Carl Loewen: Riesling 1896 Erste Lage 2024

Carl Loewen: Riesling 1896 Erste Lage 2024

Weinclub

Zum Winzer

97–100
100
2
Riesling 100%
5
weiß, trocken
12,0% Vol.
Trinkreife: 2032–2054
Verpackt in: 6er
9
mineralisch
unkonventionell
fruchtbetont
3
Lobenberg: 97–100/100
Suckling zu 2023: 100/100
6
Deutschland, Mosel Saar Ruwer
7
Allergene: Sulfite,
lobenberg

Heiner Lobenberg über:
Riesling 1896 Erste Lage 2024

97–100
/100

Lobenberg: An einem Tag gelesen. Dieser Wein ist in vielerlei Hinsicht ein Kuriosum. Zuallererst einmal in der Bezeichnung. Der Wein kommt aus dem gleichen großen Weinberg wie der Herrenberg Großes Gewächs, aus dem unteren Teil mit den 1896 gepflanzten wurzelechten Reben in Einzelstockerziehung. Es darf aber ja bim VDP nicht zwei GGs aus einer Lage geben. Peter Jakob Kühn hat sich damit geholfen, seine Topweine Unikate zu nennen, was ich im Grunde verständlicher finde als diese Version von Carl Loewen, zumal es ja auch eine Erste Lage 1896 gibt. Der nur 1896 heißende Wein ist auf jeden Fall ein Experimentalwein, der hergestellt wird wie vor 100 Jahren. Hier kommt aber auch das beste Lesegut aus dem dritten Lesedurchgang des Herrenberg GG mit dazu. Die Verarbeitung geschieht wie vor 120 Jahren in reiner Handarbeit. Die mit der Hand gelesenen Trauben werden mit der Hotte zu den Traubenbütten auf dem Anhänger getragen. In der Bütte werden die Trauben unentrappt sofort mit den Füßen eingestampft, direkt noch auf dem Anhänger, damit der Saft austritt und die Mazeration der Trauben beginnt. So können die Aromen der Trauben voll aufgeschlossen werden. Am Abend des Erntetages beginnt erst das Keltern. Hierfür konnte das Weingut eine alte Korbkelter erwerben, die mit der Technik des vergangenen Jahrhunderts arbeitet. Mit Muskelkraft wird gekeltert, und zwar über die ganze Nacht in einem Durchgang, ohne erneutes Aufscheitern. Der Most wird ohne Sedimentation direkt ins Fuder gegeben. Die Gärung erfolgt spontan mit traubeneigenen Hefen. Über diesen langen Prozess ergibt sich dadurch automatisch eine relativ lange Maischestandzeit und dadurch eine gewisse Phenolik. Der Wein verbleibt bis zum nächsten Sommer komplett auf seiner Vollhefe, geschwefelt wird erst sehr spät. Die Vergärung geschieht im ältesten Holzfass des Weinguts von 1960, um jeglichen aromatischen Holzeinfluss zu vermeiden. Der Boden dieses 1896 ist – wie im Herrenberg – roter Schiefer, und er verfügt über eine besondere Wärme. Das einzige Manko hier ist, dass es immer nur ein einziges Fass ist. Das ist das Fass aus dem die Loewens am liebsten mal ein Gläschen abzapfen während des Ausbaus, weil es so faszinierend und packend ist. Man kann sich schwer davon losreißen. Gelbe und rote Frucht spielen wild durcheinander, dann wird es blumiger, dann wieder steiniger, sehr komplex und vielschichtig. Auf dem Papier ist der Jahrgang 2024 sehr ähnlich zu 2021, hohe Extrakte, hohe Säuren, kleine Erntemenge. Geschmacklich ist es durch die höheren pH-Werte aber viel harmonischer und deutlich weniger grün als in 2021. Die Säuren sind total seidig und reif, die Texturen fast cremig, sehr dicht, dazu aber die kräuterig-steinige Aromatik eines kühlen Jahres. Wirklich ein faszinierender Jahrgang, wie eine moderne Version von 2008 mit mehr Eleganz. Der 2024er liegt ruhig und elegant im Glas, zeigt sehr feine Fruchtnuancen, nichts Lautes, grüne Mandarine, Orangenabrieb, ein bisschen grüner Pfeffer, ätherisch in der kühlen Kräuterwürze von 2024. Rotschiefer gibt immer mehr Textur und Druck in den Weinen, aber wenn man den Lesezeitpunkt richtig trifft geht es nicht in die Breite. Da muss man schnell sein. Er hat die Kraft und die Konzentration in diesem Jahr, die ich so gar nicht erwartet hätte, das steht nicht weit hinter 2023 zurück in Sachen Power, ist aber etwas vibrierender und feiner, einfach etwas filigraner gezeichnet. Ganz hinten im Finale hat er einen berauschenden, ganz feinen Bitterstoff-Turbo, der den Speichelfluss anregt. Das ist kein 0815 easy-drinking, sondern schon etwas fordernd, man muss sich auf diese puristische Stilistik einlassen. Aber es ist nie zu extrem bei Loewen, die Flasche wird immer leer werden. Ein großer Wein, der die Natur und den Genießer mitnimmt. 97-100/100

Jahrgangsbericht

»Here comes the rain again…« – das Weinjahr 2024 war rasant und aufwühlend. Eine deutlich kühlere Vegetationsperiode mit wechselnden Regen- und Trockenphasen forderte die Winzer heraus. Der frühe Austrieb im April wurde von heftigen Spätfrösten abgelöst, die Ahr, Nahe, Nordbaden, Saar und Ruwer besonders hart trafen und zu teils dramatischen Ernteausfällen führten. Viel Manpower, bedingungsloser Einsatz und sorgfältige Selektion waren entscheidend. Die besten 2024er Weine zeigen eine bemerkenswerte Finesse mit überraschend viel Stoffigkeit und schlanker Kraft. Der kühlere Ausdruck erinnert an die präzisen Klassiker 2016, 2008, 2004 und 2002. Sie sind extrem klar gezeichnet und definiert und besitzen häufig mindestens ein Volumenprozent weniger Alkohol als die Vorjahre. Umso überraschender ist die Substanz und innere Dichte, die durch ausgiebige Sommerniederschläge und eine langsame Reifung bis in die kühlen Nächte der späten Lese ermöglicht wurde. Die Trauben erreichten enorm hohe Extraktwerte, die mit 2023 konkurrieren. »Die schönsten Aromen gedeihen im Schatten.« wie Florian Lauer immer sagt. Die Säuren sind »nordisch-straff« und vibrierend, aber reifer und weniger einschneidend als im “krachenden” 2021. Die Weine bieten eine genussvolle Cremigkeit, ohne ihr elektrisierendes Rückgrat zu verlieren. Der 2024er ist ein harmonischerer und feinerer Jahrgang als ebenfalls kühlere 2021, zudem ist es aromatisch in einem klassischeren und schlankeren Profil angesiedelt als die »Vollgas-2023er«. Bei vielen Weinen wurde ein Level erreicht, das mit dem Benchmark-Jahrgang 2023 mithalten kann, auch wenn die Mengen besonders bei den Großen Gewächsen teils sehr gering sind. Es gibt so viele wunderschöne, filigrane, saftig-dichte und auch richtig lecker-delikate Weine in diesem Jahr. Und das kann in dieser Leichtigkeit und finessenreichen, athletischen Form heute eben fast nur noch in Deutschland so geerntet werden. Franken glänzt mit exzellenten Silvanern mit kühlem Saft und eleganter Stoffigkeit. An Mosel-Saar-Ruwer wurde im restsüßen Bereich von Kabinett bis Auslese absolute Weltklasse geerntet, trotz mancherorts verheerender Frostschäden. Die Nahe glänzt 2024 nicht nur mit Riesling in ultrafokussierter Manier, sondern auch mit Burgundern dieses Jahr – genau wie die Südpfalz! Der wärmeren Mittelhaardt steht ein kühleres Jahr immer mehr als gut. Von Christmann über Bürklin bis Winning ist das der Stoff aus dem Riesling-Träume sind. In Rheinhessen hat wohl der Rote Hang sein Jahr der Jahre, so viele Mega-GGs nach den schwierigen Trockenjahren dort ein Segen… wow!

Verkostungsnotiz
100
/100

Suckling zu 2023 über: Riesling 1896 Erste Lage

-- Suckling zu 2023: The beauty of this great dry Mosel wine is both overwhelming and seemingly timeless. Unbelievable concentration, yet everything about this wine is fine and precise, so that you wonder how such density and delicacy can coexist. And the brilliance of the finish is the most amazing thing about this great Mosel masterpiece. Vegan. Limited production. Drink or hold.

Mein Winzer

Carl Loewen

Stuart Pigott, der wohl neben Stephan Reinhardt (Parker) bekannteste Weinjournalist mit dem Schwerpunkt "Deutsche Weine", erklärte das Weingut Carl Loewen in der FAZ im November 2017 zum Liebling des Jahres.

Riesling 1896 Erste Lage 2024