wurden langsam vergoren und verweilten ganze 9 Monate auf der Hefe im Edelstahl Tank. Ein biologischer Säureabbau (BSA) wurde auch gleich mit gemacht. Das Ergebnis ist kein knack frischer fruchtiger Riesling der Kategorie »trink mich schon im Erntejahr«. Stattdessen gibt es einen erstaunlich mineralisch ernsten und hochwertigen Wein, welcher durchaus als komplex und vielschichtig beschrieben werden kann, ohne aber auf den in diesem Segment so wichtigen Trinkfluss verzichten zu müssen. In der Nase gibt es viel Würze und Mineral. Nichts erinnert an kitschige Pfirsich Frucht. Hier steht Herkunft über Aroma-Hefe. Sozusagen easy drinking mit einer gewissen Portion Ernsthaftigkeit. Am Gaumen gibt es zudem eine ordentliche Dichte mit schöner Säure Balance. Ein kühler, schnörkeloser und traditioneller Rheingauer Riesling Typ. Läuft, schmatzt und mach Lust auf die nächste Flasche. Von mir gibt es 87 Punkte dafür.

Drei aus eins – 2014 Jörn Riesling Hasensprung Stückfass

Die Lage Winkler Hasensprung interpretiert Jörn gleich in drei unterschiedlichen Varianten. Trauben aus der gleichen Parzelle, zur selben Zeit gelesen und identisch abgepresst werden in drei unterschiedlichen Behältnissen ausgebaut: im Edelstahltank, im Stückfass und im Barrique aus Pfälzer Eiche. Da die Edelstahl Variante schon ausverkauft war und die im Barrique noch auf der Hefe schlummert durfte ich die Stückfass Version verkosten. Ein ganzes Jahr ließ Jörn den Wein auf der Vollhefe im neuen Fass aus Pfälzer Eiche verweilen, bevor dieser unfiltriert und mit minimal Schwefel abgefüllt wurde. Das Ergebnis lässt sich nicht nur wunderbar ansehen, sondern überzeugt schon in der Nase. Hier wird die ganze Bandbreite der Zitrus/Zitronen/Limetten Aromawelt geboten. Von herber Schale, über frisch / kräutrige Zitronenmelisse bis hin zu cremigen Sorbet ist alles dabei, was dem Zitrusfrucht Freund ein Lächeln in das Gesicht zaubert. Dazu gesellen sich noch etwas Blütenhonig, ein Hauch Orangenschale und der Duft frischer Wiesenkräuter. Am Gaumen ist der Wein dank des langen Hefelagers eher der cremige, schmelzige, runde und geschliffene Typ Riesling. Die Struktur gebende Säure kommt hinten raus und verleiht dem Wein Lebendigkeit und Länge. Jörn gibt mit dieser Interpretation der Lage Hasensprung ihr ein völlig neues Gesicht. Auch eine gewisse stilistische Ähnlichkeit zu den Weinen von Stephan Attmann (Weingut von Winning) kommt mir in den Sinn. 90–91 Punkte. Wer die Ruhe hat ihn im Keller noch 1–2 Jahre liegen zu lassen wird definitiv belohnt werden.

RIESLING in Großbuchstaben – 2014 Jörn Riesling Schlossberg

15,5 % Alkohol? In einem trockenem Riesling? Skandal! Wer macht denn sowas? Das kann doch nicht schmecken. Der ist doch viel zu alkoholisch, brandig und fett … So waren die Reaktionen nach dem ich das erste Mal ein Bild dieses Weines auf Facebook gepostet habe. Wäre dieser Wein z. B. ein Viognier von der nördlichen Rhone, sagen wir aus dem Condrieu, hätte der Alkoholgehalt wohl niemanden gestört. Aber ein Rheingauer Riesling? Doch genau diese reifen Viognier aus dem Condrieu waren Jörns Idealvorstellung als er diesen Ausnahmewein in seiner Herstellung begleitete. »Condrieu aus Riesling« aus dem wohl teuersten Fleckchen Weinberg im Rheingau: dem Rüdesheimer Berg Schlossberg. Die Erträge waren minimal. 2500 Quadratmeter Reben lieferten gerade einmal 500 Flaschen Wein. Das entspricht 20 Hektoliter auf den Hektar. Gelesen wurde mit 110 Grad Oechsle. 2,3 Gramm Zucker blieben nach der Spontangärung im gebrauchten Tonneaux übrig. Und eben 15,5 % Alkohol. Aber ganz ehrlich: Bei diesem Resultat, wen juckt’s?

Geschmack? Alles.

Bevor ihr weiter lest: Macht euch bitte von dem frei was ihr zuvor als »großen Riesling« definiert habt. Dieser Wein ist kein Nachbau eines »Großen Gewächses«, welches über die Herkunft und den Winzer definiert wird. Nein, der 2014er Riesling Schlossberg von Jörn Goziewski ist RIESLING in Großbuchstaben. Die Maximalausbeute was ein Riesling aromatisch im Stande zu leisten ist. Ohne Reinzuchthefe und Zuckerschwänzchen. DAS ist ein Ausnahmewein. Ein Unikat. Eine Kampfansage. Anders und irgendwie dagegen. Ich war der Meinung Jörns 2013 Arancia Riesling (200 % Riesling) letztes Jahr hätte alles gezeigt, was möglich ist. Pustekuchen. Die Nase ist nicht von dieser Welt: Vanillegebäck, Zimt, Limette rauf und runter, krasse Ätherik, Kräuterwürze, Thymian, Kerbel, Estragon, Zitronat, Fichtennadel, Marzipan, Orangenschale … Die Liste kann man nahezu endlos fortsetzen, denn minütlich wechselt der Wein seine Facetten. Unglaublich.

Diesen Riesling MUSS man probieren um ihn zu begreifen! Fordernd kleidet er den kompletten Mundraum aus. Dabei ist er extrem dicht ohne fett oder plump zu sein. Pure Wollust am Gaumen. Hier werden alle bis dato bekannten Grenzen gesprengt. Riesling wie aus einer anderen Dimension. Große Frucht, undefinierbar in den Einzelteilen. Dazu ein Wahnsinns Schmelz, hohe Reife und feste Struktur. Die 15,5 % wirken fast schon süßlich und suggerieren einen höheren Restzuckergehalt. Das Vorbild des zeitlosen Rhone Viognier wird in seiner Größe und Gesamtheit mit diesen Wein mehr als ebenbürtig erreicht. Einzigartig, unvergleichlich und in seiner Art ein Unikat. Jörn, du bist mein Held – für die Eier solche Weine zu erzeugen! 96–97 Punkte. Ist aber eigentlich egal, der Wein spielt in seiner eigenen Liga.

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