Lobenberg: Roberto Voerzio arbeitet biodynamisch, aber ohne Zertifizierung. Im Weinberg gibt es winzige Erträge von klar unter 20 Hektolitern pro Hektar, häufig sogar nur 15 oder gar 10 Hektoliter. Es sind extrem stammnahe, winzig kleine Träubchen. Die Reben stehen in Dichtpflanzung von 8.000 und mehr Stöcken pro Hektar. Der Ertrag pro Pflanze liegt damit zwischen 300 und 500 Gramm. Normalerweise reduziert Roberto die Weinstöcke auf fünf Trauben pro Rebe. Zusätzlich werden die Trauben mittig halbiert, sodass nur die Schultern und der mittlere Teil in den Wein kommen. In warmen Jahren reduziert Roberto sogar auf vier Trauben pro Stock, der durchschnittliche Ertrag liegt dann bei circa 400 Gramm pro Pflanze. Diese Ertragsreduzierung soll aber nicht die Intensität erhöhen, sondern saftige Frucht mit genialer Balance erreichen. Fossati ist eine Lage, die noch oberhalb von Cerequio und zwischen La Serra und Casa Nere, also ungefähr auf der Höhe von Brunate, liegt. Also eine Cool Climate-Lage, die mit den kühlsten und finessenreichsten Weinen von Voerzio wetteifert. Nur Spontanvergärung. Wie alle Weine Voerzios 100 Prozent entrappt und für zwei Jahre in burgundischem, sehr dichtporigem Holz, das minimal getoastet wurde, ausgebaut. 20 bis 25 Prozent der Fässer sind neu, der Rest wurde maximal sechs Mal befüllt. Im Eleganz-Jahr 2020 wurde etwas weniger neues Holz verwendet. Mittleres Rubinrot mit etwas Orange. Die Nase ist enorm elegant und duftig. Saftige Erdbeeren und Rosenblüten, ein Hauch cremige Vanille und erdige Herbstwaldaromen. Ich probiere den Wein nach dem Comune di La Morra und hier ist schon an der Nase merklich mehr Dichte im Glas. Im Mund ist die Frucht überraschend saftig, es tänzeln reife Erdbeeren, Walderdbeeren und rote Herzkirschen mit schwebend duftigen Kräutern über die Zunge. Ultra feine Tannine, rollen gleichmäßig über die Zunge. Das ist schon beinahe unglaublich elegant, duftig und von fabelhafter Finesse. Am Ende klingt eine leichte Chilli-Würze nach, sie zieht sich fein und lange über die Zunge. Ein schöner Wein aus diesem hedonistischen Finesse-Jahr, so verspielt und zart, beinahe verträumt 96/100
Der Jahrgang 2020 ist der Mittlere einer Trilogie herausragender, großer Jahrgänge im Piemont. Im Weinberg waren die Konditionen des Bilderbuch-Jahrgangs absolut perfekt. Während der Wachstumsperiode wurden die Reben mit ausreichend Regen versorgt, die Temperaturen waren im Sommer warm und ausgeglichen, ohne Hitzespitzen. Ab September sorgten die kühlen Nachttemperaturen für das langsame, gleichmäßige Ausreifen der Trauben – also hervorragende Voraussetzungen. Wenn man den Jahrgang mit nur einem Wort beschreiben müsste, wäre es »Balance«. Die besten 2020er Nebbiolo Weine sind mit unendlich dichter, manchmal beinahe überwältigend intensiver, umwerfend attraktiver, saftiger, vibrierender, roter Frucht ausgestattet. Sie haben viele, dafür aber unendlich feine, rund polierte Tannine, die harmonisch in diese opulente »Fruchtwelle« integriert sind, ihre rassige Säure verleiht den Weinen neben diesem Tanningerüst zusätzlich ein vielversprechendes Reifepotential. Ob ihrer reifen Frucht werden die 2020er Baroli und Barbaresci dennoch vor den noch intensiver und klassischer strukturierten 2019ern und auf jeden Fall vor den 2016ern in ihr Trinkfenster kommen. Das Barolo Consortium vergleicht 2020 mit dem Jahrhundertjahrgang 2016, aber die Weine haben genuss-technisch sogar noch mehr auf dem Kasten, denn sie erreichen eine traumhafte Kombination aus der ultra-hedonistischen Frucht des Jahrgangs 2018 mit der phänomenalen, klassischen Struktur des Jahrgangs 2019. 2020 ist also »The best of both worlds«.