Lobenberg: Grivots Parzelle sitzt im unteren Teil des Clos. Die Lage ist mit über 40 Hektar recht groß und die Zahl an Weinstilen und Qualitäten ist weit. Häufig wird allgemeingültig angenommen die Parzellen im oberen Teil der Lage seien per se besser, doch das stimmt nur bedingt. Tatsächlich liegt der untere Teil des Clos auch gar nicht so viel tiefer wie es von der Schnellstraße aus wirkt, denn die Straße wurde angehoben an dieser Stelle, damit man besser über die Mauer schauen kann vom Auto aus. Grivots Parzelle liegt also nach allgemeiner Meinung an einer eher unvorteilhaften Stelle, gleichzeitig ist sein Wein in den letzten Jahren bei der großen Clos de Vougeot-Blindprobe im Burgund stets unter den Top-3. Die Qualität im Glas spricht also eine andere Sprache. Etienne denkt, dass liege daran, dass er die Balance des Weines gefunden zu haben sein. Er trifft die Quintessenz dessen, was ein Clos de Vougeot sein sollte. Der Wein kommt reich, enorm dicht und kraftvoll aus dem Glas. Da kommt so viel Charme und Fruchtdruck, der die monolithische Kraft des Weines perfekt abfedert und ihn ebenso zugänglich und umarmend macht. Ganz im Gegensatz zum nicht so weit entfernt wachsenden Les Suchots, der genau diesen Faktor nicht hat und erst über Zeit gewinnen wird. Die immense Struktur und die Saftigkeit hier sind einmalig. Die Frucht nimmt alles ein, Schwarzkirsche, Brombeere, Heidelbeere, Nelke, blühender Thymian und Alpenkräuter. Alles ist in feinen Rauch und Noten von geröstetem Kaffee gehüllt. Es ist eben nicht nur reichhaltig und üppig, sondern ganz fein gezeichnet. Wie eine Skulptur von Michelangelo, massiv zwar, aber klar konturiert und voller Feinheiten und Nuancen. „C’est une bombe atomique!“ wie Etienne selbst freudestrahlend anmerkt. So viel Lebensfreude und geballte Energie in einem Wein konzentriert, das ist schon famos. Grivots Clos de Vougeot vereint Gegensätze. Er hat erdverbundene und luftige Elemente, Spannung und Fülle, Kraft und Finesse, Struktur und Delikatesse. Es fehlt eigentlich an nichts und am Ende limitiert vielleicht bloß die Kapazität der Lage, dass das kein ganz perfekter Wein ist, wie etwa der Richebourg. 97-99/100
Nach einem erneut eher milden Winter kamen Austrieb (März) und Blüte (Mitte Mai) wieder recht früh in 2020. Es folgte ein warmer Sommer, der aber weniger extreme Hitzespitzen wie 2019 und 2018 hatte und vor allem durch kühlere Sommernächte eine robuste Säurestruktur erhalten konnte. Häufig wird vergessen, dass Hitze und vor allem Trockenheit nicht nur die Zuckerentwicklung, sondern auch die Säuren und Gerbstoffe durch niedrige Erträge und dicke Beerenschalen aufkonzentrieren. Dieser mediterrane Powersommer hat dem Burgund Mitte August den frühsten Lesestart seit 2003 beschert, dennoch wurden die vollen 100 Tage Reifezeit nach der Blüte erreicht bis zur Lese. Aufgrund der sehr trockenen Verhältnisse waren die Trauben weitgehend kerngesund und vollreif – Fototrauben soweit das Auge reicht! Wohingegen an der Côte de Beaune fast durchschnittliche Mengen Chardonnay geerntet werden konnten, war der Ertrag beim Pinot Noir an der gesamten Côte d’Or durch die winzige Beerengröße geringer noch als im Vorjahr 2019. Die Chardonnays betören mit dem selben imposanten Fruchtdruck und einer Power wie 2019. Sie wirken allerdings schlanker und feiner, auch aufgrund von lebhafteren Säuren, die eher an 2017 denken lassen. Es ist mit 2014 und 2017 ziemlich sicher das beste Weißweinjahr der letzten 10 Jahre. Die Balance der weißen 2020er ist herausragend! Die Pinot Noirs sind etwas weniger einheitlich balanciert. Je nach Terroir und Erntezeitpunkt, changieren sie zwischen bestechender Eleganz, Kühle und Finesse bis hin zu gewaltiger, mediterraner Struktur mit hoher Reife bis hin zur Überreife in einigen Fällen. Die topgesunden Beeren waren dickschalig, klein und kernig und gaben nur widerwillig ihren hochkonzentrierten, hochintensiven Saft preis. Die Fruchtfülle und das Parfüm der roten 2020er ist gewaltig, wie dichte Wolken aus Waldfrüchten und dunkler Kirsche schiebt es tieffarbig und reich aus dem Glas. Die Konzentration ist berauschend, die besten 2020er stellen die exzellenten Vorjahre sogar noch in den Schatten – in der Spitze war absolute Weltklasse möglich in diesem Blockbusterjahr. 2020 ist ein beeindruckendes und großes Jahr, das bei den Top-Domaines mit zum besten zählt, was es in den letzten Jahrzehnten gab. Zurücklehnen und genießen mit den verführerischen Pinots und sich mitreißen lassen von den berauschenden Chardonnays. Die erneut kleinen Erträge und der harte Frost in 2021 erzeugen weiter Mengendruck auf das Burgund und die besten 2020er werden schnell rar und gesucht sein.