Lobenberg: Das ist das zweite Weingut von Francois Mitjavile, Besitzer von Chateau Tertre Roteboeuf in Saint-Emilion. Hier nun Côtes de Bourg. Das ist der absolute Primus in dieser Region. 80% Merlot, 20% Cabernet Sauvignon im Roc, in Domaine de Cambes befinden sich jedoch 30 Prozent Cabernet Franc statt des Cab Sauvignon. Domaines de Cambes ist der Teil von Roc de Cambes, der im unteren Hangteil liegt. Gerade so außerhalb der Appellation Côtes de Bourg, dementsprechend dürfen die Weine nicht als Roc de Cambes betitelt werden und gehen daher in den Domaine de Cambes. Der Winzer Francois Mitjavile ist mit seiner Arbeit mit nichts in Côte de Bourg vergleichbar. Er setzt Maßstäbe und würde selbst in Saint-Émilion in der ersten Reihe der besten Châteaux stehen. Roc de Cambes ist ein ganz ungewöhnliches Weingut, eben auch wegen seines hohen Cabernet Franc-Anteils im unteren Hangabschnitt der Domaine de Cambes. Natürlich kann Côtes de Bourg nicht die Preise erreichen, die in Saint-Émilion bezahlt werden. Aber man darf dieses Weingut nicht mit normalen Maßstäben messen. Wichtig auch ist es zu verstehen, dass die Domaine de Cambes kein Zweitwein von Roc de Cambes ist. Er wird aus ebenso alten Reben aus einem anderen Abschnitt des gleichen Weinbergs gewonnen. Nur eben hier 30 Prozent Cabernet Franc statt 20 Prozent Cabernet Sauvignon im Roc. Aber eine gleiche Qualitätsliga, gleicher Aufwand, gleiche Arbeit, gleiche spontane Vergärung und gleicher Ausbau im neuen Holz von Radoux. Der 2019er Domaine de Cambes ist farblich fast undurchdringlich schwarz mit leichtem Violett-Stich und einem deutlich strahlenden, roten Rand. Sehr intensive Nase. Zuallererst süßliche Maulbeere, unterlegt von Pumpernickel. Ein bisschen Schlehe, viel Würze, Estragon, Rosmarin. Überhaupt kein Holz vom Barrique, aber dennoch grandiose Würze. Sanddorn, Brombeere, Cassis. Aber weich, rund und süß. Reife Backpflaume. Was für eine Orgie in der Nase! Die Cabernet Franc ist total reif. Das heißt, die typische Himbeere kommt hier in einer fast würzigen Abwandlung zur süßen Brombeere. Das ist Cabernet Franc, wenn sie komplett reif ist und aus alten Reben stammt. Die Nase ist eine einzige Wucht, eine Orgie. Der Mundeintritt beginnt mit einer gewissen Pimentschärfe und Chili. Sehr viel Salz und Mineralität. Das bildet den Rahmen. Schärfe, Mineralität und Salz ziehen sich von vorne bis hinten und bleiben für Minuten stehen. Aber das Ganze wird von Fruchtmassen belegt, die atemberaubend sind. Auch hier wieder das aus der Nase bekannte Pumpernickel. Wirklich Schwarzbrot. Dazu diese superreife süße Brombeere mit Himbeertouch. Wieder Schlehe, ein bisschen Weihnachtsgebäck, ein bisschen Sanddorn und ein Touch Zimt. Super clean. Tolle Frische und gleichzeitig ein Hang zur hohen Reife. Ein Tanz auf der Rasierklinge. Aber nichts Oxidatives oder Überreifes, sondern gerade auf der Kante genäht. Mit dieser grandiosen Süße und Fruchtfülle auf der einen Seite und der wunderbaren Frische aus den kühlen Nächten des Jahrgangs auf der anderen Seite. Eine Cabernet Franc in einer superreifen Form. Ein riesen Oszillograph. 2018 war die Cabernet Franc noch etwas schlanker. In 2019 ist sie noch reifer. Wäre der Wein nicht so perfekt in der Weichheit der samtigen Tannine, dann würde man von einem Blockbuster sprechen. So viel Wein kommt da in den Mund. Ein Maul voll Wein, immens. Irgendwo zwischen einer hochreifen, süßen, roten, loirehaften Explosion und einem tiefschwarzen Château Evangile aus Pomerol liegend. Der Wein muss erst mal fünf bis sechs Jahre weggesperrt werden, aber es ist auf jeden Fall für einen Wein aus der Côtes de Bourg ein Hammer. Ich will ihn nicht höher bewerten als 2018, denn der war auch schon astronomisch gut. Aber 2019 hat das Zeug zu einem ganz großen Wein. 97+/100