Cavallotto: Langhe Freisa 2022

Cavallotto: Langhe Freisa 2022

BIO

Zum Winzer

Freisa 100%
rot, trocken
14,5% Vol.
Trinkreife: 2024–2034
unkonventionell
seidig & aromatisch
pikant & würzig
Lobenberg: 94/100
Italien, Piemont
Allergene: Sulfite,
lobenberg

Heiner Lobenberg über:
Langhe Freisa 2022

94
/100

Lobenberg: Um eine qualitativ hochwertige Version der Freisa zu finden, muss man schon eine Weile suchen! Die alte, autochthone Rebsorte des Piemonts ist die engste Verwandte der Nebbiolo. Sie reift ebenfalls sehr spät und wird zusammen mit der Nebbiolo als letztes von Hand gelesen. Ich liebe diesen lustigen Wein von Cavallotto, er ist ähnlich duftig und elegant wie die Freisa von Brovia. Die ernsthafteste Version, die ich je probiert habe, kommt von Vajra, die sie wie ihre Nebbiolo 26 Monate lang im großen Holzfass ausbauen. Bei Cavallotto ist es die Hälfte der Zeit, circa 12 bis 15 Monate im 2.000 bis 3.000 Liter großen Holzfass. Der 2022er wurde im Juni 2024 auf die Flasche gefüllt. Es werden aus einem halben Hektar 30-jähriger Reben maximal 2.000 Flaschen pro Jahr gemacht. Und jedes Jahr muss ich mich ins Zeug legen, um eine anständige Zuteilung zu bekommen. Tiefes, beinahe undurchsichtiges Rubinrot. Die Nase ist opulent, dunkel, würzig und tief. Saftige, reife, dunkle Pflaumen und Schwarzkirschen. Die Würze ist pfeffrig, warm-würzig, tief und druckvoll rustikal. Getrocknetes Herbstlaub, Sauerkirschen und Hibiskus. Im Mund ist der Wein so ultra saftig und zugleich vibrierend frisch, diese Frische ist eines der Kennzeichen des Jahrgangs 2021. Die Balance ist absolut grandios! Hier sind die Tannine zwar wie gewohnt bei Cavallotto griffig und strukturiert, sie legen sich selbstbewusst auch die Zunge, aber zugleich sind sie auch reif und schmelzen geradezu wie eine Nougat Praline. Veilchen, Schwarzkirsche und ein Hauch Milchschokolade hallen nach. Jeder Piemont-Liebhaber sollte sich ein paar Flaschen dieses Weins sichern, denn hier haben wir ein Elixier des Terroirs und die Seele der Region in einer Flasche vereint. Die Struktur erlaubt es, den Wein einige Jahre reifen zu lassen, aber im Weingut empfiehlt Alfio, ihn nicht länger als 10 Jahre liegen zu lassen. Leider haben viele Winzer der Region die traditionellen Freisa Reben gegen die Nebbiolo ausgetauscht und es gibt immer weniger Weingüter die dieses Piemonteser Urrebsorte herstellen. Das ist zugleich ein Spaßwein und auch serious business. Super! 94/100

Jahrgangsbericht

2022 war in ganz Europa ein von Hitze und Trockenheit geprägter Jahrgang. Im Piemont fiel bereits im Winter 2021 kaum Schnee, und es regnete lediglich im Mai und dann wieder im August in sehr kleinen Mengen, was ein wenig zur Erleichterung der Reben beitrug. Vom Austrieb bis zur Lese verlief die Wachstumsperiode ungefähr zwei bis drei Wochen früher als im Durchschnitt. Dieses Jahr war also von extremem Wetter gezeichnet, aber glücklicherweise war es sehr regelmäßig und konstant heiß und trocken – vom Austrieb bis zur Weinlese während des »Indian Summer« – und es gab keine Hitzespitzen. Da die Trockenheit nicht plötzlich eintrat, bildeten die Reben dementsprechend kleinere Blätter und weniger Trauben aus. Vielleicht kamen sie deshalb so erstaunlich gut mit diesen erschwerten Bedingungen klar, weil sie sich seit dem Frühling langsam an diese Situation »gewöhnen« konnten.2022 kann unmöglich generalisiert werden, und jeder Wein verdient es, einzeln betrachtet zu werden. Die etwas kühleren Höhenlagen im Piemont sind häufig auch von durchlässigeren Böden geprägt und dieses Jahr aufgrund der Trockenheit deshalb nicht automatisch besser. So sind 2022 ton- und lehmhaltige Böden mit besserem Wasserhaltevermögen deutlich vorteilhafter als sandigere. Die sonst »besten« Cru-Lagen zeichnen sich durch ihre besonders »perfekte« Ausrichtung zur Sonne und somit noch wärmeren Temperaturen aus. Auch das Alter der Reben und die Herangehensweise jedes Weinguts in den Weinbergen konnte einen entscheidenden Unterschied machen. Wurde durch sanftes Entblättern der Sonnenschutz gewährleistet und die Böden nicht unnötig durch Pflügen geöffnet, was zum stärkeren Verdunsten von Wasser führt, hatten es die Reben bedeutend leichter. Aufgrund der Trockenheit bestand kein Krankheitsdruck, es gab weder Pilzkrankheiten noch Fäulnis, was die Arbeit während der Wachstumsperiode auch erleichterte. In Summe brachten die berühmtesten Lagen 2022 nicht automatisch die besten Weine hervor, wohl aber die kühleren und lehmigeren Böden mit gutem Wasserspeicher der »alten« Terroirs aus Castiglione, Serralunga und Monforte d’Alba, teilweise auch Verduno. 2022 ist laut Aussage von Luca Currado-Vietti vom qualitativen Potenzial her riesig, im Ergebnis aber wegen zweier fehlender Regenschauer im August und September und zwei Grad zu hoher Spitzentemperatur haarscharf unterhalb eines Jahrhundertjahrgangs hängen geblieben. Die Winzer, die viel Zeit in die Weinberge investierten und zudem bereits vor oder bei der Lese gnadenlos aussortiert haben, brachten die beeindruckendsten Weine hervor. Was nicht perfekt oder gar vertrocknet war, gelangte gar nicht erst in den Gärtank. Im Durchschnitt bedeutet das 15 bis 40 Prozent kleine Erträge gesunder und konzentrierter Trauben. Im Keller musste aufgrund des höheren Verhältnisses von Traubenschalen zum Saft sanft extrahiert werden; der Ausbau erfolgte oft ein paar Monate kürzer als sonst und somit etwas reduktiver, um die Frische der Weine zu bewahren.Der Jahrgang 2022 hat einen wunderbaren »Überraschungseffekt«, denn wer überreife Weine erwartet hat, wird das Gegenteil im Glas finden! Die Trockenheit bremste. Aber seit im Jahrgang 2003 ebenfalls Hitze auf Trockenheit traf, haben die Winzer viel dazu gelernt. Was bereits bei den Bordeaux Primeur Proben des Jahrgangs 2022 deutlich wurde, stimmt auch im Piemont: In der Spitze kann 2022 enorm was! Die Weine sind so konzentriert wie 2017, aber mit deutlich mehr Frische ausgestattet. Aromatisch sind sie herrlich intensiv und bereit, eine unwiderstehliche Performance abzuliefern. Die Struktur der Tannine hängt dabei von den oben genannten Faktoren ab. Es gibt strukturiertere Weine, die aber durch ihre Fruchtbalance dennoch meist durchaus harmonisch sind. Ich versichere, dass mit Offenheit ausgestattete Nebbiolo-Liebhaber dieses Jahr mit der ein oder anderen Neuentdeckung belohnt werden, denn 2022 gibt es durchaus viele hervorragende und gar überragende Weine im Piemont, auch wenn 2021 sicher über alle Regionen gesehen harmonischer und gleichmäßiger in seiner Weltklasse rüberkam.

Mein Winzer

Cavallotto

Kurz vor dem Ortseingang von Castiglione Falletto thront die Familie Cavallotto mit ihrem traditionellen Weingut auf den 25 Hektar umfassenden Hängen des wunderschönen Cru Bricco Boschis.

Langhe Freisa 2022