Von Paul Bitouzet

Reisebericht Argentinien & Chile

Von Mendoza über Patagonien bis Chile Vom Himmel bis Feuerland – Eine Reise entlang der Anden

Argentinien
Zu Besuch in den Weinbergen von PerSe bei Edgardo del Popolo und David Bonomi.

Wir versuchen, alle unsere Winzer regelmäßig zu besuchen. In Europa gelingt das recht gut – schließlich ist der Weg selten weit. Doch Reisen ans andere Ende der Welt sind eine andere Kategorie. Als sich die Gelegenheit bot, eines der faszinierendsten Weinländer des Planeten zu bereisen, war die Vorfreude groß. Endlich unsere Freunde und Partner in Südamerika besuchen zu können, bedeutete nicht nur, großartige Weine wiederzusehen, sondern auch den Menschen und Orten hinter ihnen näher zu kommen. Denn Weinimport der oberen Liga ist letztlich ein reines »Peoplesbusiness«! 

Der argentinische Weinbau reicht geschichtlich bis zu den spanische Konquistadoren im 16. Jahrhundert zurück. Eroberung und Religion gingen Hand in Hand, und Kirche, Mönche und Wein sind schon immer untrennbar verbunden. Heute werden hier auf etwa 200.000 Hektar Reben angebaut, Argentinien ist einer der größten Weinproduzenten der Welt. Unbemerkt in Europa, dabei ist das Land ungefähr so groß wie das europäische Festland! In faszinierenden Landschaften sind die Unterschiede im Terroir dementsprechend gewaltig! 

Mendoza – Das Herz des argentinischen Weinbaus

Als ich in Mendoza ankam, wurde mir sehr schnell bewusst, dass ich mit einigen Vorurteilen aufräumen muss. Die Vorurteile, in einer sengend heißen Wüste zu sein, in der nur absolute Ausnahmen es schaffen Frische in Ihren Weinen zu bewahren, erwies sich fast umgehend als völlig falsch. Die Weine, die hier entstehen, sind zum Großteil trotz der häufigen Trockenheit eben nicht die Eingekochten und Überextrahierten die man im ersten Moment dank unseres Unwissens mit dieser Anden-Region verbindet. Unsere gedankliche Verbindung von Trockenheit und Hitze stimmt einfach nicht. Die extremen Hochlagen sind oft eher kühl.

Mendoza ist mit etwa 140.000 Hektar Rebfläche – zum Vergleich: Ganz Deutschland hat etwas über 100.000 Hektar – die relevanteste Weinbauregion Argentiniens und ganz Südamerikas. Über 70 % der nationalen Produktion kommen von hier. Bei einer solch gigantischen Größe ist eine Diversität der Qualitäten und Stile ob der riesigen Unterschiede der Terroirs fast selbsterklärend. Dabei ist die mit Abstand größte Variable in Mendoza nicht die Hitze, sondern noch vor der Hochlage das Wasser! Gerade einmal 200 mm Niederschlag im Jahr machen die riesige Region oft zu einer oft kühlen Wüste. Ein ausgeklügeltes Bewässerungssystem ist der Schlüssel, um hier überhaupt etwas anbauen zu können! Eine menschgemachte Oase!

Die Anden im Westen sind allgegenwärtig – ein dramatisches Rückgrat, das Klima und Charakter der Weine prägt. Diese energiegeladene Geologie erklärt einen Teil der Spannung, die man in den besten Weinen Mendozas schmeckt: Sie sind vibrierend, salzig, mineralisch – Ergebnisse des überwiegend alluvialen Fluss-Schwemmland-Terroirs – und weit entfernt von den überreifen Blockbustern vergangener Jahrzehnte, als man die wahren Schätze der kühlen Hochlagen noch nicht würdigen wollte.

Das Weingut Zuccardi

Zuccardi

Die Reise begann mit einem Besuch bei Zuccardi. Einer der Primi inter Pares in Argentinien. Hier wird deutlich: Das Weingut zählt heute zu den bedeutendsten Familienbetrieben des Landes, dabei wurde es erst in den 1960er-Jahren von Alberto Zuccardi gegründet. Heute gilt er als Pionier! Nicht nur für den qualitativen Anspruch der Region, sondern auch zum Beispiel für moderne Bewässerung. 

Zum Zuccardi-Imperium gehören heutzutage mehrere Weingüter mit verschiedenen Profilen. Insgesamt kommen hier weit über 1000 Hektar zusammen! Das Stammweingut hat sich komplett der Qualität verschrieben. Die etwa 200 Hektar verteilen sich auf verschiedene Parzellen im Valle de Uco. Im Keller wird ausschließlich mit Beton gearbeitet – ohne Edelstahl oder neues Holz. Ziel ist es, Textur, Herkunft und Mineralität der einzelnen Parzellen unverfälscht zu zeigen. Die Weine wirken dadurch kühl, klar und strukturiert, mit einem Fokus auf Frische statt Konzentration. Mit diesem Ansatz hat sich Zuccardi wahrlich einem der ganz großen Klassiker der Region gemausert. Aber qualitativ sind wir hier nicht nur an der Spitze des Mendoza, sondern sicherlich in ganz Südamerika!

[Sebastians] relentless vision centering around purity and place [...] has propelled Zuccardi into the upper echelon of producers in South America.

Die Winzerin

Finca Feliz

Daraufhin führte es uns zur »Finca Feliz«, der glücklichen Farm. Auf stolzen 260 Hektar, welche komplett nachhaltig und/oder biologisch bewirtschaftet werden, stehen eindrucksvoll alte Reben. Zum Teil finden sich hier sogar 80 Jahre alte Pergola-Anlagen. Das Projekt ist vergleichsweise jung und steht für die neue Generation Mendozas. Erst seit 2019 ist die zweite Generation am Ruder, die hier in den weiten Ebenen des östlichen Mendoza auf einen beeindruckend Bestand autochthoner Rebsorten wie Bonarda oder verschiedene Criollas - der Überbegriff für eine Vielzahl autochtoner argentinischer Rebsorten -, zurückgreifen können.  Die Weine hier zeigen sich alle in einer berauschenden Saftigkeit und überraschenden Frische. Pure Trinkfreude!

Präsentationsraum von Achaval Ferrer

Achaval Ferrer

Der nächste Halt war einer der großen Klassiker der Region, Achaval Ferrer. Das Weingut gehört seit etwas mehr als 10 Jahren zu Tenuta del Mondo, der Eigentümergesellschaft von zum Beispiel Ornellaia, Masseto und Luce. Heute werden hier nicht ganz 60 Hektar bewirtschaftet. Das Weingut steht für Einzellagen-Malbec wie kaum ein anderes. Nicht nur entlang des Rio Mendoza, sondern auch im Vale de Uco, schafft es das Team von Achaval Ferrer den eher europäischen Terroir-Gedanken auf südamerikanisch zu zeigen. Besonders der Unterschied zwischen dem »Finca Altamira« mit seiner kalkigen Struktur und dem »Bella Vista«, der etwas opulenter, aber nie schwer wirkt, hat mich zutiefst beeindruckt. Es sind Weine mit Seele – konzentriert, aber stets mit kühler Linie. Dieser Stil zeigt sich jedoch nicht nur in den Topweinen, sondern insbesondere in der Basis zeigt sich Malbec in einer wunderschönen Form. Ein Spiel aus barocker Klassik und eleganter Moderne!

Achaval Ferrer stands for the perfect balance of ripeness and clarity – a rare combination that defines modern Malbec. Luis Gutiérrez für Parker

Die Weinberge von Cheval des Andes

Cheval des Andes

Die nächste Station war Cheval des Andes, das gemeinsame Projekt von Terrazas de los Andes und Château Cheval Blanc. Eine der seltenen Kollaborationen, bei denen französische Eleganz und argentinische Ausdruckskraft wirklich harmonieren. Die Einflussverhältnisse haben sich in den letzten Jahren aber deutlich nach Frankreich verlagert. Der Anspruch, einen Cheval Blanc in Argentinien zu produzieren, wird Jahrgang für Jahrgang ein bisschen mehr erfüllt.

Die Arbeit bei Cheval des Andes lässt sich vergleichsweise einfach beschreiben: penibelste Präzision! Über die Jahre wurde ein Wissen über die 47 Hektar Weinberge und jede einzelne Rebe gesammelt, das seinesgleichen sucht. Jeder Mitarbeiter des Außenbetriebes ist über das gesamte Jahr für seine Parzellen zuständig! Das Bewässerungssystem von Cheval des Andes ist ein weiteres Beispiel für penibelste Arbeit um jedes Detail. Es wurden in der Tröpfchenbewässerung Bypässe hinzugefügt, welche es möglich machen alle Reben in dreier Clustern einzeln zu bewässern! Das Ergebnis: Jede Rebe bringt Trauben höchster Qualität hervor! Es gibt keinen Zweitwein, es werden seit kurzem auch keine Trauben mehr verkauft. Unfassbar ist, dass seit wenigen Jahren jede Traube die Qualität hat, um Teil des Cheval des Andes zu sein! 

Der Wein, der bei dieser Kleinstarbeit entsteht, spiegelt die Vision wider! Es ist wahrlich ein Cheval Blanc aus Argentinien. Dennoch bleibt der Cheval des Andes ein Mendozianer. Die Cuvée beinhaltet immer einen großen Teil Malbec. Längst mehr als ein Prestigeprojekt – er ist eine Benchmark für das, was moderne Eleganz in Südamerika bedeuten kann. Für mich die beeindruckendste Arbeit der Reise!

Der Winzer und die Weinfässer
Zu Besuch im Weinkeller von Matías Riccitelli.

Riccitelli Wines

Der nächste Stopp der Reise war fußläufig von Cheval des Andes zu erreichen. Einer der jungen Wilden Mendozas. Kaum jemand verkörpert den neuen Geist Mendozas so sehr wie Matías Riccitelli. Seine Weine sind energiegeladen, präzise und verspielt zugleich. Beton, Amphoren, Spontangärung – moderne Werkzeuge, die er mit Gefühl einsetzt.

Matias ähnelt als Typ und Mensch seinen Weinen, oder umgekehrt, ein wenig wild, ungemein kreativ und hochpräzise, dennoch bleibt er gänzlich undogmatisch! Seit einigen Jahren arbeitet er in zwei Regionen Argentiniens. Das Stammweingut in Mendoza, mit etwa 20 Hektar und ein uralter 17 Hektar großer Weinberg in Patagonien. Dieser wurde vor circa 90 Jahren von Chandon, einem der größten Weinproduzenten Argentiniens mit französischem Ursprung, gepflanzt und relativ zügig auch wieder aufgegeben. Da Chandon jedoch aus Frankreich kommt, findet man genau hier, auf einer kleinen Insel im Rio Negro, einige der ältesten Reben der sogenannten internationalen Rebsorten. Genau diese Transformation der Internationalität in argentinische Eigenart spiegelt Matias’ Philosophie perfekt wider: alte Parzellen und extreme Terroirs. Er ist einer der ganz wenigen, der auch die extremen Hänge der Anden bepflanzt und so haucht andernorts verlassenen Weinbergen wieder Leben ein. Die Experimentierfreude Riccitellis geht über Sangiovese und Grenache bis hin zu Flor-Weinen. Stets auf der Suche nach dem nächsten neuen Weinberg und Projekt sind seine Parzellen heute über das gesamte Gebiet von Mendoza verstreut. In der gesamten Breite einzigartig und unkonventionell! Für mich die spannendste Kollektion der ganzen Reise!

Uco Valley & Gualtallary – Die kühle und mystische Seite der Anden

Das Uco Valley, rund eine Autostunde südlich von Mendoza, gilt als die Avantgarde des argentinischen Weinbaus. Hier liegen Weinberge zwischen 1.000 und 1.600 Metern Höhe, wo sich die Temperaturunterschiede zwischen Tag und Nacht teils um 20 Grad und mehr bewegen. Besonders Gualtallary, eine Subregion an der westlichen Grenze des Valle de Uco, steht im Fokus der neuen Qualität.

Im Hochsommer ist es hier 8 °C kühler als in Mendoza, die Maximaltemperatur liegt bei 33 °C – ideale Bedingungen für frische, lebendige Weine. Die einzige Subregion Mendozas, in der man neben alluvialen auch kalkhaltige Böden finden kann!

Die Winzerfamilie von PerSe
In den Weinbergen von PerSe mit Edgardo del Popolo und David Bonomi.

PerSe

Bei der Bodega PerSe begann die wahre Revolution – es waren die ersten Weinberge, die gezielt in den kühlen Bergen und Steillagen angelegt wurden. Bis dahin fand Weinbau in Südamerika fast ausschließlich auf den Ebenen statt. Das Weingut ist in sich eine Art Clos. Auf dem Grundstück eines geschichtsträchtigen Klosters stehen gerade einmal 6,5 Hektar, gelegen auf 1.500 bis 1.600 Metern Höhe. Es ist also naheliegend, dass diese Lage den Namen »Monasterio« trägt. Das Weingut hat sich in kürzester Zeit einen Legendenstatus erarbeitet. Wenn man mit Gastronomen oder Journalisten vor Ort über dieses Projekt redet, ähnelt die Bewunderung der von großen Burgundern in Frankreich! 

PerSe liegt in den Voranden, eine kleine Gebirgskette, die kurz vor den ganz großen Erhöhungen liegt. Die Böden hier sind jedoch noch älter als das eindrucksvolle Gebirge im Hintergrund! Monasterio weist den höchsten Kalkanteil Mendozas auf, mit etwa 48 % ist dieser mit Chablis vergleichbar! Nur vom Weingut, welches auf der Erhöhung steht, sieht man die Nachbarlage. Diese ist keine geringere als der berühmte Adrianna Vineyard von Catena Zapata. Ein weiteres Zeugnis für die besondere Qualität dieses Terroirs.

PerSe ist ein Ort der Präzision: Seit 2020 wurde hier nicht mehr gespritzt, kein Herbizid, kein Fungizid, kein Insektizid. Die Philosophie ist einfach – maximale Biodiversität, minimale Intervention. Dazu ein Keller, der fast klösterlich wirkt: für jeden Wein die gleichen Barriques, Jahr für Jahr. Es gibt vier Weine aus vier verschiedenen Expositionen und Böden. Die Weine sind pointiert, kalkig, energiegeladen und hochkomplex – nichts für Freunde süßer Fülle. Jedoch schaffen Edgardo del Popolo und David Bonomi, welche hauptberuflich in leitenden Positionen als CEO großer, international berühmter mendoziner Weingüter sind, dem Malbec eine Eleganz, Frische und Finesse zu entlocken die man sonst nirgends findet. HIER wohnen Edgars und Davids Seelen! Für mich auf jeden Fall DIE Weine der Reise!

Michelini i Mufatto

Wenn man der Straße zu PerSe noch etwa fünf Kilometer weiter den Berg hinauf folgt, gelangt man an die Grenze von Gualtallary. Von hier aus sind es nur noch etwa 50 Kilometer nach Chile. Genau hier befindet man sich in der Lage »La Cautiva«. Diese ist die Paradelage von Michelini Mufatto. Gerardo und seine Frau Andrea bewirtschaften hier die höchstgelegensten Parzellen. Auf etwa 1.700 Metern Höhe steigen die Temperatur im Sommer auf gerade einmal maximal 27 bis 28°C.

Gerardo ist ein Architekt und begeisterter Quereisteiger, der mit seiner Weinbegeisterung auch seine Brüder und Sohn Manu infiziert hat und inzwischen die Familienprojekte auch nach Bierzo, Rioja, Navarra und Uruguay ausgeweitet hat. Gerardo arbeitet ungemein präzise. Minimale Eingriffe im Weinberg – auch hier in Gualtallery hat der Weiberg seit 2017 keinen Zutrag von außen bekommen – Spontangärung, daraufhin in hochwertigem Holz, zum Beispiel von Damy oder Schneckenleitner, ausgebaut. Mit minimalem Schwefel und niedrigem Alkohol abgefüllt. Das Ergebnis sind Weine mit burgundischer Anmut. Hochfein und blind auf jeden Fall näher an Pinot als an Malbec! Ein absolutes Must-try für Fans von eben jener atemberaubenden und feinen Stilistik. 

Weinfelder

Vaglio Wines

»Vaglio Wines« ist das Herzensprojekt von José Lovaglio, Sohn und Winemaker der legendären Susana Balbo. Nach internationalen Stationen, wie zum Beispiel Chateau le Gay in Pomerol, hat er mit Vaglio einen Ort gefunden an dem er sich selbst komplett verwirklichen kann, so sagt er. Eine etwa 30 Hektar große Ansammlung von kleinen Einzellagen. Er arbeitet konsequent mit minimalem Eingriff, vergärt spontan und setzt auf Beton statt Barrique, um die Eigenheiten der Lagen unverfälscht zu bewahren. Der »Aggie« aus Gualtallary zeigt das eindrucksvoll: kühl, kalkig, mit fast vibrierender Energie. Der »Temple« aus Luján de Cuyo hingegen wirkt wärmer, offener, mit saftiger Frucht und feiner Würze.

Was all seine Weine verbindet, ist diese unaufgeregte Ehrlichkeit. Weine, um die Region zu verstehen, die Unterschiede der Terroirs. Aber allen voran, um Sie zu trinken, denn was alle Cuvées von José gemeinsam haben, ist Zug und eine gewaltige Trinkfreude!

Patagonien

Unter Patagonien versteht man in Argentinien so etwa alles, was südlich von Buenos Aires bis hinunter nach Feuerland  liegt. Eine Fläche in etwa so groß wie Deutschland und Frankreich zusammen! Der Großteil dieser Region besteht aus Steppen und Wüsten, die von der Erdölförderung dominiert sind. Es ziehen sich jedoch grüne Landschaften wie Adern durch diese Weiten. Genau in diesen findet man reichlich Agrikultur. Vor allem Äpfel und Birnen werden hier oft angebaut. Hin und wieder gibt es jedoch auch ein wenig Wein, speziell in den kühleren südlichen Regionen. Nicht Malbec ist hier Trumpf, sondern die Burgunderrebsorten. 

Weinfässer der Bodega Chacra
Der Weinkeller der Bodega Chacra strahl die gleiche Puristik und Eleganz aus, wie die Weine, die hier ausgabaut werden.

Chacra

Die Bodega Chacra wurde Anfang des Jahrtausends von Piero Incisa della Rocchetta gegründet. Man kennt diesen Namen vor allem von seinem Großvater. Dieser war der Erfinder und Gründer von Sassicaia! Piero ist zwar als Erbe Teil der Sassicaia-Familie, aber wollte unbedingt sein eigenes Ding machen. Auf seinen diversen Reisen wurde er dann von Patagonien und den Burgundersorten überrascht und infiziert. Hier am Rio Negro hat er dann uralte Parzellen gefunden, die teils schon lange nicht mehr bearbeitet wurden. Seit Piero hier ist, werden die nicht einmal 50 Hektar komplett biodynamisch bewirtschaftet. Der Name Chacra heißt auf Spanisch auch so viel wie »Bauernhof« und genau so muss man diese Bodega verstehen. Hühner, Schafe und Bienen. Es wird alles selbst produziert, um den Kreislauf dieser Farm bestmöglich zu schließen.

Die Weine, die Piero und sein Team hier produzieren, sind puristisch. Weniger als 100 Tsd. Flaschen total. Inzwischen weltweit von Parker und Suckling und Galloni mit höchsten Auszeichnungen überhäuft und immer ausverkauft, es gibt ja so wenig! Pinot Noir und Chardonnay sind mit 95% der Kern. Der Pinot zeigt sich seidig, fast transparent in seiner Ausdruckskraft. Ein eigenständiger Stil, der nicht mit den bekannten Regionen Europas vergleichbar ist. Bei der Arbeit für den Chardonnay wird das Team von Chakra aus dem Burgund unterstützt. Mehrmals im Jahr kommt der Winzer und Chardonnay-Teilhaber Jean-Marc Roulot samt Entourage, um sich der Königin der Weißweine anzunehmen! Der Stil hier: burgundisch-patagonisch. Man erkennt die Handschrift Roulot’s deutlich und dennoch kommt das einzigartige Terroir dieser Oase voll zum Vorschein!

Tasting Pinot Noir in Patagonia reminds you that elegance is not a privilege of the Old World.

Der Winzer mit einem Pferd auf dem Feld
Pilar Miranda Avendaño und Derek Mossman Knapp bearbeiten die Weinberge ausschließlich mit Pferden.

Chile – Jenseits der Anden

Der Weg über die Anden führt nicht nur in ein anderes Land, sondern fast in eine andere Welt. Im Maule Tal in Chile herrschen mediterrane Bedingungen, mit alten Buschreben und minimalem Eingriff.

Garage Wine Co.

Die Garage Wine Company von Pilar Miranda Avendaño und ihrem weinverrückten, kanadischen Ehemann, Derek Mossman Knapp, ist wohl das ehrlichste und vor allem ursprünglichste regionale Projekt, das man in Chile finden kann. Kleinparzellen, Handarbeit, keine Maschinen. Alles wird in gebrauchten Holzfässern oder offenen Bottichen vergoren, etikettiert wird per Hand. Doch bei Garage Wine geht es um so viel mehr! Um das Konzept zu verstehen, muss man sich die Gegebenheiten hier anschauen. Es gibt in dieser ländlichen Region nicht viel Geld und noch weniger Arbeit. Die meisten Leute bewirtschaften etwas Land, auf dem ein wenig von allem zu finden ist. Klassische Mischbetriebe auf einer sehr kleinen Skala. Pilar und Derek suchen uralte verlassene und wurzelechte Weinberge. Doch statt diese zu kaufen, helfen sie den jeweiligen Bauern, diese wieder in Stand zu setzen. Bearbeitet wird ausschließlich mit Pferden – meist gehören diese ebenfalls den Bauern. Ein Projekt, das der Gemeinschaft viel zurückgeben möchte!  Die Weine, die hierbei entstehen, tragen diese Seele in sich. Ungemein lebendig und pur.

Garage Wine Co. stands out as one of the most unique and impactful producers in the modern landscape of Chilean winemaking. In many respects, their wines are simply a byproduct of their primary mission: to revive and reuse neglected vineyard sites while training, empowering and employing the workers who tend to them.

Ähnlich wie in Mendoza, muss man sich auch hier von der Wahrnehmung trennen, dass die Sonne jegliche Frische aus den Trauben verbrennt. Die Temperaturen hier sind denen in Norditalien ähnlich und die Wasserversorgung ist sehr gut. Wenn der Winzer dann noch ein derartiges Fingerspitzengefühl hat wie Derek und Pilar, dann entstehen Weine, die ihresgleichen suchen! Garage Wine hat sich insbesondere dem Carinena verschrieben. Diese gelten für viele internationale Weinkritiker sogar als die besten der Welt, was die im spanischen Aragon und Priorat durchaus belegen.

Garage Wine proves that the heart of Chilean wine doesn’t beat in the big houses, but in the small hands that tend the vines.

Fazit

Von Mendoza bis Patagonien und weiter nach Chile zeigte sich die ganze Vielfalt südamerikanischen Weinbaus. In Mendoza spürt man die Energie einer Region im Wandel – zwischen Tradition und neuer Präzision. Klassiker wie Achaval Ferrer oder Cheval des Andes verbinden Herkunft mit Eleganz, während junge Winzer wie Matías Riccitelli und die Projekte im Uco Valley zeigen, wie modern, kühl und kalkgeprägt Argentinien heute sein kann.

Gualtallary mit seinen Höhenlagen und Kalkböden markiert dabei die Speerspitze dieser Entwicklung. Hier entstehen bei PerS und Michelini i Mufatto Weine von burgundischer Finesse, die eindrucksvoll beweisen, dass Frische und Tiefe kein Widerspruch sind.

In Patagonien offenbart sich mit Chacra ein ganz eigener Stil: in sich ruhend, biodynamisch und alten Reben. Die Weine wirken feingliedrig, ruhig und zugleich tief. Pinot Noir, der mehr flüstert als schreit. Jenseits der Anden, im Maule Valley Chiles, setzt Garage Wine Co. einen völlig anderen Akzent. Pilar Miranda Avendaño und Derek Mossman Knapp zeigen, dass großer Wein nicht in Marmorkellern entstehen muss. Pures Handwerk, das ein wenig eine Rückkehr zum Ursprung ist.

So unterschiedlich diese Orte auch sind, hat sich eines gezeigt: die Weine des heutigen Südamerikas haben sich längst von ihrem Image emanzipiert, das sie hier hin und wieder haben. Man findet sowohl ganz große Weine, die zur absoluten Weltspitze gehören, als auch Weine die vor Trinkigkeit und Hedonismus strotzen! Eine Region der Welt, die heute auf jeden Fall eine neue Seite von sich zeigt und im Klimawandel einen hervorragenden Teil der Zukunft der Weltspitze im Wein abbildet.

Paul Bitouzet

Paul Bitouzet

Als gebürtiger Halbfranzose bekam Paul die Begeisterung für Wein quasi schon mit der Muttermilch. Nach seiner Ausbildung im Brenners Parkhotel und einigen Stationen in der Gastronomie, entschied er sich für das Studium der Weinwirtschaft in Geisenheim. Seit Herbst 2023 verstärkt er nun unser Wine Scout Team.

Neueste Beiträge

Reise an die Rhône 2025

Reise an die Rhône 2025

Der Jahrgang 2024 an der Rhône bringt überraschendes Klima und trotzdem liefern die Top-Winzer teils herausragende Qualität. Wir haben...

Portugalreise 2025

Portugalreise 2025

Was lange währt, wird endlich gut! Uns hat es nach langer Zeit mal wieder in das Land der tausend Rebsorten gezogen! Eine Reise, die...

Deutschlandreise 2025

Deutschlandreise 2025

2024 war ein Jahr, das Winzer zu Geduld, Selektion und klarem Fokus auf Qualität zwang. Die Weine zeigen sich – trotz teils widriger...

Bordeaux Primeurs 2024

Bordeaux Primeurs 2024

2024 war für die Bordelaiser alles andere als ein entspannter Spaziergang durch den Weinberg, sondern eher ein Hindernislauf mit...