Lobenberg: Die beste Lage in Brauneberg und eine der besten Lagen an der Mosel überhaupt. Der leichteste Schieferboden und zugleich eine warme Exposition. Normalerweise ist die Juffer-Sonnenuhr immer etwas feiner statt kraftvoller. Ausbau Großteils im traditionellen Holzfass, ein paar Partien haben ein paar Stunden Maischestandzeit bekommen. Das hat Oliver in diesem Jahr etwas verstärkter eingesetzt, um die Säuren etwas abzurunden. Es ist schon erstaunlich, dass die Qualität der Lage sich im Grunde bei Fritz Haag nicht durch Lautstärke und krachende Kraft auszeichnet, sondern durch mehr Finesse. Man spürt den Umschwung auf die Sonnenuhr vom Juffer GG kommend ganz klar. Es wird noch feiner, subtiler, ganz zart in weißgelber Frucht, Apfelblüten, Apfelschale, grüne Birne, total feine europäische Frucht. Keine Exotik, nichts Lautes. Die Sonnenuhr schwebt im Glas. Der Mund kracht für Oliver Haag dann schon ungewohnt. Wahnsinn, fast gibt Haag hier Vollenweider die Hand in dieser schlanken Schubkraft. So eine zupackende, tiefgreifende und mineralisch aufgeladene Säurestruktur, die den Wein wie feinste Äderchen durchzieht, gibt es bei Haag nicht jedes Jahr. Aber wir sind hier fern jeder Aggressivität. Der Wein schwebt über die Zunge. Mirabelle, Grapefruit, gelber Apfel. So unendlich fein und schick, aber auch mit ordentlich Kraft anschiebend. Die Säure ist 2021 ein stilprägendes Element, verleiht den Weinen Eleganz und Frische, lockert die durchaus hohe Konzentration auf und gibt der Sonnenuhr eine wunderbare Saftigkeit bei aller Intensität. Die Länge lässt mich dann sprachlos zurück. Es ist eben nicht nur vorne raus energetisch, saftig und vibrierend griffig, sondern auch im Finale aromatisch nachklingend in feinster, seidigster Textur. Für mich persönlich eines der spannendsten Juffer-Sonnenuhr GGs der letzten Jahre. Faszinierender Stoff, der sicher eine lange und aufregende Entwicklung vor sich hat. Es würde mich nicht wundern, wenn er mittelfristig viele der Vorjahre hinter sich lässt. 97-98+/100
Mit den letzten Jahrgängen im Hinterkopf antizipierten die Winzer wie gewohnt einen eher trocken-warmen Witterungsverlauf. Doch 2021 machte recht schnell klar: nicht mit mir! Austrieb und Blüte waren bereits von ungewöhnlich nordisch-rauem Wetter begleitet und im Vergleich zu den Vorjahren »relativ spät« – im langjährigen Mittel also quasi normal. Die meisten deutschen Weinberge blieben von Frost verschont. Die recht harsche Witterung sorgte jedoch nahezu überall für Ertragseinbußen durch die windige, verregnete und dadurch unregelmäßige Blütephase. Der darauffolgende Sommer brachte zunächst keineswegs die Wende. Dramatisch konzentrierte Sommerniederschläge setzten der vorherigen Trilogie der heiß-trockenen Jahre ein jähes Ende und machten den Pflanzenschutz 2021 zu einer Sisyphusarbeit. Die Topwinzer haben 2021 Marathondistanzen in den Weinbergen abgeleistet, um der Situation Herr zu werden. Durch den zusätzlich hohen Personaleinsatz ist es in der Produktion für viele eines der teuersten Jahre aller Zeiten. Ein Glück, dass der Riesling als adaptierte Nord-Rebe stoisch in Wind und Wetter steht wie ein Islandpferd. Denn im Grunde wurde im Herbst immer klarer: Wenn man im Sommer richtig Gas gegeben hat, konnte das noch ein unglaublich starker Jahrgang werden – und so kam es dann auch. Nach diesem echten Cool-Climate-Sommer, der bis Ende August anhielt, retteten der September und ein Goldener Oktober den Weinjahrgang dann fast im Alleingang. Ein stabiles Hoch über Mittel- und Osteuropa sorgt für dieses seit Jahrhunderten bekannte Phänomen. Die Sonnenscheindauer ist gegen Oktober mit noch immer über 10 Stunden sehr hoch, dafür ist die Tag-Nacht-Amplitude schon viel ausgeprägter als noch im August. Da die Nächte länger werden, kann die Luft in Bodennähe stärker auskühlen. Das sorgt für eine langsame Ausreifung bei langer Hangzeit am Stock und trotzdem stabil bleibenden Säuren. Gerade der Riesling liebt das besonders, aber auch die Burgundersorten brillieren mit kühler Frische. Denn 2021 ist ein so spannendes, krachendes und zugleich kristallines Weißwein-Jahr, wie wir es lange nicht mehr hatten. Wer keine Angst vor berauschender Frische hat und sich gerne von hoher Spannung aus der Kurve tragen lässt, der wird mit 2021 seine größte Freude haben. Alle anderen sollten sich besser an die gar nicht so unähnlich gebauten, aber etwas freundlicheren 2020er halten.