Lobenberg: Teilweise Kaltmazeration. Nur noch weniger Pigeage, also Unterstoßen, heute fast nur noch Überschwallen des Mostes. Schon längere Mazerationszeiten als Kellers oder Huber, Konrad Salwey sucht schon etwas mehr Struktur und Gerbstoff, will nicht ganz so ultrazart unterwegs sein. Hier kommt schon immer viel Substanz und Kernigkeit mit. Spontane offene Maischegärung in Edelstahl, dann abpressen und direkt in die Barriques, immer mit gewissen Neuholzanteilen. Selbst in 2021 sind hier Rappen drin, aber das ist quasi nicht wahrnehmbar, sie geben nur ganz leicht Struktur und Griffigkeit mit. Alles ist total fein und unfassbar elegant. Wie bei Keller, ist auch bei Salwey der Kirchberg immer gnadenlos schick. Zunächst zurückhaltend, fast nur Stein zeigend. Dann kommen dunkle und helle Kirsche, Veilchen, auch Note von Blutorange. Aber die Kirsche überwiegt hier ganz klar! Herzkirsche, auch etwas eingelegte Sauerkirsche. Der Kirchberg könnte eben auch Kirschberg heißen, denn er zeigt von allen GGs die purste und saftigste Kirschfrucht. Er hat ganz klar die betörendste Pinot-Nase, sehr verspielt. Man könnte hier ewig nur dran riechen! Dann kommt etwas roter Pfeffer dazu. Am Gaumen mit guter Struktur aus saftiger Säure und feinen Gerbstoffen. Zur satten Kirsche kommt Himbeere auf feinblättriger Salzunterlage. Griffig und linear, gleichzeitig auch einnehmend. Was für eine irre Komplexität! Dieser Wein braucht Zeit, das späte Release ist durchaus sinnvoll. Das ist die wohl eleganteste, feinste Lage bei Salwey und die erste Wahl für Finessetrinker. Unglaublich gut!
Mit den letzten Jahrgängen im Hinterkopf antizipierten die Winzer wie gewohnt einen eher trocken-warmen Witterungsverlauf. Doch 2021 machte recht schnell klar: nicht mit mir! Austrieb und Blüte waren bereits von ungewöhnlich nordisch-rauem Wetter begleitet und im Vergleich zu den Vorjahren »relativ spät« – im langjährigen Mittel also quasi normal. Die meisten deutschen Weinberge blieben von Frost verschont. Die recht harsche Witterung sorgte jedoch nahezu überall für Ertragseinbußen durch die windige, verregnete und dadurch unregelmäßige Blütephase. Der darauffolgende Sommer brachte zunächst keineswegs die Wende. Dramatisch konzentrierte Sommerniederschläge setzten der vorherigen Trilogie der heiß-trockenen Jahre ein jähes Ende und machten den Pflanzenschutz 2021 zu einer Sisyphusarbeit. Die Topwinzer haben 2021 Marathondistanzen in den Weinbergen abgeleistet, um der Situation Herr zu werden. Durch den zusätzlich hohen Personaleinsatz ist es in der Produktion für viele eines der teuersten Jahre aller Zeiten. Ein Glück, dass der Riesling als adaptierte Nord-Rebe stoisch in Wind und Wetter steht wie ein Islandpferd. Denn im Grunde wurde im Herbst immer klarer: Wenn man im Sommer richtig Gas gegeben hat, konnte das noch ein unglaublich starker Jahrgang werden – und so kam es dann auch. Nach diesem echten Cool-Climate-Sommer, der bis Ende August anhielt, retteten der September und ein Goldener Oktober den Weinjahrgang dann fast im Alleingang. Ein stabiles Hoch über Mittel- und Osteuropa sorgt für dieses seit Jahrhunderten bekannte Phänomen. Die Sonnenscheindauer ist gegen Oktober mit noch immer über 10 Stunden sehr hoch, dafür ist die Tag-Nacht-Amplitude schon viel ausgeprägter als noch im August. Da die Nächte länger werden, kann die Luft in Bodennähe stärker auskühlen. Das sorgt für eine langsame Ausreifung bei langer Hangzeit am Stock und trotzdem stabil bleibenden Säuren. Gerade der Riesling liebt das besonders, aber auch die Burgundersorten brillieren mit kühler Frische. Denn 2021 ist ein so spannendes, krachendes und zugleich kristallines Weißwein-Jahr, wie wir es lange nicht mehr hatten. Wer keine Angst vor berauschender Frische hat und sich gerne von hoher Spannung aus der Kurve tragen lässt, der wird mit 2021 seine größte Freude haben. Alle anderen sollten sich besser an die gar nicht so unähnlich gebauten, aber etwas freundlicheren 2020er halten.