VON ANJA Breit

Toskana Grand Tour 2022 

Teil 1: Chianti &
die Toskanische Küste

Im Sommer sind Elias Schlichting und ich gemeinsam in die Toskana gereist, um 34 unserer Winzerpartner zu besuchen und ihre neuen Jahrgänge zu probieren. Wie im Rest Europas ist 2022 auch hier soweit ein sehr warmes und trockenes Jahr. Die Weinlese wird dieses Jahr bei einigen Weingütern schon Mitte August beginnen – vier Wochen früher als 2021. Das wird die früheste Lese, die es jemals gab.

Anja Breit mit Podere Le Ripi
Anja Breit mit Podere Le Ripi

Die Jahrgänge in der Übersicht

Viele Weingüter setzen sich seit Jahren mit dem wärmer und trockener werdenden Klima auseinander und glücklicherweise gibt es Möglichkeiten, um Weinberge auf die voraussichtlich wärmere Zukunft vorzubereiten. So wurde in den vergangenen 20 Jahren unglaublich viel in die Keller und die Weinberge der Toskana investiert. Der Trend zu höheren und somit kühleren Weinbergslagen ist unübersehbar. Der Ideenreichtum, Reben dazu zu bringen, tiefer zu wurzeln, kennt keine Grenzen. Mehrmals wird uns von Drainagesystemen unter den Weinbergen erzählt. »Ist das nicht kontraproduktiv?« ist mein erster, ziemlich erstaunter Gedanke. Aber das sind diese Anlagen eben nicht! Die Reben werden durch die Kanäle gezwungen, IMMER tiefer zu wurzeln, auch wenn es ausreichend Niederschlag gibt. 

Jahrgang 2017

Seit 2017 waren die durchschnittlichen Tagestemperaturen im Sommer in der Toskana sehr warm bis heiß. 2017 selbst hat leider  – möglicherweise auch weil es das erste Jahr nach dem perfekten Jahrhundertjahrgang 2016 war – einen schlechteren Leumund als es verdient. Die Weine sind eben eher gastronomisch, da gibt es leicht was zu kauen und das wiederum macht sie ideal als Essensbegleiter. Im Großen und Ganzen konnte ich oft rote, präzise, und häufig erstaunlich erfrischende Frucht in den nun meist in ihrem Trinkfenster angekommenen 2017ern finden. Sie haben damit wirklich eine Bühne am Tisch verdient!

Jahrgang 2018

Die 2018er sind oft reichhaltig, aber ohne dabei volle, überwältigende Blockbuster zu sein. Die extrem runden, balancierten und seidigen Tannine in diesen Weinen sind ihre Kennzeichen, und dadurch werden die Charmeure auch früher zugänglich sein. Ich war auch bei den 2018ern von der Balance beeindruckt. Obwohl die Weine intensiv sind, liefern sie zugleich eine solch erstaunliche Frische im Mund. 

Jahrgang 2019

Es ist nicht schwer, vom Jahrgang 2019 hoch begeistert zu sein. Paolo de Marchi vom Weingut Isole e Olena in Barberino Tavarnelle, Chianti, erinnert sich gerne an die warmen Tagestemperaturen des Jahres, die aber mit ungewöhnlich kühlen Nächten ausgeglichen wurden. 2019 war in vielen Gegenden der Toskana große Temperaturunterschiede von bis zu 20 Grad Celsius zwischen Tag und Nacht die Regel. Zudem gab es ausreichend Niederschläge übers Jahr hinweg verteilt. Für mich sind die Kennzeichen des Jahrgangs Präzision, intensive, glockenklare Frucht und vor Allem diese grandiose Balance.

Jahrgang 2020

2020 wird von Winzern als Jahr ohne »Ecken und Kanten« beschrieben. Im Glas sind die Weine noch körperreicher als die 2018er und verzaubern mit viel wollüstiger Konzentration und Fruchtintensität. Sie schwappen wie eine Welle über die Zunge und breiten sich dort diva-esque aus.

Jahrgang 2021

Darüber hinaus hatten wir bereits die Gelegenheit, eine Vorschau auf den 2021er Brunello zu bekommen. Die im Fass schlummernden Babyweine der Topwinzer haben natürlich noch eine lange Reise vor sich. Der erste Eindruck ist geprägt von reifer, dichter Frucht gepaart mit strammer, fokussierter Säure. Der Lesezeitpunkt jedes Weinguts wird bei den roten 2021ern den alles entscheidenden Unterschied machen. Die Weißweine hingegen outen sich bereits jetzt als absolute Knaller im Jahrgang 2021. So traumhaft, präzise, salzig-mineralisch, intensiv und frisch zugleich.

All in all

In Summe ist die vielleicht erstaunlichste Erkenntnis, die wir von unserer Reise mitnehmen, dass von unseren Winzerpartnern in den vergangenen, wärmeren Jahren überwiegend genial filigrane, präzise Weine mit viel Frische gemacht wurden. Die Balance der erfrischenden Säure in den Weinen ist echt verblüffend. Zudem hält auch in der Toskana die Tendenz hin zu feineren Finesseweinen Einzug. Die Zeit der staubigen, rustikalen Weine mit kantig trockenen Tanninen im Sangiovese scheint längst vorbei zu sein. 

Die besten Weißweine der Toskana

Elisabetta Fagiuoli
Elisabetta Fagiuoli

Montenidoli

Bei der Anfahrt zum Weingut Montenidoli schauen wir von einem benachbarten Hügel auf das Städtchen San Gimignano und können der Schönheit der mittelalterlichen Türme nicht widerstehen. Die charismatische Elisabetta Fagiuoli empfängt. Elisabetta ist die Königen der weißen Rebsorte Vernaccia und sie macht die besten Weine in San Gimignano, denn vom Einstieg aufwärts haben sie alle einen ganz eigenen Charakter und eine großartige Ausdrucksstärke. Das vinophile Highlight des Besuchs ist der Carato Vernaccia di San Gimignano 2019, der mit seiner klirrenden Frische und Intensität meine Geschmacksknospen hellauf begeistert. 

Die Toskana Küste

Monte Antico

Der Besuch bei Tara Empson, der Erbin des Empson Imperiums um das Flagship-Weingut Monte Antico, ist besonders erfrischend. Sie kombiniert amerikanische Coolness und Humor galant mit italienischer Gelassenheit und Präzision. Monte Antico und Supremus gehören ganz unbestritten zu den besten Weinen aus der Toskana in ihrem Preisbereich. Wir probieren einen 2007er Supremus. Der Wein wird immer aus einer Selektion der besten Trauben des Weinguts gemacht. Er ist graziös gereift und hat sogar noch Lagerpotenzial –  ein unerwartetes Plus in der Preisklasse. Würde man die Weine blind probieren, würde man sie in einer komplett anderen Liga platzieren. Garantiert!

David Landini vom Weingut Villa Saletta
David Landini vom Weingut Villa Saletta

Villa Saletta

Villa Saletta gehört für mich zu den spannendsten Weingütern der Region. David Landini ist seit 2015 Önologe und er bewegt hier richtig was. Seit 2018 hat er das richtige Tool: einen temperaturkontrollierten Keller vom Allerfeinsten. Durch ausgeklügelte Belüftungssysteme wird er auf natürliche Art und Weise umweltfreundlich vom Wind gekühlt. Außerdem ist das Terroir und Mikroklima von Villa Saletta besonders. Die Weinberge haben durch ihre Nähe zu den Bergen im Norden und zum Mittelmeer hohe Tages- und Nacht-Temperaturunterschiede von ungefähr 20 Grad Celsius. Die Böden bestehen aus blauem Mergel und Ton, ganz ähnlich wie man ihn zum Beispiel beim Weingut Altesino in Montalcino vorfindet. Wir hatten hier eine hochspannende Probe, denn Davids Weine sind erdig, komplex und auch finessenreich. 2018 hat das Weingut wegen des Frostes im Vorjahr, der auch die entscheidenden Triebe für den Nachfolgejahrgang beschädigt hat, nur kleinere Mengen gemacht, diese sind dafür aber von herausragender Qualität. Der reine Sangiovese Riccardi 2018 ist eine Offenbarung in der Probe. Zunächst beginnt er fast unscheinbar. Aber wow, nach nur zehn Minuten wabern die ersten Trüffelaromen aus dem Glas. Ein Wein, der Burgunder Liebhaber entzücken wird.

Die Weine kombinieren Präzision und Intensität

Duemani

Weiter geht die Fahrt zu Duemani, nach Nordwesten. Das Gelände ist in totaler Isolation, weit weg von jeglicher Zivilisation gelegen. Staubige, kilometerlange kurvige Straßen führen uns auf über 350 Höhenmeter hinauf zum Weingut. Man kann von hier oben nichts anderes sehen als Wald und in der Ferne das Meer. Die angenehm kühlen Seebrisen erfrischen die Weinberge täglich. Nur 44.000 Flaschen vom allerfeinsten Stoff werden in fröhlich farbenfrohen Betontanks und Ton-Amphoren vergoren und gereift. Das Weingut ist Demeter-zertifiziert, und mehr Bio als so weit ab vom Schuss, mitten im Wald, ist unmöglich. Die Weine kombinieren Präzision und Intensität und gehören zum Feinsten der nördlichen Toskana. Die Cabernet Franc von Duemani beeindrucken mich besonders durch ihre geradlinigen Fruchtnoten in Kombination mit Finesse und Intensität.
 

Anja Breit verewigt sich auf beim Weingut Duemani
Anja Breit verewigt sich auf beim Weingut Duemani

Ampeleia

Marco Tait ist, seit das Weingut 2002 von Elisabetta Foradori gemeinsam mit einem Freund aus Bozen gegründet wurde, Önologe bei Ampeleia in der Alta Maremma. Inzwischen umfasst seine Position aber weitaus mehr als Vineyard Management und Weinbereitung. Ähnlich der Philosophie des komplett autark geführten Weingutes Foradori oder auch des Weingutes Lageder aus Südtirol wird hier eine holistische Herangehensweise umgesetzt. Marco ist auch verantwortlich für die eigene kleine Kuhherde, für Hühner, Gänse, Honigbienen, Weizenfelder, Olivenbäume, etc. Natürlich alles Bio und im Einklang mit der Natur. Das Weingut liegt, ähnlich wie auch Duemani, von Wald umgeben. Zu viele Wildschweine sind allerdings ein Problem, denn diese wissen die Trauben der Toplagen ebenfalls ganz besonders zu schätzen! Elias und ich werden tatsächlich für den Rest unserer Toskanareise eine tägliche Portion »Cinghiale« essen, um den Winzern zu helfen. Tatar, Ragout, Schinken – Wildschweingerichte sind so fest in der toskanischen Küche verankert, man kann sie in zehn Tagen gar nicht alle kosten! Die Weine von Ampeleia werden komplett im Zement vergoren und ausgebaut. Holzfässer gibt es hier nicht, weil Marco die Qualität der Weinbergslagen und ihrer Trauben »ohne Make-up« darstellen möchte. Wir probieren die präzisen, vibrierenden und klaren 2021er, die jetzt schon viel Freude machen, dank ihrer Frische aber zugleich ein gutes Reifepotential besitzen. Dabei sind die Weine ob ihrer Herkunft hoch-individuell und ganz sicher auch Weine, die durch ihre attraktive Stilistik auf jeder Dinner-Party begeistern, ohne ein Loch ins Budget zu reisen. Sowohl Weinfreaks als auch gänzlich Wein-Uninteressierte finden Gefallen an den komplexen und dennoch unkomplizierten, trinkigen Weinen. Das soll erstmal einer nachmachen! 
 

Die Weine schaffen den Drahtseilakt Power mit Balance zu vereinen.

Tua Rita

Tua Rita liegt in Bolgheri, nur zehn Kilometer vom Meer entfernt. Stefano Frascollas Sohn Giovanni ist vor zwei Jahren fest ins Weingut eingestiegen. Sein Großvater begann 1984 mit einem Hektar Reben und neun Hektar Oliven. Nach dem großen Frost von 1985, der 90 Prozent aller Olivenbäume der Toskana auf dem Gewissen hat, wurde bei Tua Rita fast vollständig auf Weinbau umgestellt. Inzwischen bewirtschaftet das Weingut 52 Hektar Reben. Giovanni ruht sich aber nicht auf den Lorbeeren der Eltern und Großeltern aus. Gemeinsam mit Stefano experimentiert er im Keller. Unter anderem sind nun verschiedene Amphoren im Einsatz, zum Teil aus Südtirol, zum Teil von Manetti – von Giovanni Manettis (vom Weingut Fontodi in Chianti) Bruder – hergestellt. Die Weine schaffen den Drahtseilakt Power mit Balance zu vereinen, und wir können definitiv auch auf die Zukunft gespannt sein, denn Giovanni hat eine klare Vision.
 

Weinkeller von Tua Rita
Weinkeller von Tua Rita

Le Pupille

Zum Weingut Le Pupille fahren wir weiter in den Süden, nach Grosseto. Elisabetta Geppetti war von jeher eine der Visionärinnen hinter der Morellino di Scansano Appellation. Heute sind bereits zwei ihrer fünf Kinder ins Weingut eingestiegen. Clara und Ettore arbeiten dabei an der Seite ihrer Mutter. Ein Take-away von unserem Besuch bei Le Pupille ist, dass durch die Bank dort einige der spektakulärsten Weine der Toskana im Preis-Genuss Verhältnis gemacht werden. Die Katze ist inzwischen aus dem Sack – der Cabernet-lastige Bordeaux Blend »Saffredi« würde blind verkostet, ganz ohne jeglichen Zweifel, weit exklusivere Weine toppen. Er ist der Inbegriff von erdiger Komplexität, Finesse und Intensität reifer Beerenfrüchte. Im Gegensatz dazu ist der reine Sangiovese »Poggio Valente« einer der körperreichsten Vertreter der Rebsorte, die wir auf unserer Reise probieren.  
 

Alles im Weingut ist topmodern und State of the Art.

Monteverro

Weiter geht’s in den südlichsten Teil der Toskana. Das Weingut Monteverro liegt im Ort Capalbio, schon beinahe an der Grenze zu Latium. Unser Besuch veranschaulicht, worauf die Perfektion der Weine aufbaut. Hier wurde alles von Anfang bis Ende durchdacht und absolut nichts dem Zufall überlassen. Die Weinberge liegen – vergleichbar mit denen der besten Bordeaux Châteaux – in Sichtweite des Wassers. Unter den Reben sind drainage Kanäle, ähnlich wie wir es auch später auf unserer Reise noch beim Weingut Case Basse in Montalcino sehen werden, die dazu beitragen, Regenwasser zügig ablaufen zu lassen. Dadurch werden die Reben gezwungen, tiefer zu wurzeln, um an Wasser zu gelangen. Auf lange Sicht werden sie somit auch widerstandsfähiger in trockenen Jahren. Alles im Weingut ist topmodern und State of the Art. Angefangen bei einem gigantischen Kühlraum, wo Trauben, die im Weingut ankommen, erstmal auf die beste Temperatur für eine kontrollierte Gärung gebracht werden, bis hin zu den Gärtanks.

In den Weinbergen von Monteverro
In den Weinbergen von Monteverro

Der Chardonnay hat sicher das Burgund zum Vorbild, der »Monteverro« das Bordeaux und »Tinata« die Rhône. Bei unserem Besuch verkosten wir eine Dekade des Terre di Monteverro. Vom anmutig gereiften 2008er, über den wacholder-würzigen 2010er, den immer noch jugendlich strukturierten 2011er, bis hin zum kirsch-intensiven Jahrgang 2018. Alle elf Weine sind der Beweis, dass belohnt wird, wer sich ein paar extra Flaschen im Keller zur Seite legt! Das gilt natürlich auch für den Erstwein Monteverro selbst, der noch wesentlich dichter ist und somit sogar ein noch längeres Lagerpotenzial hat.

Der große Trend geht ganz klar hin zu feineren, präziseren Weinen.

Die Region Chianti

Von der Küste weg, fahren wir weiter ins Landesinnere in die sanft hügelige Chianti-Region, die zwischen Florenz und Siena liegt. Die Grenzen der Region wurden bereits 1932 festgelegt, und der ursprüngliche Chianti-Blend wurde sogar schon 1872, nach Jahren der Experimentierung, von Baron Bettino Ricasoli definiert. Trotz der langen Geschichte stehen die Winzer nicht still! In den letzten Jahren werden mehr und mehr Einzellagenweine – wie sie zuvor hauptsächlich aus Montalcino bekannt waren – gemacht. Einige Weingüter verstehen es, die Essenz ihrer verschiedenen Terroirs auf die Flasche zu bringen, denn inzwischen ist die Verarbeitung von Trauben in der Region behutsamer denn je. Mehr und mehr Weingüter arbeiten in modernen Kellern mit Hilfe von Schwerkraft an Stelle von Pumpen. Dadurch halten Finesse und Klarheit der Fruchtaromen Einzug in die Region und der große Trend geht ganz klar hin zu feineren, präziseren Weinen. 

Im Keller vom Weingut Castello di Fonterutoli
Im Keller vom Weingut Castello di Fonterutoli

Castello di Fonterutoli

Das Castello di Fonterutoli steht hauptsächlich auf kalkhaltigen Lehmböden, daher wird es von Giovanni Mazzei auch liebevoll das »Felsen-Weingut« genannt. Diese kargen Böden sind ideal, um beeindruckende Qualität aus der Sangiovese herauszukitzeln. Der topmoderne Keller des Weinguts wurde mit dem 2007er Jahrgang eingeweiht. Er geht 30 Meter tief in die Erde und war der erste der Toskana, in welchem zu 100 Prozent mit Schwerkraft gearbeitet wurde. Durch natürliche, unterirdische Wasserquellen bleibt er stets gut gekühlt. Die Weinberge werden penibelst gehegt und gepflegt und all diese Präzisionsarbeit führt zur Finesse der Weine mit ihren seidigen Tanninen. Der 2019er Chianti Classico Castello Fonterutoli Gran Selezione ist für mich der Inbegriff der Fonterutoli Weine, seidig und beinahe burgundisch. Die Kategorie Gran Selezione ist noch relativ neu. Sie wurde 2014 genehmigt und gilt offiziell für Weine ab dem Jahrgang 2010, wenn die Trauben aus den eigenen Weinbergen des Weinguts stammen und für 30 Monate ausgebaut wurden.

Für mich einer der top hedonistischen Weine Italiens.

Fontodi

Unser nächster Besuch beim Weingut Fontodi ist die perfekte Möglichkeit, die grandios schöne Landschaft des Conca d’Oro tief einzusaugen. Mit dem Zirpen der Zikaden im Hintergrund schauen wir auf die verschiedenen Lagen des Weinguts und alles macht Sinn. Fontodis Chianti Classico ist einer der besten, vielleicht sogar der beste. Aber das ist auch kein Wunder, denn Besitzer Giovanni Manetti ist Präsident des Consorzio di Chianti Classico. Die Power, Eigenwilligkeit und Komplexität der etwas tiefer gelegenen Einzellage »Vigna del Sorbo«, die in Ihrer perfekten Ausrichtung Sonnenstrahlen perfekt aufnehmen kann, hat mich immer wieder begeistert, so lange ich denken kann. Flaccianello hingegen ist der Superblend der besten Trauben des Weinguts. Während er in seiner Jugend von wollüstiger, samtiger Frucht nur so strotzt, legt er nach fünf bis zehn Jahren im Keller so krass an Komplexität und Schichten an Aromen zu. Für mich einer der top hedonistischen Weine Italiens. Yes! 
 

Andrea Daldin
Andrea Daldin

Lamole di Lamole

Anschließend geht es hinauf zu Lamole di Lamole. Das Alpen-Chianti Weingut. Naja, fast! Wir sind zwischen 600 und 650 Höhenmetern. Von hier oben sieht man in die Ferne über weite Teile der Region Chianti. Andrea Daldin begrüßt uns mit seinem schelmischen Lächeln. Er ist einer der herzlichsten und humorvollsten Winzer überhaupt, und seit 25 Jahren für diese präzisen Weine mit Höhenfeeling zuständig. Wer sich nicht entscheiden kann, ob Chianti oder doch lieber was leichteres, ist hier genau richtig! Durch alle Weine von Lamole di Lamole zieht sich eine salzige, präzise und attraktive Mineralik. Stilistisch unterscheiden sich die Weine dadurch klar von den Weinen unserer anderen Chianti Winzer-Partner. 

Fabelhaft!

Castello di Brolio

Das Castello di Brolio, das Schloss des Barone Ricasoli, liegt inmitten des kühlenden Waldes. Unweigerlich muss ich in der dazugehörigen Osteria an die Ewoks denken, denn es fühlt sich tatsächlich an, als säßen wir zwischen den Baumwipfeln. Fabelhaft! Inzwischen gibt es vor allem um die hoch bewerteten Einzellagen-Weine viel Hype, aber die Stilistik von feiner Mineralik und Finesse zieht sich komplett durch unsere Probe. Besonders begeistert bin ich vom ausdrucksstarken Castello di Brolio Gran Selezione Chianti Classico 2019, der bereits so super zugänglich und trinkig ist.

Im Felsenkeller von Isole e Olena
Im Felsenkeller von Isole e Olena

Isole e Olena

Der diesjährige Besuch beim Weingut Isole e Olena ist etwas ganz Besonderes. Paolo de Marchi ist seit den 1980er Jahren einer der Vorreiter von ausgesprochen finessenreichen Chianti. Paolos 100 prozentiger Top Sangiovese »Cepparello« ist ein filigranes Meisterwerk. 2022 wird Paolos letzter Jahrgang werden, denn das Weingut wurde dieses Jahr an die EPI Gruppe, die auch das Top Brunello Gut Biondi-Santi besitzt, verkauft. Paolos Weine nochmals mit ihm zu probieren ist sicher vergleichbar mit dem Gefühl, das ein Musikfan im Tonstudio neben einem Top-Rockstar vor dessen letzter Aufnahme hat. Super Special! Die Probe war wie gewohnt stark, mit grandiosen, singenden und tänzelnden Weinen.

Die Philosophie der Weine macht einen Spagat zwischen Tradition und Moderne.

Im Keller von Felsina
Im Keller von Felsina

Felsina

Unser letzter Besuch in Chianti ist beim Weingut Felsina in Castelnuovo Beradenga. Auf der Landkarte liegt es ziemlich genau auf halber Strecke zwischen Florenz und Grosseto. Sowohl die Herangehensweise als auch die Philosophie der Weine macht einen Spagat zwischen Tradition und Moderne. Die Chianti Classico und Chianti Colli Sensi werden in beeindruckenden 69 HL großen, alten, slawonischen Botte ausgebaut, während die Topweine alle in Barriques gereift werden. Alle Felsina-Weine sind von Terroir-Intensität geprägt und verbinden fleischige, dichte Frucht mit mediterraner Erdigkeit und Unmengen an Mineralität. Die beiden Einzellagen des Weinguts, Rancia und Colonia, gehören ebenso zu den Kultweinen der Toskana wie der herausragende Lagen-Blend Fontalloro. 

Unmengen an Mineralität.

Anja Breit

Anja Breit

Anja Breit hat ihre Weinbegeisterung in der Gastronomie gelernt und gelebt. 15 Jahre war sie in London für Spitzenkoch Gordon Ramsay, Zuma und als Chef-Sommelier im mit zwei Michelin-Sternen dekorierten Ledbury tätig. Seit 2021 ist sie bei uns als Wine Scout tätig.

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