Von Marc Dröfke

Bordeaux Jahrgang 2015 – Die Verkostungstour

Mein Schweizer Freund Max Gerstl und ich treffen uns Ostermontag in Bordeaux und fahren los. Zwei Wochen mit fast 1000 Weinen eines als »groß« angekündigten Jahrgangs.

Ähnlich wie in Deutschland folgte 2015 nach gutem Frühjahr und sehr gleichmäßiger, regulärer Blüte ein warmer, in Bordeaux sogar sehr heißer Sommer mit einem zu trockenen Frühling und zu heißem, trockenen Sommer bis Ende Juli. Im mittleren Sommer ab August gab es dann zum Glück etwas häufiger mal Regen, die Verfärbung erfolgte gleichmäßig und ohne zu viel Stress. Dann im September moderater Regen am rechten Ufer und im südlichen Medoc, der Norden des Medoc mit Saint-Estèphe, Saint-Julien und Pauillac wurde fast etwas zu nass, nur perfekt bearbeitete Weinberge steckten das locker weg. Der auf Kies- und Sandböden teilweise herrschende Trockenstress wurde gestoppt, die Entwicklung im Weinberg schritt gut voran. Die lehmhaltigeren und Kalkstein-Böden waren wegen der besseren Wasserversorgung klar im Vorteil, das rechte Ufer generell, und das Medoc um Margaux und Pessac sind daher favorisiert. Das auch in Aquitanien von Ende August bis Ende Oktober wirkende skandinavische Hoch brachte Sonne, trockenes und windiges Wetter, und dazu kühlere Tage und zum Teil schon kalte Nächte. Das rettete 2015 vor dem Schicksal des Jahrgangs 2003 und bewahrte Säure und Frische. Der Herbst, nach dem ersehnten und moderaten Regen, war so perfekt, dass sich jeder Winzer alle Zeit bis zur Ernte nehmen konnte, je nach Stilistik des Weinguts. Lesezeitpunkte von Mitte September bis Anfang November, je nach Wunsch und Stil, waren ohne Probleme möglich. In Summe der ersten Proben-Eindrücke des ersten Tages probiert es sich als ein reifes, zugleich frisches, und vor allem überaus harmonisches Jahr mit den stärksten Ergebnissen in Margaux, Pessac und am rechten Ufer mit Saint Emilion, Pomerol, Fronsac und Castillon. Balance ist das Zauberwort 2015.

Die Degustation der ersten 100 Weine eines spontanen ersten Händler-Tastings am Ankunftstag sprechen in Nase und Mund für einen warmen, runden Jahrgang. Cabernet Franc und Merlot als Rebsorten und das rechte Ufer generell scheinen wie das südliche Medoc im Vorteil zu sein. Die superbe Balance von Frische, voller Reife und samtig seidigen Tanninen war über alle Eindrücke hinweg die Dominante. Toll zu probieren, das macht Freude. Geschliffene und zugleich durchaus üppige, wegen der Seidigkeit jedoch fast nicht spürbare Tannine. Weniger mineralisch und strukturiert als im Jahrhundertjahrgang 2010, einfach ausgewogener, viel eher und mit mehr Charme zugänglich. Weniger fett oder üppig als 2009 oder gar 2003. Auch liegt die Säure höher als 2009, das Jahr 2015 zeigt eine wunderbare, köstliche Frische in der Reife. Die Weine sind klar leckerer und zugänglicher als die zu Beginn übergroßen 2010er und 2005er, extrem angenehm zu probieren, weniger hedonistisch fett als 2009, nicht zum Niederknien gewaltig wie 2010. Etwas zu üppige Weißweine und mehr als köstliche Rotweine. Eine Wiederholung des so harmonisch leckeren Jahres 2000 oder gar 1989 drängt sich als Geschmackseindruck auf, auch die Feinheit von 2001 und 2014 kommen mir oft in den Sinn. Nur irgendwie profunder, fruchtstärker, perfekter und harmonisch noch balancierter. Man hat in den letzten Jahrzehnten schließlich deutlich dazugelernt, bessere Pflege und geringere Erträge im Weinberg, der Einzug biologischen Arbeitens, schonendere und natürlichere Kellerarbeit. 2015 ist ein ganz großes und reifes Jahr mit toller Frische, seidigsten Gerbstoffen und vor allem einer überragenden Balance. Wir starten nach der ersten Probe von den Quays der Stadt Richtung Pessac-Léognan, Chateau Seguin ist das Ziel, südlich La Mission ganz in Stadtnähe gelegen, oft ein Highlight des Jahres, wir sind gespannt.

Wir konnten uns dann Ostermontag am Abend mehr als eine Stunde Zeit nehmen, Chateau Seguin als 2014er und als 2015er ausgiebig zu verkosten und zu vergleichen. 2014 bestätigte die ungeheure Feinheit und Eleganz bei guter Frucht. Die aus 50 % Merlot und 50 % Cabernet bestehende 2015er-Cuvée hat von allem etwas mehr, profundere Frucht bei grandioser Frische, und dazu eine außergewöhnliche Harmonie und Ausgewogenheit. Unendlich köstlich und lecker schon als Fassprobe. Alles ist so reichlich da, aber man wird, anders als 2009 und 2010, niemals überwältigt, nichts fordert zur großen Anstrengung heraus, man muss nie auf zukünftigen Genuss projizieren, der Wein ist gleich zu Beginn so, wie man sich archetypisch einen perfekten, feinen Bordeaux vorstellt. Nach dem ersten Tag steht fest, dass wir das große Glück haben, nach dem großen »best ever« Jahrgang 2015 in Deutschland, nun auch in Bordeaux ein großes Jahr probieren zu dürfen. Nicht besser als die immens eindrucksvollen Jahrhundertjahrgänge 2009 und 2010, die werden bestehen. 2015 zeigt einfach Weine auf einem höheren Level der Harmonie und der Balance als ich in meiner Erinnerung je probiert habe.

Dienstag bestätigen Haut-Bailly und Pape Clement mit allerfeinsten, wunderbaren Finesse-Weinen bei seidigsten Tanninen und profunder Frucht die Sonderstellung Pessacs innerhalb der 2015er Weine des Medoc. Großes feines Kino. La Mission und Haut Brion konnten mithalten, aber die zwei zuvor genannten Überflieger nicht ganz erreichen.

Dann der erste, mit Spannung erwartete Ausflug ans rechte Ufer. Küchen-Tasting mit anschließendem Kochen auf Chateau La Tour Perey. Der Überflieger der butterweichen Tannine mit uralten Merlot- und Cabernet Franc Reben auf dem puren Kalkstein eines alten römischen Amphitheaters. Und dieser 2015er vermag zwar den brillanten Finessewein 2014 nicht in den Schatten zu stellen, verleiht ihm aber in der seidigen Erhabenheit und profunden Frucht eine weitere Dimension. Was für ein Jahr!

Chateau Beauregard in Pomerol, frisch renoviert, in Biodynamie-Konversion, ist dann unser Schlafplatz für 4 Nächte. Ein superber Regisseur, Vincent Priou, ist nun schon im zweiten Jahr in Folge mit seinem Team Garant für einen der besten Weine der Appellation Pomerol. Dem auf bestem Kalksteinuntergrund stehenden Saint Emilion Weingut Bellefont-Belcier und seinem Direktor Emmanuell de Saint Salvy gelingt die Vorjahressteigerung ebenso souverän.

2015 bestätigt am rechten Ufer seine überragende Qualität. Clos de La Vieille Eglise in Pomerol ist überragend. Einer der genialsten Weine meiner Kariere. Frische, Finesse und unendliche Harmonie bei profunder Frucht dann auch bei Catherine Papon Nouvels Clos Saint-Julien und Petit Gravet Ainé. Auch bei Pierre Lafons Lafon La Tuilerie, gewachsen auf reinem Kalkstein in Saint Emilions Süden, gibt es best ever. Stilistisch fast so fein wie große Pomerols. Catherines Cabernet Franc von Petit Gravet Ainé probiert sich wie Clos Rougeard von der Loire, so fein, ein großartiger Solist. Die Starwinzer aus 2014 setzen in 2015 alle ein Sahnehäubchen der profunden Frucht, der seidigen Feinheit und der überragenden Balance drauf. Das ist stilistisch genau mein Jahr. Berauschend schön von der Fassprobe bis ins Alter!

Eine Begegnung der anderen Art

Am vierten Tag gab es eine Begegnung der anderen Art, etwas aus längst vergessener Zeit. Chateau Coutet in Saint Emilion, der Nachbar von Angelus und Beauséjour Duffaus auf reinem Kalkstein und zum Teil auf Lehm. Der höchste Punkt Saint Emilions. Seit 1599 im Familienbesitz und von Anbeginn bis heute Bio. In reinster Form. Nur hier auf unter 15 Hektar, davon nur ein Teil in Wein, ein Teil als Naturpark, gibt es noch Pflanzen und Tiere, die im sonstigen Europa ausgestorben sind. Mit den nur noch hier existierenden alten Merlot-Pflanzen. Weine wie sie früher waren, ein Ereignis der Sonderklasse und wie ein Spaziergang durch die Geschichte.

Der krönende Ablschluss des Tages

Danach das zur Zeit meist besprochene neue Weingut Saint Emilions. Chateau Tour Saint Christophe. Das genialste Terrassen-Terroir Saint Emilions vis-à-vis von Barde Haut. Reiner Kalkstein. Unter 20 Hektar klein. Mit viel Mühe und Aufwand im Weinberg und Keller zum Juwel renoviert. Jeder spricht darüber, schon jetzt wird dieser rare Wein mystifiziert. Das früher durch Le Gay und La Violette berühmt gewordene Team von Jerome Aguirre und JC Meyrou generiert hier mit Ansage eine lebende Legende. Hier wird Geschichte bewusst geschrieben. Jerome Aguirres eigenes, winziges, interessantestes Lalande Pomerol Weingut Haut Musset, bildet dann mit einem reichhaltig dichten und pikanten Wein den krönenden Abschluss eines tollen Tages.

Die Offenbarung

Freitag startete mit einer überraschenden Wiederentdeckung in Pomerol. Chateau La Rose Figeac, von 1990 bis 1998 in meinem Programm. Seit 2003 umgestellt auf Bio, Erträge natürlich reduziert, reifer und zugleich frischer als früher. So schön mit dem besten Jahrgang der Geschichte dieses 4 Hektar Weinguts von Nathalie Despagne wieder zu arbeiten. Dann folgte die erwartete Offenbarung in Castillon und Fronsac. Mit Pomerol die homogensten und balanciertesten Weine des rechten Ufers. Highlights der Finesse beim Biodynamiker Clos Puy Arnaud, und zusätzlich bei Moulin Haut Laroque der beste Wein ihrer Geschichte. Clos Louis aus Castillon zeigte einen 100 Punkte Wein aus 150 Jahre alten Prephyloxera-Reben, einer der größten Weine des Jahrgangs überhaupt.

Es gibt Alternativen zum 1er Cru

Samstag, ein massiver Arbeitstag. Ab neun Uhr morgens eine Händlerprobe mit 150 Mustern, organisiert auf dem qualitativ erstarkten Saint Emilion Weingut Chateau Fonplegade. Das südliche Haut-Médoc bestätigt hier die Sonderstellung am linken Ufer. Kein großer Septemberregen hier im Süden, perfektes Reifewetter mit sonnigen, aber kühlen Tagen und Nächten ab Ende August. Angenehm trockenes Erntewetter. Dieser Teil des Haut-Médocs ist für mich nach Pessac und zusammen mit Margaux der stimmigste und homogenste Teil des linken Ufers. Cambon La Pelouse, du Retout und Clement Pichon machten 2015 die besten Weine ihrer Historie. Im ebenfalls südlich gelegenen Moulis war Branas Grand Poujeaux der absolute Überflieger, Chasse Spleen und Poujeaux waren leider etwas grün. Margaux war auch sehr stimmig. Pessac liegt mit vielen Weltklasseweinen am linken Ufer dennoch vorne. Von Haut Bailly zu Domaine Chevalier, von Pape Clement bis Smith und zum best ever Pontac Monplaisir reicht das Ringelreihen der Rekorde. Haut Brion und Mission muss man da kaum noch erwähnen, wie alle 1er Cru zu teuer, und es gibt 2015 gleichwertige Weine für weniger Geld. In Margaux waren Giscours und Rauzan Segla nach den extrem teuren Superstars Palmer und Margaux die interessantesten Weine. Malescot war auch verdammt gut, danach Monbrison und du Tertre.

Einige Highlights

Fronsac und Castillon mit Clos Puy Arnaud und dem günstig geilen Superschnäppchen Fongaban waren wieder extrem gut und bestätigten den berauschenden Erfolg dieser Appellationen.
Die Weißweine aus Pessac waren extrem lecker und aromatisch, aber Weißweine sind 2015 für mich nicht ganz groß.
Saint-Estèphe, Pauillac und Saint-Julien hatten bei dieser Probe einige Highlights wie Leo Barton und Poyferre, aber von einigen strahlenden Ausnahmen abgesehen war es nicht das perfekte Jahr für das nördliche Medoc. Hier gab es dann doch auch recht viele Enttäuschungen.

Zwischenfazit:

Merlot und Cabernet Franc liegen vorne. Weltklasse und best ever in Pomerol, Pessac, Fronsac und Castillon, auch mit etwas Schwankungen viele sensationelle Weine in Saint Emilion. Sehr gut war bisher Margaux und das südliche Medoc. Deutlich heterogener, wenn auch mit keinerlei Desaster wie 2013, präsentiert sich das nördliche Medoc. Selektiv gibt es hier einige richtig überragende Weine, aber leider sind auch einige Weine verdünnt und eher langweilig in Saint-Julien, Pauillac und Saint Estèphe.

Der Supermontag!

Am Sonntag den 3. April dann 3 große Händler-Tastings, mehr als 300 Weine probiert oder nachprobiert. Die absolute Vormachtstellung Pomerols, Saint Emilions, Fronsacs, Castillons und Pessacs bestätigte sich. Super-Finesse bei schöner dichter Frucht und enormer Pikanz. Nie zuvor gab es so seidig zarte und zugleich frische Strukturen. Margaux und das südliche Medoc waren fast gleichwertig, etwas massiver im ausgeprägten Fruchtkörper, auch hier gab es viele grandiose Weine. Im Norden wechselten mittelmäßige Weine mit sehr guten Exemplaren und sogar einigen strahlenden best evers. Clos Manou aus dem Norden Medocs war eine Bombe! Besser als 2010 und alles danach. Haut Condissas und Carmenere waren auch superb. Sonst leider auch viel Mittelmaß. In Saint Estèphe, Saint-Julien und Pauillac gab es auch viel Mittelmaß. Die ganzen Superstars gab es aber hier noch nicht, die probieren wir morgen, am Super-Montag.

Auf Calon Ségur war der montägliche Start morgens um neun. Der Wein ist etwas schlank, schick, aber nicht groß. Cos d’Estournel zeigt sich voller Finesse, guter Körper, elegant und sehr gut, auch nicht ganz groß. Überflieger in Saint Estèphe ist mit fast 100 Punkten Montrose, totale Finesse und doch satte Frucht. Einer der besten Weine im Medoc.

Lafite Rothschild dann zart und fein, sehr schick. Aber wohl nach Latour der beste 1er aus Pauillac. Mouton ist sehr lecker, ein etwas kleinerer Mouton in diesem Jahr, dafür aber köstlich.

Latour ist dieses mal vielleicht nicht der alleinige Primus unter den 1ers? Oder doch? Harmonie und leckere kirschige Frucht. Alles passt. So eine Delikatesse! Ein Riese der Feinheit. Auf Grund der inneren Spannung sicher vor Lafite und vor dem überaus leckeren Mouton, und tendenziell schon bei 100 Punkten.

Auf der gleichen Höhe der superbe Finessewein zeigt sich Pichon Lalande. Die 100 erreicht die Comtesse, auch wenn der allerletzte Bums in der Mitte fehlt, die unglaubliche Feinheit irritiert in ihrer Größe fast. Aber das ist auch alles Geschmackssache, Max gab der Comtesse volle und glatte 20. GPL ist dann auch voll auf burgundischer Finesse. Eine Kirschorgie. Best ever hier? Ich denke ein klares JA!

Und Pontet Canet danach ist auch eine feine burgundische Finesse-Orgie. Eine Sensation in Kirsch! Wow! Ich bin versöhnt mit Pauillac. Die Besten sind im Gegensatz zur manchmal verdünnten Basis phänomenal.

Dann Saint-Julien mit Leoville Las Cases. Super präzise, im Gegensatz zu kirschigen Finesse Pauillacs nur Johannisbeere und Schlehe und Sauerkirsche. Schier und scharf immer geradeaus. Ein besserer Kalifornier ohne Fett und Süße aber mit großer Feinheit und Finesse. Pointiert, ein Solitär. Groß! Die 3 Leos und Ducru allein auf dem Olymp Saint-Juliens?

Ducru war ein richtiger Dampfhammer. Fast zu viel, so viel Kraft!

Dann Chateau Margaux. Ist das der König des Medoc? Heißer Sommer, perfekter Regen im August, kühle Tage und Nächte im September, bis Ende September war alles geerntet. Der Wein ist immens in seiner feinen Fruchtigkeit und großen Aromatik. Aber in seiner sensationellen Komplexität und Finesse nicht sehr präzise, nicht definiert, weniger fein schwebend als sonst, viel diffuse Power. Sicher ein großer Wein für ein langes Leben aber nicht mein Liebling in diesem Stadium, mir fehlt noch die verträumte Feinheit.

Palmer war dann ähnlich dicht und unter aller Finesse sehr tannic. Insider sagen 2015 ist hier wie 1961. Wird auch ewig halten. Auch etwas diffus jetzt in seiner ohne Zweifel vorhandenen Größe.

Final Clos des Quarte Vents, der winzige zwei Hektar Nachbar von Chateau Margaux. Luc Thienpont, ehemaliger Regisseur und Besitzer von Chateau Labégorce, gründete das Chateau direkt daneben. Das war 2009 und 2010 ein echter Geheimtipp, jetzt wieder. Superelegant. Der Berater ist die Legende Eric Boissenot, seit zwei Jahren ist neuer Weinmacher Jeremy Lurton, der Bruder von Pierre Lurton auf Cheval Blanc. 10.000 Stöcke je Hektar, nur 500 Gramm je Stock. Uralte Reben neben Chateau Margaux, nur 1,5 Hektar und nur 6000 Flaschen. Ein großer, ultrafeiner Wein und ein echter Geheimtipp.

Ab Dienstag dann die offizielle UGC Verkostung

Ab Dienstag beginnt dann die offizielle UGC Verkostung. Alle 1er und viele Superseconds fehlen hier, die mussten wir Montag separat und direkt besuchen. Alle St Estèphe und Pauillac stehen auf Lafon Rochet zur Probe. Alle St Julien auf Gruaud Larose. Lafon Rochet bestätigte seine Sonderstellung als vielleicht bester St Estèphe 2015 nach Montrose. In Saint-Julien setzte sich Leoville Poyferre in seiner burgundischen Finesse noch vor Leoville Barton, beide sehr auf kirschige Finesse, schicke Weine, den feinen Jahrgang toll getroffen. Gruaud Larose dahinter war in seiner feinen roten Johannisbeerfrucht eine tolle Überraschung. Aber Las Cases und Ducru bleiben klar vorne, zwei ganz große Weine. In Pauillac bestätigte Pichon Comtesse seine zusammen mit Pontet Canet erarbeitete Stellung als die zwei vielleicht besten Weine des nördlichen Medoc überhaupt. Danach kamen die 1er Cru und auch schon direkt GPL mit burgundischer Finesse, best ever hier für mich. Pichon Baron war sehr fein und zart und mittelgut, Lynch war etwas zu zart, fast dünn.

Die UGC in Margaux auf Chateau du Tertre

Der Hausherr balgt sich mit Monbrison um die erste Position der dritten Reihe. Tertre ist klassisch und fein, Monbrison dicht und warm und lecker. Dahinter viele sehr gelungene Verfolger, Margaux hat keine Ausfälle in 2015, alles passt.

Wenn wir Chateau Margaux und Palmer als gesetzt betrachten war Giscours noch vor Rauzan Segla und Malescot Exupery der erste der zweiten Reihe. Zusammen mit dem gestern verkosteten Winzling und Geheimtipp Clos des Quatre Vents ist Giscours mit 97 Punkten ein Star und besser als je zuvor. Unendlich fein und komplex zeigen sich diese zwei Traumweine.

Extraklasse und Delikatessen

Chateau Fonreaud aus Listrac ist nur in warmen Jahren groß, aber 2015 noch besser als 2010, und Fonreaud ist in Moulis/Listrac der erste Verfolger von Branas Grand Poujeaux, weit vor Chasse Spleen und Poujeaux.

Am Mittwoch erfolgt auch unser direkter Besuch auf Chateau Smith Haut Lafitte in Martillac. Die Extraklasse der Appellation Pessac wurde bestätigt. Smith ist zusammen mit Haut Bailly die Delikatesse schlechthin hier. Beide waren noch nie so fein und gut. Zweimal best ever und Finesse pur. Danach der sensationelle Seguin vor Pape Clement und La Mission an zweiter Stelle, erst danach Haut Brion und Carmes Haut Brion.

Das rechte Ufer

Dann rüber aufs rechte Ufer. Superbe, ja große Pomerols auf Eglise Clinet und Clinet. In Saint Emilion brillierte Figeac ultrafein und für mich best ever. Superbe Larcis Ducasse und Pavie Macquin des genialen Teams Thienpont / Derenoncourt wurden getoppt von best ever Beauséjour Duffau im Stil des 1990er, noch feiner als 2010.

Der kleine Domaine de Courteillac im südlichen Castillon war so fein wie sein genialer 14er Vorgänger, dabei etwas mehr Frucht und Muskeln.

Chateau Jean Faure, der Nachbar von Cheval Blanc, verblüffte mit einem total von der Cabernet Franc (als Ganztraube zum Teil mit selektierten, reifen Rappen vergoren) dominierten Wein. Noch ausdrucksstärker als Petit Gravet Ainé und stilistisch zwischen Dujac, Clos Rougard und Cheval Blanc angesiedelt. Jung ist er stilistisch ein etwas schräger Burgunder für Freaks, er wird in 5–10 Jahren immer mehr Muskeln aufbauen, denn die Cabernet Franc braucht Zeit. Dann wird er ein Riese. Ein Solitär und ein Highlight des Jahrgangs.

Die Verkostung bei Moueix

Dann kam die Verkostung bei Moueix. Die hohen Erwartungen wurden mehr als bestätigt. Bélair Monange, Trotanoy, La Fleur Petrus, Hosanna, Certan de May und Latour a Pomerol waren Beweise der Finesse, Ballerinas der Extraklasse, und die Dokumentation eines extrem feinen Ausnahmejahrs.

Nicht genug damit, folgte von 16 bis 17 Uhr der Pferdemann. Dominique Leandre Chevalier aus der Cotes de Blaye. Chateau Queyroux. Der Extremist im Weinberg schlechthin. Der Mann, der mit den Reben spricht. Bio ist für ihn kein Begriff mehr. Dieser Winzer ist schon zum Weinstock evolutioniert. Bis zu 33.333 Reben pro Hektar. Unter 500 Gramm Trauben je Stock. Alte Reben. Wenn Feinheit und Finesse in 2015 eine Benchmark braucht, hier ist sie. Ich hab ihn gefragt, ob in diesem weichen Kirsch-Zwetschgensaft überhaupt Alkohol sei. Trotz hoher Säure- und Tanninwerte und Ausbau im neuen Holz ist nur lecker feiner Saft im Glas. Rien ne va plus!

Der beste Wein des Jahrgangs

Freitag der beste Wein des Jahrgangs, Chateau Cheval Blanc, ein Monument der Finesse und der Weingeschichte.
Danach Ausone, groß aber doch hinter Cheval. Genauso Pavie, grandios und erstaunlich fein.
Dann zweimal die Schönheit und Feinheit schlechthin. Zweimal grandioses, aber nicht spürbares Tannin. Zweimal geniale Frische und doch nur lecker und mild. Zweimal im Geschmack unspürbarer Alkohol. Chateau La Croix aus Pomerol in einer seidig erotischen Wolke roter Kirsche, Himbeere, Johannisbeere und Erdbeere. Chateau Evangile mit einer Orgie in schwarzer Kirsche. Zweimal Pomerol von der besten Seite.

Das Finale auf Tertre de La Mouleyre in Saint Emilion. Ein kleiner Bioextremist vis-à-vis von Valandraud. 2014 war groß, 2015 eine Sensation.

Fazit:

Was war nun die beste Appellation? Pomerol? Ja – Saint Emilion? Irgendwie auch ja – Pessac? Ja – Fronsac und Castillon? Zumindest best ever! – Margaux? Zumindest genial – Pauillac, Saint-Julien, Saint Estèphe und das Medoc und Haut-Médoc hatten Schwächen, aber auch einige strahlende, best ever Highlights.

2015, wie ist das Jahr zu bewerten und ein zu sortieren?

Der Jahrgang ist nicht besser als die so genannten Jahrhundertjahrgänge 2009 und 2010. Nur genauso gut. Dabei ganz ganz anders. 2010 und 2015 sind für mich die Gegensätze schlechthin und haben doch beide 100 Punkte. Nordpol und Südpol der Qualität. Power, Mineralität und unendliche Kraft in zuvor nicht vorstellbarem Ausmaß gab es 2010. Jetzt in 2015 folgt das denkbar zarteste Erlebnis im Wein schlechthin. Für mich war diese Feinheit und schiere Trinkfreude zuvor nicht vorstellbar. Zwischen diesen beiden Extremjahrgängen der Qualität kann alles andere der bisherigen Weingeschichte irgendwo eingeordnet werden. Zweimal Bordeaux Benchmark für mein ganzes Leben.

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