Lobenberg: Das ist im Grunde die einzige Lage in Deidesheim, die wirklich namenhaft Kalk im Boden enthält, wobei auch das etwas zu relativieren ist: Kalkmergel, kein reiner Kalkfelsen, aber doch ein hoher Anteil, zusammen mit Mergel und Ton. Das ist eine Hochplateaulage. Eine windige und kühle Lage hier, auch weil es keine Südexposition für Von Winning ist. Deshalb wird Kalkofen immer spät geerntet. Die Weine sind frischer, rassiger und komplexer. Die Reben sind über 60 Jahre alt. Der Standard hier, mit der Ganztraubenpressung ohne Standzeit, spontan im Holz vergoren, Ausbau auf der Vollhefe bis kurz vor der Füllung. Die Holzfässer reichen vom Stückfass hinunter bis ins 500 Liter Tonneau. Überwiegend gebrauchtes Holz, ein wenig neues. Und Kalkofen repräsentiert eben genau diese Kühle der Lage, es wird eleganter, feiner und reduktiver wenn man von Langenmorgen und Grainhübel kommt. Dennoch lädt auch der Kalkofen immer von Beginn an ein. Die Frucht ist verführerisch, bleibt im kühleren zitrischen Spektrum, bekommt nur obenraus ein paar Nuancen von Maracuja, spannungsgeladen und kompakt. Schöne Rauchnote zusammen mit Anis und der feinen Holzunterlegung. Köstlich saftig dann der Mundeintritt, ein Hochgenuss, obwohl er so elegant und geschliffen ist. Feinziseliert und mit gutem Druck für das kühle Jahr. Litschi, Orangenschale, Grapefruit, dann viel Yuzu unterfüttert mit Kreide und Meersalz. Der Speichel fließt und die Mundwinkel zeigen nach oben. Ein genussfähiger Pfälzer, der zwar schon die Dramatik dieses spannenden Jahrgangs zeigt, aber dabei so delikat und schick bleibt, dass es die reine Freude ist. Grandios! 95-97+/100
Mit den letzten Jahrgängen im Hinterkopf antizipierten die Winzer wie gewohnt einen eher trocken-warmen Witterungsverlauf. Doch 2021 machte recht schnell klar: nicht mit mir! Austrieb und Blüte waren bereits von ungewöhnlich nordisch-rauem Wetter begleitet und im Vergleich zu den Vorjahren »relativ spät« – im langjährigen Mittel also quasi normal. Die meisten deutschen Weinberge blieben von Frost verschont. Die recht harsche Witterung sorgte jedoch nahezu überall für Ertragseinbußen durch die windige, verregnete und dadurch unregelmäßige Blütephase. Der darauffolgende Sommer brachte zunächst keineswegs die Wende. Dramatisch konzentrierte Sommerniederschläge setzten der vorherigen Trilogie der heiß-trockenen Jahre ein jähes Ende und machten den Pflanzenschutz 2021 zu einer Sisyphusarbeit. Die Topwinzer haben 2021 Marathondistanzen in den Weinbergen abgeleistet, um der Situation Herr zu werden. Durch den zusätzlich hohen Personaleinsatz ist es in der Produktion für viele eines der teuersten Jahre aller Zeiten. Ein Glück, dass der Riesling als adaptierte Nord-Rebe stoisch in Wind und Wetter steht wie ein Islandpferd. Denn im Grunde wurde im Herbst immer klarer: Wenn man im Sommer richtig Gas gegeben hat, konnte das noch ein unglaublich starker Jahrgang werden – und so kam es dann auch. Nach diesem echten Cool-Climate-Sommer, der bis Ende August anhielt, retteten der September und ein Goldener Oktober den Weinjahrgang dann fast im Alleingang. Ein stabiles Hoch über Mittel- und Osteuropa sorgt für dieses seit Jahrhunderten bekannte Phänomen. Die Sonnenscheindauer ist gegen Oktober mit noch immer über 10 Stunden sehr hoch, dafür ist die Tag-Nacht-Amplitude schon viel ausgeprägter als noch im August. Da die Nächte länger werden, kann die Luft in Bodennähe stärker auskühlen. Das sorgt für eine langsame Ausreifung bei langer Hangzeit am Stock und trotzdem stabil bleibenden Säuren. Gerade der Riesling liebt das besonders, aber auch die Burgundersorten brillieren mit kühler Frische. Denn 2021 ist ein so spannendes, krachendes und zugleich kristallines Weißwein-Jahr, wie wir es lange nicht mehr hatten. Wer keine Angst vor berauschender Frische hat und sich gerne von hoher Spannung aus der Kurve tragen lässt, der wird mit 2021 seine größte Freude haben. Alle anderen sollten sich besser an die gar nicht so unähnlich gebauten, aber etwas freundlicheren 2020er halten.