Von Max Bomm

Reisebericht Österreich 2022

Ich predige am laufenden Band: 'Fahrt nach Österreich!'

Dass ich von meiner ersten Weinreise in die wunderschöne Alpenrepublik so derartig schwärmen würde, hätte ich im Vorfeld nicht erwartet. Freunden, Familie und Kollegen predige ich seither am laufenden Band: »Fahrt nach Österreich!«, denn ich wurde einfach geflasht und jede Erwartung übertroffen. Okay, nun zu behaupten, dass meine Erwartungen nicht hoch gewesen seien, wäre schlichtweg falsch. Einerseits voller Neugier auf den Jahrgang 2021, aus dem ich schon so einiges Spannendes – insbesondere aus Deutschland und Frankreich – verkosten durfte. Und andererseits war ich natürlich enorm gespannt, die Menschen hinter diesen hochindividuellen Tropfen kennenzulernen. Zudem die klangvollen Lagen wie Heiligenstein, Kellerberg oder Edelgraben, die ich bis dato nur von den Etiketten kannte, auch einmal live zu erleben. Und ja – Schnitzel, Mangalitza und Marillenknödel waren an dieser großartigen Reise auch keine Unbeteiligten...

Max Bomm und Elias Schlichting

Auftakt in der Casa Strobl

»Wenn Clemens Strobl einlädt, müssen wir dahin! Kein Weg führt daran vorbei.« Frei nach diesem Motto waren Zeit- und Startpunkt der Reise schonmal gesetzt, denn sie sollte mit einer grandiosen Veranstaltungs-Premiere beginnen. Unter dem Titel »Kollektiv Terroir« lud die Familie Strobl zu einer Art Messe auf ihrem detailverliebt restaurierten Gut Wagram ein. Eine perfekt organisierte Weinpräsentation mit 16 verschiedenen Betrieben – fast alle Partner von uns – mit dem Fokus, einzigartige Charakterweine zu produzieren. Die ideale Chance, sich schon einmal einen guten Überblick zu verschaffen, denn es waren ausnahmslos Spitzenbetriebe aus ganz Österreich vertreten. In dem Zusammenhang habe ich selbstverständlich auch an der Jahrgangspräsentation der Strobls teilgenommen. Und was soll ich sagen? Ich bin einfach absolut beeindruckt von dieser eigenständigen Stilistik. Rosen und Schreck sind nicht etwa ein neues DJ-Kollektiv aus Wien, sondern brillante Lagenweine. »Rosen«, der kristalline, zupackende Riesling und »Schreck« ein fast burgundisch anmutender Veltliner. Vom »Hengst«, der ohne Zweifel zu den besten Pinots Österreich zählt, ganz zu schweigen. Ich hätte das gern mal blind neben großen Burgundern – ich bin mir sicher, da wird er mithalten können. Clemens und sein Sohn Lukas, der hier mittlerweile die Weine macht, haben damit nachhaltig dafür gesorgt, dass der Wagram als Region auf meiner Watchlist steht.

Weinkeller von Clemens Strobl
Weinkeller von Clemens Strobl

Niederösterreich und das perfekte Jahr

Kamptal und Kremstal

Vom Wagram aus ging es dann erstmal weiter an der Donau und ihren Nebenflüssen. Das Kremstal, Kamptal und die Wachau standen also auf dem Programm. Insgesamt hat es alle Appellationen hier in 2021 enorm gut getroffen. Oder um Niki Moser zu zitieren: »Nicht so oft erleben wir Ernten, bei denen man so unkompliziert derart hochwertiges Traubenmaterial einbringen kann. Da schlägt das Winzerherz höher!« Ausnahmslos alle Winzerinnen und Winzer hatten strahlende Augen, sobald man sie nach dem Jahrgang fragte. Die kühlen Temperaturen im Frühjahr führten zu einem späten Austrieb. Die darauf folgende Vegetationsperiode war auch relativ kühl und länger als in den Vorjahren. Nach einigen heißen Powerjahren wurde den Reben also quasi mal wieder eine kleine Verschnaufpause gegönnt, die Trauben haben langsam ihre perfekte physiologische Reife erreichen können. 2020 galt hier als exzellentes Jahr, in 2021 sehen viele einen historischen Jahrhundertjahrgang.

Zu allen Weinen von Moser

Weine, wie sie hier vermutlich vor einigen Epochen gemacht wurden.

Hahn zischen den Reben vom Weingut Loimer
Hahn zischen den Reben vom Weingut Loimer

Als Rieslingfreak bin ich fast etwas überrascht, dass mich gerade die Veltliner hier sehr nachhaltig beeindrucken. Loimers Loiserberg ist wieder ein Paradebeispiel für einen schlanken, sortentypischen, dabei aber sehr individuellen Grünen Veltliner. Als 21er nur eben mit dem Extra an Frische. Gleiches gilt für Moosbruggers Weine vom altehrwürdigen Schloss Gobelsburg. Hier konnte im März sogar noch ein 21er Eiswein gelesen werden. Der »neue alte« Keller auf Gobelsburg ist ein magischer Ort, der eine Jahrhunderte alte Weinbaugeschichte erzählt. Mit der »Tradition Heritage Linie« macht Michael diese Geschichte schmeckbar. Eine Veltliner-Riesling- Cuvée, über zehn Jahre lang ausgebaut im großen 2.500-Liter-Fass. Weine, wie sie hier vermutlich vor einigen Epochen gemacht wurden. Sehr eigenwilliger Stil, äußerst tief, vielschichtig, mit speckiger Würze, Textur und beeindruckender Dichte. Großartig!

Michael Moosbrugger
Michael Moosbrugger von Schloss Gobelsburg

Ein deutlicher, aber sehr erfrischender Kontrast ist dann die kleine Garage-Winery des gebürtigen Franzosen Charly Rol. Charly stammt aus dem Burgund, genauer gesagt aus Marsannay, quasi aus der Nachbarschaft von Sylvain Pataille, der auch zu seinen besten Freunden zählt. Es war die Liebe, die ihn schlussendlich dazu bewegte auszuwandern und nun bringt er mit seinen genialen Weinen viel frischen Wind nach Langenlois. Charlys erklärtes Ziel ist kein geringeres, als der Rebsorte Zweigelt zu einem besseren Ruf zu verhelfen. Dabei verfolgt er mit seinem Stil zwar einen burgundischen Ansatz, möchte sich aber eben bewusst auf die heimischen Rebsorten Zweigelt und Grüner Veltliner konzentrieren. Nicht weniger individuell sind Markus Langs energetische Meisterwerke. Früh, aber nicht unreif gelesen. So erhält Markus die Frische in seinen Weinen, ohne dass das Aroma darunter leidet. Sein Fokus liegt auf Riesling und GV. Letztere sind teilweise so derartig kristallin und zupackend, dass ich Markus fragen musste, ob das nun wirklich nicht der Riesling im Glas ist. Ausgebaut in Fässern und Amphoren, über zwei Jahre und mehr. Der aktuelle Jahrgang ist hier 2019. Freakstoff im positivsten Sinne.

Charly Rol
Charly Rol

Wow, was sind das für monumentale Weine!

Als krönenden Abschluss und zur Einstimmung auf die nächsten Tage in der Wachau, lud Team Bründlmayer in den Heurigenhof ein. Willi Bründlmayer, Andreas Wickhoff und Thomas Klinger kredenzten eine Blindprobe mit einigen spannenden Highlights. Beeindruckend war insbesondere der Rieslingflight mit Heiligenstein und Dönnhoffs Hermannshöhle, beides 2020er. Wow, was sind das für monumentale Weine! Aufregend unaufgeregt, mit erhabener Kraft und Tiefe, für mich auf einem Level. Und der Grünen Veltliner aus der »Ried Lamm« hat alle total überrascht mit seiner dunklen Rauchigkeit und burgundischer Struktur. Absolut genial.

Wachau

Von den Winzern der Wachau hatte man schon sehr viel positives gelesen und gehört. Einige sehen 2021 sogar auf dem Level des legendären 1997ers. Vielleicht ein potenzieller Nachfolger dieses Jahrhundert-Jahrgangs? Wir werden sehen...

Weinberg von FX Pichler
Weinberg von FX Pichler

Also Ankunft am Nikolaihof, wo gerade der erste Most aus 2022 von der Presse läuft. Die Trauben sehen perfekt und kerngesund aus, die optimale Süße-Säure-Balance im frischgepressten Saft ist mehr als vielversprechend für 2022. Das lässt jetzt schonmal die Spannung aufs nächste Jahr steigen. Aber zurück zur aktuellen Kollektion. Hier zu verkosten ist natürlich etwas ganz anderes, denn einerseits gibt es hier eine Reihe spannender, enorm frischer 2021er im Glas, andererseits aber auch die Raritäten und Spätfüllungen zurück bis 1997 zu verkosten. Damit ist der Nikolaihof wirklich ein absolutes Unikat in der Wachau. Hier wird das Thema Biodynamie ganzheitlich gelebt und praktiziert. Zeit ist dabei ein entscheidender Faktor. Manche Fässer brauchen einfach länger und werden konsequent auch erst dann gefüllt, wenn die Weine dazu reif sind. Daneben spielen hier auch andere Lebensmittel aus der biodynamischen Landwirtschaft eine große Rolle. In ihren Kochbüchern schreibt Seniorchefin Christine Saahs über die positiven Eigenschaften des »Kochens mit der Kraft der Natur«. Als Erinnerung an den ersten Besuch gibt es ein Wachauer Kochbuch mitsamt Widmung, welches ich in Ehren halten werde. Der Nikolaihof wird mir als toller, herzlicher Ort mit besonderen Weinen und besonderen Menschen in Erinnerung bleiben.

Da strahlt der Winzer völlig zurecht.

Nikolaihof
Nikolaihof, Seniorchefin Christine Saahs

Weiter geht’s zu Emmerich Knoll, der uns hier einen grandiosen 2021er nach dem anderen einschenkt. Wow, ich kann mich nicht daran erinnern, jemals einen so unfassbar geradlinigen Loibenberg Riesling Smaragd im Glas gehabt zu haben. Loibenberg zählt normalerweise zu den wärmsten Lagen hier, die Weine haben immer eine etwas barockere Struktur, aber der 21er ist einfach so enorm kristallin, zupackend und so ungewohnt rassig. Gleiches gilt für die Veltliner, die ebenfalls so spannungsgeladen daherkommen. Da strahlt der Winzer völlig zurecht. Weiter geht es zu Lucas Pichler, dessen Riesling aus dem Kellerberg mich sprachlos werden lässt. Unfassbare Eleganz und Finesse, gepaart mit Dichte und Kraft. Nichts ist hier fett, einfach nur fein. Kann das vielleicht nur vom Unendlich getoppt werden? 2021 war jedenfalls so perfekt, dass es wieder zwei verschiedene »Unendlich« geben wird – sowohl einen Riesling, als auch einen GV. Diese dann aber erstmals mit längerem Fassausbau und Release erst 2023. Wer die Zeit bis dahin überbrücken möchte, sollte beim grandiosen Dürnsteiner Ortswein zuschlagen.

Lucas Pichler
Lucas Pichler

Das ist atemberaubender Stoff!

Denkt man an die großen Klassiker der Wachau, gibt es definitiv noch einen Namen, der einem da sofort ins Gedächtnis kommt: Toni Bodenstein vom Weingut Prager. Toni ist ein Purist, Botrytis hat in seinen Smaragden oder Federspielen nichts zu suchen. In 2021 haben wir jahrgangsbedingt dann jetzt nochmal mehr Klarheit in den Weinen. Der Riesling aus der Ried Klaus kommt mit der Kühle eines Gebirgsbachs daher. Unglaublich fein, nur auf der Finesse laufend. Mein persönliches Highlight ist aber der Grüne Veltliner aus der Ried Liebenberg. Ein Wein auf den wir besonders stolz sind, da wir ihn uns exklusiv sichern konnten. Ein gemeinsames Projekt unter dem Arbeitstitel »Liebenberg für Lobenberg«. Das ist atemberaubender Stoff, so ultrageschliffen und reduziert aufs Wesentliche. Kein lauter Wein, einfach ein großer puristischer Veltliner.

Toni Bodenstein
Toni Bodenstein

Puristisch geht es weiter bei den beiden Shooting-Stars am Spitzer Graben: Die Grabenwerkstatt. Das Produkt langjähriger Pfälzer-Wachauer-Freundschaft. Michael Linke und Franz Hofbauer produzieren hier in den kühlen Top-Lagen eine beeindruckende Kollektion ultramineralischer Kracher. Auch wenn das hier echte Wachauer Rieslinge und GV sind, kann ich nicht darauf verzichten, einen Bürklin-Wolf-Vergleich hier anzubringen. Denn in ihrer zupackenden Art sind sie den großen Forster Rieslingen gar nicht unähnlich. Besonders der Wein aus der Ried Trenning, der so clean, aber doch so dunkelwürzig und kühl daherkommt. Genial!

Abstecher ins Burgund, äh Burgenland!

Auf in die Heimat des Blaufränkisch! Mir kommt es so vor, als wäre das eine immer noch viel zu häufig missverstandene Rebsorte, aber warum eigentlich? Die ganze Welt schreit nach Pinot Noir und die besten Nebbiolo zählen mitunter auch zu den gesuchtesten Weinen der Welt. Ich finde, Blaufränkisch teilt sich einige Eigenschaften mit diesen beiden Rebsorten. Es ist keine aufdringliche Sorte, die ihr jeweiliges Terroir extrem gut und mit viel Transparenz zum Ausdruck bringt – wenn man sie lässt. Mit dem nebbiolo-ähnelnden, markanten Tannin und einer frischen Säurestruktur. Mit dem Pinot teilt sie sich ihre Finesse und Wandelbarkeit durch das jeweilige Terroir. Blaufränkisch ist großartig, die besten Produzenten beweisen es.

Lichtenberger-Gonzalez
Lichtenberger-Gonzalez

Zu allen Weinen von:    Moric   |   Rosi Schuster   |   Krutzler

Zur absoluten Weltspitze zählen sicher ganz unumstritten Roland Velich mit seinem Weingut Moric und natürlich Hannes (Rosi) Schuster. Absolute Benchmark-Weine und in ihrer Größe bisher unübertroffen. Krutzlers »Perwolff« ist völlig anders, ist seit einigen Jahren nun aber auch reiner Blaufränkisch. Das ist großer Stoff mit Ikonen-Status, der als 20er erneut zu den großen Rotweinen Österreichs zählt. Aber es kristallisiert sich hier auch eine Riege neuer Top- Produzenten heraus. Die Weine von Lichtenberger-Gonzalez werden beispielsweise von Jahr zu Jahr immer feiner. Schon der Blaufränkisch vom Leithaberg macht enorm viel Spaß, vom großen Flaggschiff aus der Lage »Edelgraben« mal ganz zu schweigen. Diese Sorte ist aber auch so wunderbar wandelbar, sie kann nicht nur burgundische Rotweine hervorbringen, sondern auch tolle Spaßmacher, wie Martin mit seinem Muschelkalk Rosé und dem »Bubbles« Pet Nat beweist. Auch Markus Altenburger hat ein wunderbares Händchen für Schaumweine. Dazu bewegt hat ihn vor einigen Jahren ein Besuch beim Legendären Champagnerhaus Jacques Selosse, dessen Stilistik und Arbeitsweise Markus so sehr beeindruckt haben, dass er sich daraufhin auch an einem sehr ausgefallenen Sekt versucht hat. Und probiert man den Blank mit diesem Wissen, ergibt das alles total Sinn, denn in dieser leicht abgefahren-oxidativen Stilistik erinnert das tatsächlich etwas an die großen Weine von Selosse. Eine Neuheit ist die Spätfüllung des 2007er Jois, eine Cuvée aus Blaufränkisch mit einem kleinen Schuss Cabernet Sauvignon. Ein absichtlich vergessenes Fass, das jetzt 2022 erst gefüllt wurde und auf den Punkt gereift auf den Markt kommt. Ich bin froh, dass wir uns einige Flaschen dieser Rarität exklusiv für den deutschen Markt sichern konnten.

Es ist immer wieder irre beeindruckend, wie wandelbar diese Rebsorte ist.

Josef Umathum
Josef Umathum

Zu allen Weinen von:    Lichtenberger-Gonzalez   |   Altenburger   |   Umathum

Weiter geht es bei Biodynamiker Josef Umathum, der sehr zufrieden vom Jahrgang 2021 schwärmt. »Außergewöhnlich ist die klare Frucht in Verbindung mit hoher Konzentration und Frische. So einen tollen Jahrgang konnten wir noch selten einbringen!« Bis wir hier in den Genuss der 21er Rotweine kommen können, ist es noch ein bisschen Zeit. Aber die sollte man definitiv überbrücken mit der 2018er Cuvée Haideboden, die sich jetzt so unglaublich schön präsentiert. Claus Preisinger interpretiert den Blaufränkisch wieder auf seine ganz eigene Art. Bekommt man den Bonsai blind eingeschenkt, ist man vielleicht am ehesten im Jura mit dieser extrem schlanken, total auf der Frucht laufenden, leichten Stilistik. Mit dem Blaufränkisch Bühl dann wiederum eher im Piemont. Abgefahren! Die 2019er von Wachter-Wiesler sind etwas weniger wild, weniger konzentriert als die 18er, dafür mehr auf der feinen, sehr geschliffen-eleganten Schiene laufend. Sie sind vielleicht etwas erhabener, weniger laut, deutlich burgundischer geprägt in ihrer Art. Enorme Frische ausstrahlend und trotzdem dicht. Dass sie den Vergleich zum Piemont aber auch nicht scheuen müssen, beweist Christoph Wachter indem er einfach mal blind einen Barolo von Bartolo Mascarello neben seinen großartigen Eisenberg Alte Reben stellt – beide aus 2015. Genau so beim wirklich großen Ungerberg von Paul Achs, der als 2020er nochmal feiner ist als der strukturierte 2019er. Franz Weninger setzt bei seinen Weinen ebenfalls eher auf Einzellagen, nicht wie Moric und Schuster auf große Village- Weine. Seine Blaufränkisch stammen von genialen Lagen, die aber oft gar nicht mehr in Österreich liegen, sondern teilweise schon auf ungarischem Land. »Steiner« ist ein Beispiel dafür, dass eindrucksvolle Lagenweine nicht immer gleich ein Vermögen kosten müssen. Und Hochäcker ist ziemlich sicher einer der besten Rotwein-Deals überhaupt. Mit Blaufränkisch geht das eben noch. Es ist immer wieder irre beeindruckend, wie wandelbar diese Rebsorte ist. Last but not least darf nicht unerwähnt bleiben, was für eine geniale Süßwein-Kollektion wir bei Kracher verkosten durften. 2021 war ein ausgesprochen gutes Jahr für die edelsüßen Prädikate vom Neusiedlersee, die aber natürlich noch eine lange Zukunft vor sich haben. So richtig Spaß machen mir diese Weine erst nach frühestens 10 Jahren, was die phänomenale, und kürzlich mit 100-Parker-Punkten bewertete, Welschriesling TBA aus 2012 beweist.

Zu allen Weinen von:    Claus Preisinger   |   Paul Achs  |   Franz Weninger

Franz Weninger
Franz Weninger

Natürliches Österreich

Es ist schon lange kein Geheimnis mehr, dass uns unsere lieben Nachbarn aus der Alpenrepublik in Sachen »Naturwein« deutlich voraus sind. Eigentlich mag ich diesen Begriff überhaupt nicht, denn es fehlt eine genaue Definition. Aber ich zumindest verstehe darunter möglichst naturbelassene, ungeschminkte Weine. Meist unfiltriert, gar nicht oder nur minimal geschwefelt und völlig individuell. Eine biologische oder biodynamische Arbeitsweise sehe ich dabei als obligatorisch an. Und weil diese Weine so speziell sind, möchte ich ihnen losgelöst von der Region einen kleinen Abschnitt widmen, denn ich hatte während der Reise viele sehr geniale »trübe Topfen« im Glas. Angefangen bei Lukas Strobls Lust & Laune, bei dem der Name volles Programm ist. Ein wunderbar trinkiger, saftig-frischer Einstiegswein, der auch allen Skeptikern sofort jede unbegründete Berührungsangst mit naturbelassenen Weinen nimmt. Dass Weine dieser Stilistik ebenfalls Lagentypizität zeigen können, beweist unter anderem Christoph Heiss mit seinen genialen Natural-Lagenweinen. Ebenso Michael Wenzel, der mit uns keine klassische Verkostung, sondern ein ganz spannendes Experiment durchgeführt hat. Seine neue Furmint-Reihe präsentierte er uns nämlich blind, mit dem Ziel, die Weine zu erkennen. Und ja, auch wenn es etwas Zeit und Übung bedarf, kann man sehr wohl unterscheiden, welcher Wein von den Alten Reben stammt und welcher von der Stockkultur. Faszinierend! Weil sein Weißburgunder aus der Lage Edelgraben nicht den Konventionen entspricht, darf Claus Preisinger keine Lage aufs Etikett schreiben, was er aber umgeht, indem er den Lagennamen quasi indirekt angibt: ErDELuftGRAsundreBEN. Völlig zurecht meiner Meinung nach, denn die Komplexität eines Lagenweins hat er allemal.

Zu allen Weinen von:    Heiss - Malinga   |   Michael Wenzel

Gernot Heinrich
Gernot Heinrich

Ich komme jedenfalls nicht mehr aus dem Schwärmen heraus.

Terroircharakter stellt auch Ewald Tscheppe vom Weingut Werlitsch mit seinen drei verschiedenen »Ex Vero« heraus, die jeweils aus unterschiedlich steilen Parzellen eines Weinbergs stammen. Das ist so herrlich authentisch, denn während der Verkostung erzählt Ewald, dass er den Weinen einfach freien Raum lässt und während ihrer Entwicklung nicht eingreift. Er ist eben der Meinung, dass die besten Weine ausschließlich im Weinberg entstehen. Ist es nicht beeindruckend, wie »einfach« das Rezept sein kann? Ich komme jedenfalls nicht mehr aus dem Schwärmen heraus. Zu guter Letzt müssen beim Thema »Naturwein« natürlich noch die Weine von Gernot Heinrich erwähnt werden. Was hier in schweren Tonflaschen mit bunten Illustrationen verkauft wird, ist nämlich absolut ernsthafte Natural-Spitzenklasse. Wer sich da mal rantasten möchte, sollte mit den Weinen aus der »Naked« Reihe starten. Wem das taugt, greife zur »Freyheit«, von der mir als Nicht-Muskat-Liebhaber die Muscat Variante erstaunlich gut gefällt.

Zu allen Weinen von:    Werlitsch   |   Gernot Heinrich

Ewald Tscheppe
Ewald Tscheppe

Und wie genial sich diese Weine auch mit etwas Reife weiterentwickeln können, ist auch beachtlich. Wer die aktuell wieder im Verkauf befindliche »Weisze Freyheit« aus 2017 probiert, wird verstehen, was ich meine. Und mit einem Schluck »Glück« von Werlitsch geht es weiter in der Südsteiermark.

Das Finale: Steiermark Grand Cru

Fährt man früh morgens über die kurvigen Bergstraßen der Südsteiermark, kann man sie sehen – die wunderschönen, nebelverhangenen Täler, die leuchtend grünen Weinberge und mystisch anmutenden Wälder. Wenn ich eine Weinregion malen könnte, würde es die Südsteiermark sein. Sorry, liebe Wachauer Winzer, aber dieses Panorama catcht mich einfach extrem.

Südsteiermark
Südsteiermark

Wer einmal bei Tements auf der Terrasse gestanden und über die Steilhänge ins Tal geschaut hat, versteht spätestens dann, warum hier so großartige Weine entstehen können. Das ist Grand Cru par excellence! Worte und selbst Bilder können kaum beschreiben, wie überwältigend diese Landschaft ist. Die Lese ist auch hier bei Tement mitten im Gange, und zwischen Qualitätscheck und Telefon haben wir uns auch noch zur Verkostung angekündigt. Aber wie gewohnt, gibt es hier keine halben Sachen. Alles ist perfekt vorbereitet, als wir ankommen. Die 21er Gebietsweine sind knackig, rassig und mit schöner Frische. Hier driften weder Sauvignon, noch Muskateller auch nur ansatzweise in eine kitschige Aromatik ab, sondern alles bleibt hier extrem fein und filigran. Dann folgen die so wunderbar ausbalancierten 2020er. Etwas weniger wild vielleicht als die dichten, engmaschigen, hochmineralischen 2019er. Die Krönung der großartigen 19er wird die Reserve-Abfüllung. Unglaublich vielschichtig mit Länge, Dichte und berstender Spannung. Ein Monolith in der Mache, aber Chapeau, das ist schon ziemlich aufregender Stoff!

Tement
Tement

2021 ist in Österreich flächendeckend ein großes Jahr. 

Weiter geht es beim Sattlerhof. Nach dem Lunch erst einmal ein Spaziergang durch die Weinberge mit Alex Sattler – auch hier ist der Reifecheck bestanden. Die Trauben 2022er haben hier nicht nur auf dem Papier traumhafte Werte, sondern schmecken auch so.
 

Alex Sattler
Alex Sattler

2021 hat auch hier sehr stoffige Weine mit einem doch sehr präsenten, aber reifem Säuregerüst hervorgebracht – Gebiets- und Ortsweine beweisen es. Die kommenden Riedenweine aus 2020 sind wie bei Zement etwas in sich ruhender, aber nicht weniger kraftvoll, sondern wirken insgesamt einfach nur weniger »getrieben« als die 2019er. Aber auch hier bei Sattler gibt es mit dem Trinkaus eine große Ikone aus 2019, die noch heiß erwartet wird. Ein gigantischer Wein und – gemeinsam mit Tements Vinothek – für mich so ziemlich das Beste, was man aus Sauvignon Blanc machen kann. Ja, auch einen Silex von Dagueneau würde ich da keinesfalls höher ansiedeln. Zum Niederknien!

Fazit
 


Wie bereits erwartet, ist 2021 in Österreich flächendeckend ein großes Jahr. Spannung und Finesse, Kraft und Struktur – alles perfekt miteinander vereint und das alles genau in dem richtigen Maße. Das ist schon ziemlich stark. Aber auch 2020 hat etwas Besonderes. Es sind sehr dankbare Weine, die direkt da sind. Fruchtoffen und mit vielleicht etwas mehr Charme als die 21er, die einfach noch mehr Zeit brauchen. Ich empfehle aber allen, sich noch mehr mit den Weinen unseres wunderschönen Nachbarlands auseinanderzusetzen. Von Steillagenweinen aus spektakulären Lagen, über finessenreiche Blaufränkisch-Geheimtipps, bis hin zu einigen der besten Naturweine der Welt. Österreich hat nicht nur landschaftlich so unglaublich viel zu bieten und während ich diese letzten Zeilen verfasse, kann ich die nächste Reise dorthin kaum mehr erwarten.

Österreich

Herkunft

Österreich

Österreich

Noch bevor die Wiederauferstehung des deutschen Rieslings begann, hatten sich in Österreich einige deutschsprachige Winzer in der Weinwelt den Ruf absoluter Weltklasse erarbeitet. Vielleicht ist das Jahr des Diethylenglykol-Skandals 1985, der Deutschland und Österreich betraf, als Startpunkt für ein neues...

Max Bomm

Max Bomm

Max ist ein Weinenthusiast und Genussmensch. Aus der Liebe zum Wein entschied er sich für das Studium der internationalen Weinwirtschaft an der HS Geisenheim. Nun ist er seit Herbst 2021 Teil unseres Winescout-Teams. Er ist immer auf der Suche nach spannenden Weinen, die seinen Horizont erweitern.

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