Lobenberg: Dieser Wein war vorher Bestandteil des Centgrafenbergs, der dann geteilt wurde: in einen Teil Großes Gewächs und den anderen Teil, der jetzt Bürgstadter Berg heißt. Der Bürgstadter Berg ist also der Rahmen, in dem das Centgrafenberg GG liegt. Alles in extremer Hanglange auf rotem Buntsandstein. Nach der Lese werden die Trauben nur ganz kurz als Ganztraube angequetscht mit den Füßen und sofort abgepresst. Es gibt also keine Standzeiten, keine Phenolik oder Rappenwürze über diesen Weg. Es geht bei Fürst um Puristik und Klarheit beim Riesling. Ausbau in einem alten 1550 Liter Holzfass, das Fürst mal hat anfertigen lassen. Die Entscheidung die Rieslinge so zu erzeugen ist eine reine Stilfrage. Da wir hier auf dieser extremen Feinheit des roten Buntsandsteins liegen, ist die Puristik der Frucht im Vordergrund. Wir sind in diesem Wein einen Quantensprung über dem Riesling »pur mineral«, obwohl der auch schon extrem gut ist. Aber die mineralische Textur, dieser samtige, aufregende Druck, der hier kommt, ist schon eine andere Hausnummer. Es kommt schon auch nochmal mehr Fruchtintensität hier, gelber und grüner Apfel, Grapefruit, Apfelblüte, Pfirsich, sehr deutliche Sandsteinfruchtausprägung. Sebastian Fürst war mal mir Cornelius Dönnhoff in seinen Weinbergen unterwegs und stand vor dem Höllenpfad im Mühlenberg und war völlig baff: »Der sieht ja aus wie mein Bürgstadter Berg!«. Und tatsächlich sind sich die Weine relativ ähnlich im Stil. Diese warmsteinige, würzig-kräuterige Frucht mit Grapefruit, schlankem gelbem Pfirsich, Nektarine, etwas Curry und wilden Wiesenkräutern, fast in Thymian hereinreichend. Diese vibrierende, salzige Mineralität, die etwas angeraut über die Zunge schießt und die gelbrote Frucht unterlegt. Dazu die geschliffene Präzision und Klarheit von Fürst, die auch nicht unähnlich ist zu Dönnhoffs. Schon verblüffend. 2021 ist schon ein knackiges, straffes Jahr, aber das ist so trinkig, das ist so mundfüllend, das ist so saftig, da fällt das Ausspucken der Probe schon sehr schwer. 94-95/100
Mit den letzten Jahrgängen im Hinterkopf antizipierten die Winzer wie gewohnt einen eher trocken-warmen Witterungsverlauf. Doch 2021 machte recht schnell klar: nicht mit mir! Austrieb und Blüte waren bereits von ungewöhnlich nordisch-rauem Wetter begleitet und im Vergleich zu den Vorjahren »relativ spät« – im langjährigen Mittel also quasi normal. Die meisten deutschen Weinberge blieben von Frost verschont. Die recht harsche Witterung sorgte jedoch nahezu überall für Ertragseinbußen durch die windige, verregnete und dadurch unregelmäßige Blütephase. Der darauffolgende Sommer brachte zunächst keineswegs die Wende. Dramatisch konzentrierte Sommerniederschläge setzten der vorherigen Trilogie der heiß-trockenen Jahre ein jähes Ende und machten den Pflanzenschutz 2021 zu einer Sisyphusarbeit. Die Topwinzer haben 2021 Marathondistanzen in den Weinbergen abgeleistet, um der Situation Herr zu werden. Durch den zusätzlich hohen Personaleinsatz ist es in der Produktion für viele eines der teuersten Jahre aller Zeiten. Ein Glück, dass der Riesling als adaptierte Nord-Rebe stoisch in Wind und Wetter steht wie ein Islandpferd. Denn im Grunde wurde im Herbst immer klarer: Wenn man im Sommer richtig Gas gegeben hat, konnte das noch ein unglaublich starker Jahrgang werden – und so kam es dann auch. Nach diesem echten Cool-Climate-Sommer, der bis Ende August anhielt, retteten der September und ein Goldener Oktober den Weinjahrgang dann fast im Alleingang. Ein stabiles Hoch über Mittel- und Osteuropa sorgt für dieses seit Jahrhunderten bekannte Phänomen. Die Sonnenscheindauer ist gegen Oktober mit noch immer über 10 Stunden sehr hoch, dafür ist die Tag-Nacht-Amplitude schon viel ausgeprägter als noch im August. Da die Nächte länger werden, kann die Luft in Bodennähe stärker auskühlen. Das sorgt für eine langsame Ausreifung bei langer Hangzeit am Stock und trotzdem stabil bleibenden Säuren. Gerade der Riesling liebt das besonders, aber auch die Burgundersorten brillieren mit kühler Frische. Denn 2021 ist ein so spannendes, krachendes und zugleich kristallines Weißwein-Jahr, wie wir es lange nicht mehr hatten. Wer keine Angst vor berauschender Frische hat und sich gerne von hoher Spannung aus der Kurve tragen lässt, der wird mit 2021 seine größte Freude haben. Alle anderen sollten sich besser an die gar nicht so unähnlich gebauten, aber etwas freundlicheren 2020er halten.