Lobenberg: Der 2024er Kallstadter Riesling ist nicht einfach ein Ortswein. Er ist ein Statement. Und ziemlich sicher einer der spannendsten Rieslinge in dieser Preisklasse, die man in Deutschland derzeit bekommen kann. Ein wahrscheinlich noch großartigerer Deal als schon in den Vorjahren. Andi und Steffen Rings haben sich nämlich dazu entschieden, 2024 kein Großes Gewächs aus dem Annaberg zu füllen. Ein mutiger, konsequenter Schritt – aber eben typisch für das kompromisslose Qualitätsverständnis der Brüder. Ich hatte den Annaberg im März noch als Fassprobe verkostet und war eigentlich ziemlich angetan von der Qualität, aber was die beiden final nicht zu 100 Prozent überzeugt, wird eben auch nicht als Einzellage vermarktet. Das Ergebnis: Der komplette Annaberg, der in jedem anderen Jahr ein GG geworden wäre, fließt in den Ortswein. Ein echter Turbolader für den Kallstadter und das merkt man sofort. Der Wein ist durchzogen von einer ernsthaften Tiefe, Struktur und Konzentration, wie man sie in dieser Kategorie kaum je findet. Gesamthaft haben wir hier drin rund 60 bis 70 Prozent Saumagen, einen guten Anteil Annaberg und eine kleine Partie aus dem Steinacker. Komplett spontanvergoren im Holz – ein Stückfass, dazu Halbstückfässer und eben auch die zweitbelegten Barriques, die eigentlich für das Annaberg GG vorgesehen waren. Der Kallstadter strahlt quasi nur so aus dem Glas mit seiner dichten, reifen Zitrone, weißen Blüten, hellem Steinobst und einer feinen, kühlen Kräuterwürze. Ein Hauch Quittenschale und Grapefruit dazu. Ganz zart rauchig unterlegt, mit der für Rings so typischen, vibrierenden Mineralität. Ein bisschen Feuerstein, Sommerregen, eher warme Gesteinsnoten. Am Gaumen dann ein schlanker, druckvoller Riesling mit präziser Säure, feinstem Gerbstoffeintrag und salziger Länge. Kein bisschen laut, sondern ruhig, seriös und klar wie ein Gebirgsbach. Trotz der hohen Mineralität bleibt alles delikat und saftig. Hier merkt man, warum die Kategorie Ortswein so grandios ist, obwohl sie leider oft sehr unterschätzt wird. Das ist schon ein absoluter Terroirwein mit dieser kreidigen, mineralischen Spannung bei gleichzeitiger reifer, saftiger Frucht. Das ist genau, was Kallstadt auszeichnet und ein Wein mit Anspruch, wie man es sonst erst ein oder zwei Etagen höher erwartet. Wer diesen Ortswein ins Glas bekommt, sollte sich bewusst sein: Das ist de facto eine Grande Cuvée der Kallstadter Spitzenlagen – mit allem, was dazugehört. Ein Geheimtipp? Ja. Aber wahrscheinlich nicht mehr lange.
»Here comes the rain again…« – das Weinjahr 2024 war rasant und aufwühlend. Eine deutlich kühlere Vegetationsperiode mit wechselnden Regen- und Trockenphasen forderte die Winzer heraus. Der frühe Austrieb im April wurde von heftigen Spätfrösten abgelöst, die Ahr, Nahe, Nordbaden, Saar und Ruwer besonders hart trafen und zu teils dramatischen Ernteausfällen führten. Viel Manpower, bedingungsloser Einsatz und sorgfältige Selektion waren entscheidend. Die besten 2024er Weine zeigen eine bemerkenswerte Finesse mit überraschend viel Stoffigkeit und schlanker Kraft. Der kühlere Ausdruck erinnert an die präzisen Klassiker 2016, 2008, 2004 und 2002. Sie sind extrem klar gezeichnet und definiert und besitzen häufig mindestens ein Volumenprozent weniger Alkohol als die Vorjahre. Umso überraschender ist die Substanz und innere Dichte, die durch ausgiebige Sommerniederschläge und eine langsame Reifung bis in die kühlen Nächte der späten Lese ermöglicht wurde. Die Trauben erreichten enorm hohe Extraktwerte, die mit 2023 konkurrieren. »Die schönsten Aromen gedeihen im Schatten.« wie Florian Lauer immer sagt. Die Säuren sind »nordisch-straff« und vibrierend, aber reifer und weniger einschneidend als im “krachenden” 2021. Die Weine bieten eine genussvolle Cremigkeit, ohne ihr elektrisierendes Rückgrat zu verlieren. Der 2024er ist ein harmonischerer und feinerer Jahrgang als ebenfalls kühlere 2021, zudem ist es aromatisch in einem klassischeren und schlankeren Profil angesiedelt als die »Vollgas-2023er«. Bei vielen Weinen wurde ein Level erreicht, das mit dem Benchmark-Jahrgang 2023 mithalten kann, auch wenn die Mengen besonders bei den Großen Gewächsen teils sehr gering sind. Es gibt so viele wunderschöne, filigrane, saftig-dichte und auch richtig lecker-delikate Weine in diesem Jahr. Und das kann in dieser Leichtigkeit und finessenreichen, athletischen Form heute eben fast nur noch in Deutschland so geerntet werden. Franken glänzt mit exzellenten Silvanern mit kühlem Saft und eleganter Stoffigkeit. An Mosel-Saar-Ruwer wurde im restsüßen Bereich von Kabinett bis Auslese absolute Weltklasse geerntet, trotz mancherorts verheerender Frostschäden. Die Nahe glänzt 2024 nicht nur mit Riesling in ultrafokussierter Manier, sondern auch mit Burgundern dieses Jahr – genau wie die Südpfalz! Der wärmeren Mittelhaardt steht ein kühleres Jahr immer mehr als gut. Von Christmann über Bürklin bis Winning ist das der Stoff aus dem Riesling-Träume sind. In Rheinhessen hat wohl der Rote Hang sein Jahr der Jahre, so viele Mega-GGs nach den schwierigen Trockenjahren dort ein Segen… wow!