Lobenberg: Die Hälfte der überwiegend wurzelechten Reben des Strombergs sind 80 bis 90 Jahre alt, teilweise sogar älter. Die andere ist um die 50 Jahre. Alte Reben, tiefe Wurzeln und kleine Beeren, pointierte Lese, dann war die Dichte und Kraft da. Tim Fröhlich will einfach keine weichen Trauben während der Ernte, er sucht immer die leicht grünlichen Nuancen bei voller Reife. 100 Prozent Porphyr, schwarzes Vulkangestein, Feuerstein, sehr dichte und nicht flurbereinigte Parzellen. Steillagen und sehr terrassierte Teile wechseln sich ab. Der Stromberg ist felsiger und steiler noch als die Kupfergrube. Stromberg ist die kargste Vulkanstein-Lage, es gibt quasi keine Erde hier. Rund zwei Hektar. Vom Stromberg gibt es nur zwischen 4.000 und 5.000 Flaschen jedes Jahr. Das waren mega schöne Trauben laut Tim Fröhlich, er ist richtig happy. Keinerlei Fäulnisdruck, knackig, aber reif, genau was er sucht. Wir haben genau die Wildheit und den steinigen Extremismus in der Nase, den Tim Fröhlich sucht. Aber von Haus aus ist der Stromberg immer nochmal einen Ticken filigraner und kühler als Felsenberg und Kupfergrube. Er ist kristalliner und einen Ticken heller in seinem Ausdruck. Der Mund ist noch straighter und konzentrierter, fester im Kern. Wir fächern noch weniger auf im Nachhall, es bleibt maximal fokussiert und rassig-schlank bis ins elektrisierende Finale. Tonicwater, Blaubeere und Anis im Mund, ein bisschen Zitronenabrieb drauf. Die Kühle und das Kristalline, die Kräuter, der Stein, das ist immer vorne beim Stromberg. Er braucht Jahre, um diese kompakte Mineralwürze mit etwas Frucht zu unterlegen. Die Mineralität lässt den Wein fliegen, er wirkt leichtfüßig und filigran, aber hat so brachial viel Salzigkeit und mineralischen Grip, dass es schon brachial, freakig und puristisch ist in der Jugend. Wer etwas mehr Power im Wein sucht, der sollte mit dem Felsenberg gehen, aber die Finesse und die Eleganz, die Subtilität des Strombergs ist unerreicht. Die goldene Mitte dazwischen bildet dann nur noch Felseneck ab. 2023 ist in seiner annähernd perfekten Balance nicht brachial extrem, er ist geschmeidig und im Fluss, aber dennoch ein Freakwein für Puristen. 98-100/100
Der Winter 2022 auf 2023 brachte endlich, wovon wir in den letzten Jahren oft zu wenig hatten: Niederschlag. Dank Regen satt, waren die Wasserreserven nach dem viel zu trockenen 2022 endlich wieder gut gefüllt, was den Reben einen vitalen Start ins Frühjahr eröffnete. Nahezu keine Frostschäden und paradiesisches Wetter begleiteten eine tolle Austriebs- und Blütezeit, die die Winzerherzen höherschlagen ließ. Es folgte, woran wir uns – mit Ausnahme von 2021 – bereits gewöhnt haben: ein heißer und (zu) trockener Sommer. An den kargsten Standorten gab es wie im Vorjahr etwas Trockenstress. Die älteren Reben kamen aber aufgrund der satten Winterniederschläge glimpflich und sehr gesund durch den provençalischen Frühsommer. Nichtsdestotrotz hätte 2023 eine mittlere Katastrophe werden können, wenn die Trockenheit bis zur Lese so durchgepowert hätte, doch ausgerechnet der sonnenverwöhnte August brachte die Kehrtwende auf den Hacken, denn es war der regenreichste August seit langem. Ab Anfang/Mitte September – gerade recht zur Lesezeit – machte das Wetter vielerorts erneut eine Kehrtwende und schwenkte zurück zu sonnig-warmen, trockenen Verhältnissen. Die bereits kühleren Nächte ermöglichten eine hocharomatische Ausreifung, die 2023 diese gewaltige Fruchtstärke und kühle Brillanz beschert hat. Tatsächlich sahen die Trauben mancherorts aus wie von einem anderen Stern: goldgelb, hochreif und voll praller Energie und Saft. Ob 2023 wirklich DAS Jahr der Jahre ist, steht natürlich noch in den Sternen, aber die Vorzeichen sind mehr als grandios… es ist aus mehreren Gründen der faszinierendste Jahrgang der letzten Jahre. Kein Jahr zuvor war in der Vegetationsperiode so »sonnig« UND so »nass« zugleich. Also doch kein reines (Wein-)Wunder, dass 2023 diese wundervolle geschmackliche Mischung zwischen den aromatisch-dichten 2018ern und 2019ern, sowie den rassig-kühlen 2012ern und 2013ern ist. Warme, satte Agrumenfrucht ohne Ende, von Grapefruit bis Quitte ist alles dabei – und darunterliegend immer wieder dieser mitreißende Speichelturbo. Die Weine haben mehr Dichte als in 2020, eine höhere Reife als in 2021 und mehr Geschmeidigkeit als in 2022 – deshalb gefällt mir der Jahrgang beim Riesling in der Breite bisher auch besser als seine Vorgänger. 2023 kann sowohl 2021er Riesling-Freaks als auch Fans des runderen 2018 abholen. Die Einzigartigkeit der 2023er Rieslinge liegt im Akkord aus beeindruckender Dichte, die selten schwer wirkt, glasklarem Terroircharakter und einem Trinkfluss für die Götter. Die höhere Wasserverfügbarkeit der Reben hat vielen Weinen einen schwer in Worte zu fassenden »Fluss« verliehen. Die Besten sind so reich und geschmeidig, dennoch nie fett oder überwältigend, immer freudvoll und saftig. Vor allem im direkten Vergleich mit dem phenolisch-festeren und etwas kargeren Vorjahr 2022, ist das ein Quantensprung in Richtung früher Trinkbarkeit und Gourmetfaktor. Ich kann mir gut vorstellen, dass 2023 sogar bei den großen Weinen für eine längere Zeit offen und zugänglich bleibt. Das gibt dem Jahr potenziell ein riesiges Trinkfenster, denn dank tiefer pH-Werte und großer Balance ist das allemal auch ein Jahrgang für den Keller. In der Spitze sind die 2023er buddhistische Rieslinge. Keines der letzten drei Jahre hatte ein so stimmiges Gesamtbild aus expressiver Frucht, samtig-dichter Textur und perfekt reifen Säuren. 2023 fließt einfach – Hedonismus pur!