Lobenberg: Im Würzgarten haben wir Einzelpfahlerziehung, uralte Reben. Eine ganz fantastische Lage mit überwiegend wurzelechten Stöcken. Neben dem Erdener Prälat stehend, auf einem roten Verwitterungsschiefer mit hohen Eisenanteilen, extrem steil, teilweise terrassiert. Sicherlich eine der ausdrucksstärksten Lagen der Mosel überhaupt. Dem Namen entsprechend: der Würzgarten mit würziger Nase. Sehr viel Schiefer, Druck, eine fast an Unterholz erinnernde Würzigkeit und nasses Gestein, schiebend. Auch eine ganz feine, schlanke Exotik, die ganz köstlich duftet. Passionsfrucht, Sternfrucht, Anis, bunt gemischtes Steinobst und etwas unreife Melone und Litschi. Schlank und mineralisch und doch mit so Druck, dann kommen süße Blüten. Im Mund ein ziemlicher Kracher. Verglichen mit dem Erdener Treppchen ist die Nachbarlage, die ja wirklich nur knapp daneben liegt, deutlich anders ausgeprägt. Pinke Grapefruit mit leicht unreifer Mandarine, etwas Bitterorange, fast ein wenig an rote Johannisbeeren erinnernd. Viel Schiefergrip, Mineralität und nasses Gestein. Die Säure ist gewaltig, schiebt den Wein in die Unendlichkeit. Trotz seiner Leichtigkeit und Filigranität baut sich so viel Druck im Mund auf, schiebend und intensiv. Eine ungeahnte Dramatik, das ist eben die Kunst dieser großen Lage, die sogar in einem kühlen Jahr ein so hochintensives kleines Weinereignis hervorbringt. Genau so muss ein Moselkabinett sein, tänzelnd und ultrazart, aber so krachend-intensiv, dass man aus dem Staunen nicht mehr herauskommt. Die pikante, tropische Säure erinnert an ein Ceviche mit Passionsfruchteinschlag, das dann auch ein perfektes Foodpairing dazu wäre. Perfekter Stoff in dieser Kategorie, das ist schon in einer der großen Kracher der Mosel im Kabinett. Ein trocken-salziger Gesteinshammer mit köstlicher Exotik und Pikanz. Herausragend und groß! Treppchen und noch einen Hauch mehr Würzgarten sind die absoluten Best-ever-Überflieger im Kabinett dieses Jahr, wenn man auf diese urklassische Mosel steht. 95/100
Mit den letzten Jahrgängen im Hinterkopf antizipierten die Winzer wie gewohnt einen eher trocken-warmen Witterungsverlauf. Doch 2021 machte recht schnell klar: nicht mit mir! Austrieb und Blüte waren bereits von ungewöhnlich nordisch-rauem Wetter begleitet und im Vergleich zu den Vorjahren »relativ spät« – im langjährigen Mittel also quasi normal. Die meisten deutschen Weinberge blieben von Frost verschont. Die recht harsche Witterung sorgte jedoch nahezu überall für Ertragseinbußen durch die windige, verregnete und dadurch unregelmäßige Blütephase. Der darauffolgende Sommer brachte zunächst keineswegs die Wende. Dramatisch konzentrierte Sommerniederschläge setzten der vorherigen Trilogie der heiß-trockenen Jahre ein jähes Ende und machten den Pflanzenschutz 2021 zu einer Sisyphusarbeit. Die Topwinzer haben 2021 Marathondistanzen in den Weinbergen abgeleistet, um der Situation Herr zu werden. Durch den zusätzlich hohen Personaleinsatz ist es in der Produktion für viele eines der teuersten Jahre aller Zeiten. Ein Glück, dass der Riesling als adaptierte Nord-Rebe stoisch in Wind und Wetter steht wie ein Islandpferd. Denn im Grunde wurde im Herbst immer klarer: Wenn man im Sommer richtig Gas gegeben hat, konnte das noch ein unglaublich starker Jahrgang werden – und so kam es dann auch. Nach diesem echten Cool-Climate-Sommer, der bis Ende August anhielt, retteten der September und ein Goldener Oktober den Weinjahrgang dann fast im Alleingang. Ein stabiles Hoch über Mittel- und Osteuropa sorgt für dieses seit Jahrhunderten bekannte Phänomen. Die Sonnenscheindauer ist gegen Oktober mit noch immer über 10 Stunden sehr hoch, dafür ist die Tag-Nacht-Amplitude schon viel ausgeprägter als noch im August. Da die Nächte länger werden, kann die Luft in Bodennähe stärker auskühlen. Das sorgt für eine langsame Ausreifung bei langer Hangzeit am Stock und trotzdem stabil bleibenden Säuren. Gerade der Riesling liebt das besonders, aber auch die Burgundersorten brillieren mit kühler Frische. Denn 2021 ist ein so spannendes, krachendes und zugleich kristallines Weißwein-Jahr, wie wir es lange nicht mehr hatten. Wer keine Angst vor berauschender Frische hat und sich gerne von hoher Spannung aus der Kurve tragen lässt, der wird mit 2021 seine größte Freude haben. Alle anderen sollten sich besser an die gar nicht so unähnlich gebauten, aber etwas freundlicheren 2020er halten.