Lobenberg: Lazzarito – diese Traumlage aus Serralunga und mein absoluter Liebling bei Vietti, weil ich Serralunga auch für eine der zwei spannendsten Gemeinden überhaupt halte. Von hier kommen nicht nur Piras Weine, sondern auch der Gajas Sperss – aus der Nachbarlage des Lazzarito – oder Giacomo Conternos Francia und Monfortino. Die Böden sind hier klassisch von weißem Lehm durchzogen. Die Nase dieses Lazzarito ist voller mythischer, verträumter, duftiger Kräuter-Noten. Mittleres, leuchtendes Rubinrot. Die Nase ist geheimnisvoll. Rote, saftige Kirschen stehen im Vordergrund. Pfirsich, rote Pflaumen und Johannisbeeren kommen hinzu, dann kommt eine verführerisch sanfte, feine Würze, die erforscht werden will, auch gelbe und rote Blüten schweben herbei. Im Mund ist der Wein ultra mineralisch geladen, beinahe salzig. Er läuft geradeaus, und zwar in Lichtgeschwindigkeit. Ich probiere ihn nach dem verführerischen Rocche di Castiglione und hatte mich für die intensive Serralunga-Tanninpower gewappnet, aber die Tannine sind hier puderzucker-fein und filigran. Schlank und dennoch voller Eleganz mit der perfekten Harmonie aus saftiger Frucht und diesem ultra feinen Tannin. Duftig, aromatisch, tänzelnd. Hier haben wir einen Vosne-Romanée im Mund. Wahnsinn, mir läuft das Wasser im Mund zusammen. Trotz der Feinheit ist da Power und Druck ohne Ende angesagt, dieser Wein kombiniert Finesse und Muskelkraft wie kaum ein anderer. Aufgrund seiner saftigen, eleganten Struktur ist er einer der früher trinkreifen Weine bei Vietti 2020. 97-98/100
Der Jahrgang 2020 ist der Mittlere einer Trilogie herausragender, großer Jahrgänge im Piemont. Im Weinberg waren die Konditionen des Bilderbuch-Jahrgangs absolut perfekt. Während der Wachstumsperiode wurden die Reben mit ausreichend Regen versorgt, die Temperaturen waren im Sommer warm und ausgeglichen, ohne Hitzespitzen. Ab September sorgten die kühlen Nachttemperaturen für das langsame, gleichmäßige Ausreifen der Trauben – also hervorragende Voraussetzungen. Wenn man den Jahrgang mit nur einem Wort beschreiben müsste, wäre es »Balance«. Die besten 2020er Nebbiolo Weine sind mit unendlich dichter, manchmal beinahe überwältigend intensiver, umwerfend attraktiver, saftiger, vibrierender, roter Frucht ausgestattet. Sie haben viele, dafür aber unendlich feine, rund polierte Tannine, die harmonisch in diese opulente »Fruchtwelle« integriert sind, ihre rassige Säure verleiht den Weinen neben diesem Tanningerüst zusätzlich ein vielversprechendes Reifepotential. Ob ihrer reifen Frucht werden die 2020er Baroli und Barbaresci dennoch vor den noch intensiver und klassischer strukturierten 2019ern und auf jeden Fall vor den 2016ern in ihr Trinkfenster kommen. Das Barolo Consortium vergleicht 2020 mit dem Jahrhundertjahrgang 2016, aber die Weine haben genuss-technisch sogar noch mehr auf dem Kasten, denn sie erreichen eine traumhafte Kombination aus der ultra-hedonistischen Frucht des Jahrgangs 2018 mit der phänomenalen, klassischen Struktur des Jahrgangs 2019. 2020 ist also »The best of both worlds«.