Lobenberg: Die Hangneigung der Hermannshöhle ist 60 Prozent. Der Bodentyp: Tonschiefer mit Kalksteinelementen, Rebalter von 60 bis 80 Jahren. Ein guter Teil der Lage wurde 1949 gepflanzt. Seit Jahren, ja seit Jahrzehnten einer der Primus Inter Pares bei den deutschen GGs. Kalkstein und Schiefer ist eine extrem seltene Kombination, vor allem in diesem schroffen Wechsel. Die Hermannshöhle hat oft kaum Pilzdruck durch die Beschaffenheit der Lage, sie ist so exponiert und steil, hat wenig Erdauflage. In 2022 gab es ja ohnehin wenig Botrytis, das Lesegut war total clean. Es ist leicht angelehnt an die feinkristallinen Art des Dellchens, aber in Summe ist es dann der komplettere, ruhigere und versammeltere Wein. Wenn man die Lage sieht, wie exponiert sie ist, wie weit sie sich entlang der Naheschleife erstreckt, dann kann man die Tiefe und das breite Aromenspektrum dieses Weines schon erahnen. Der Duft ist so fein, so schwebend, weißfruchtig und hell, kristallin. Die Hermannshöhle 2022 ist so unglaublich zart, hintersinnig, kommt ganz gediegen. Man hat hier schon das volle Orchester der Hermannshöhle, aber es spielt nicht laut. Seidig-fein, legt sich geschmeidig, fast samtig über die Zunge. Die Hermannshöhle ist fast der schlankste, jedenfalls der filigranste Wein in der gesamte Range. Man muss sich schon auf diese Gelassenheit, diese Zartheit einlassen. Das Dellchen ist, wie im Vorjahr, mehr vorne, expressiver, vibrierender. Aber diese wärmende Samtigkeit, diese unendliche Feinheit der Textur – das ist die Größe der Hermannshöhle 2022. Eigentlich unglaublich wie voller Finessen die Hermannshöhle ist, wenn man das heiße und trockene Jahr bedenkt. Ich bin baff. Das ist groß, weniger aufregend als 21, aber nicht weniger groß. Dieser Stil ist zeitlos gut. 98-100/100