Lobenberg: Die alte, autochthone Rebsorte Blatterle war fast ausgestorben, denn sie produziert nur wenig Zucker, was im Südtiroler Weinbau lange Zeit nicht gefragt war. Hier wurden traditionell die Trauben angebaut, die viele Oechsle produzieren konnten. Heinrich Mayr war ein Visionär und Retter der Sorte, als er begann, sie wieder anzubauen und separat abzufüllen. Wegen rückständiger Regularien darf das Weingut aber die Rebsorte nicht aufs Etikett schreiben und muss ihn als Tafelwein vermarkten. Hier stecken aber 100% Blatterle in der Flasche. Ich finde sie am ehesten mit trockenem Furmint oder Muscat vergleichbar, denn sie lebt mehr von der Struktur als von der Frucht. Das liegt natürlich auch daran, weil der Nusserhof dem Wein die nötige Aufmerksamkeit gibt. Ab dem Jahrgang 2022 durchläuft der Wein keine Maischegärung mehr und wird direkt abgepresst und mit wilden Hefen vergoren. Es folgen elf Monate Ausbau – zum Teil im 11 HL großen Holzfass, zum Teil im Stahl – gefolgt von circa sieben monatiger Flaschenreife. Reichhaltige Farbe von mittlerem Goldgelb. Auch die Nase dieses Weins ist opulent und von aromatischer Vielschichtigkeit geprägt. Er wirkt mittlerweile dichter als früher, als der Wein zehn Tage lang auf der Maische ausgebaut wurde. Im ersten Moment erinnert er an einen Muscat mit dezent bitteren Noten! Duftende weiße Blumen wie Rosen und Lilien mit Kamillenblüten und etwas Ingwerschärfe. Salzige Mineralität wechselt sich ab mit viel Würze in Form von exotischen Pfeffersorten. Nach etwas Zeit im Glas kommt ein zarter Hauch Vanille, Hefeteig, auch eine grün-würzige Kräuter Komponente wie Rosmarin, Thymianblüten, Eisenkraut und Salbei hinzu. Im Mund ist der Wein für 11,5% Vol. erstaunlich dicht. Das saure-bittere Spiel von Orangenmarmelade geht zunächst in bittere Kräuter und eine schicke Blüten-Aromatik, reife Goldkiwi, reife Aprikose und Marille über. Schlank und wohl definiert mit dezenter Haptik am Gaumen. Der Nachhall ist salzig, dezent rauchig und präzise, beinahe wie ein Riesling aus Rheinhessen! Ein schicker Aperitif oder aromatischer Begleiter einer Brotzeit. Zum Glück hat die Familie Mayr die Rebsorte Blatterle gerettet – der Wein ist spannend anders!