Von Susanne Werth-Rosarius

Weinirrtümer Teil 3

Weingläser

Hier gehts zu Teil 1 und Teil 2!

11. Vom Schwefel im Wein bekommt man Kopfweh

Hier hab ich’s aber mit den Prozentzahlen. In neun von zehn Fällen kommen die Kopfschmerzen nach dem Weingenuss von der Menge der genossenen Tropfen. Es ist sogar vollkommen egal, ob man einen oder verschiedene Weine oder Bier und Wein oder Bier, Wein und harte Alkoholika durcheinander trinkt, ist eine bestimmte Menge erreicht, dann bekommt man Kopfweh und/oder Magenschmerzen. Das liegt daran, dass der Alkohol die Gefäße im Gehirn weitet, was zu Schmerzen führt. Außerdem ist Alkohol ein Wasserräuber, d. h. er dehydriert den Körper, auch das führt zu Kopfweh und Schwindel. Deswegen sollte man zu jedem Glas Wein mindestens ein Glas Wasser trinken, um den Wasserverlust auszugleichen (merke: Wein für den Geschmack und Wasser für den Durst). Bei manchen Menschen setzt dieser Effekt schneller ein als bei anderen.

Hat man allerdings bereits nach einer sehr kleinen Menge Alkohol Kopfweh, so kann das durchaus an bestimmten Inhaltsstoffen liegen. Allerdings in den allerseltensten Fällen am Schwefel. Häufiger sind dann Histamine für die Unpässlichkeiten verantwortlich, es liegt eine Histaminintoleranz vor. Wer eine solche Unverträglichkeit hat, verträgt übrigens auch keinen gereiften (Hart)Käse, dem sollte also nach einer Käseplatte mit (Rot)Wein besonders blümerant werden. Statistisch gesehen betrifft das allerdings nur etwa 3 % der Bevölkerung.

Eine Schwefelunverträglichkeit haben noch viel weniger Menschen. Man kann es aber ganz leicht herausfinden, ob man Schwefel nicht verträgt. Wer auf Schwefel allergisch reagiert, verträgt auch keine Trockenfrüchte und gerösteten Nüsse.

Viel häufiger ist aber auch Stress verantwortlich dafür, dass man auch nach dem Genuss von nur wenig Wein bereits Kopfweh bekommt.

12. Gute Weine erkennt man an Auszeichnungen und guten Bewertungen

Im Prinzip ja, würde Radio Eriwan jetzt antworten. Um aber die Aussagekraft einer Auszeichnung oder Bewertung einordnen zu können, muss man natürlich genau wissen, wer sie vergibt, welche Weine insgesamt getestet wurden und welche Maßstäbe man bei der Bewertung angelegt hat. Es soll Veranstaltungen geben, da bekommt man bereits für die reine Teilnahme das erste Bebberl auf die Flasche gepappt.

Selbst Parkerpunkte sagen im ersten Augenblick nur aus, dass der Wein von einem gewissen Robert M. Parker, seines Zeichens Rechtsanwalt aus Maryland, probiert wurde und er ihm gefallen oder nicht gefallen hat bzw. er ihn für gut oder schlecht befand (je nachdem ob der Wein 72 oder 95 Punkte bekam). Ob der Wein Ihnen dann schmeckt, ist dabei noch gar nicht raus.

Deswegen sagen Beschreibungen mehr als 100 Punkte. Sie versetzen einen in die Lage, den Wein mit der Beschreibung (und Bewertung) zu vergleichen und herauszufinden, ob man mit dem Dargelegten übereinstimmt oder nicht. Und dann können einem nach einer gewissen Zeit des Trainings Bewertungen verschiedener Weinkritiker durchaus hilfreich sein, weil man weiß, wie die Bewerter »ticken« und wie man mit ihnen übereinstimmt oder nicht, und daraus ableiten, ob einem ein Wein nach der Beschreibung wohl zusagen würde. Besser ist aber immer noch, selber zu probieren.

Ich kann mit den Bewertungen vom Chef hier immer sehr viel anfangen, weil ich einen ganz ähnlichen Weingeschmack habe wie er. Auch wenn ich denke, dass er hin und wieder ein wenig zu hoch in die Punktekiste greift. Aber das hat er hier wunderbar erklärt und damit kann ich mich gut anfreunden.

Allerdings gibt es auch jede Menge wunderbarer Weine, die keine Punkte, Sterne, Münzen oder Makronen haben, die sind nur meistens ein wenig schwerer zu finden. Und oft kosten sie sogar weniger als die hochdekorierten Kollegen.
 

13. Pedro Ximénez ist ein Winzer

Der gute Pedro. Wenn Ihnen also demnächst jemand erzählt, er habe den neusten Jahrgang des berühmten spanischen Winzers Pedro Ximénez getrunken, dann können Sie sicher sein, dass sie einen kleinen Aufschneider vor sich haben. Oder jemanden, der Sie wahlweise testen oder auf den Arm nehmen will. Also nehmen Sie’s sportlich.

Pedro Ximénez ist eine Weißweintraube, sie wird in Spanien, vor allem in Andalusien, angebaut und gehört zu den klassischen Verschnittpartnern für einen Sherry. Ihren Namen hat sie der Sage nach von einem spanischen Soldaten, der sie im 16. Jahrhundert von den Niederlanden nach Spanien brachte. (Nicht wundern, von der Römerzeit bis zum 17. Jahrhundert wurde in den Niederlanden und Belgien sehr viel Wein angebaut.) Andere Quellen behaupten, es habe sich bei dem Herrn um einen deutschen Soldaten namens Peter Siemens gehandelt und der Name sei halt »spanisiert« worden.
 

14. Weinstein ist ein Weinfehler

Kurz und bündig: nein! Weinstein entsteht, wenn die im Wein vorhandenen Mineralien Kalium und Kalzium (meist bei sehr tiefen Temperaturen) mit der Säure im Wein reagieren und sich als Kristalle absetzen. Das ist ein ganz natürlicher Vorgang, der keinerlei Einfluss auf den Geschmack, das Aussehen oder die Lagerfähigkeit eines Weines hat. Auf die Qualität schon gar nicht. Und wenn man aus Versehen ein paar Körnchen davon mittrinkt, ist es auch kein Problem. Weinstein ist übrigens nicht zu verwechseln mit dem Depot, das sind zwei unterschiedliche Dinge. Depot sind u. a. abgestorbene Hefen, Gerb- und Farbstoffe, die sich auf dem Flaschenboden sammeln und mittels Dekantieren vor dem Einschenken zurückgehalten werden. Depot ist, genau wie Weinstein, ein natürlicher chemischer Vorgang und kein Fehler.

15. Mouton Cadet ist der Zweitwein von Mouton Rothschild

Da macht man erste hoffnungsvolle Schritte in die große und wunderbare Welt der Bordeaux und hat schon gelernt, dass die meisten der klassifizierten Güter (und auch nicht wenige der Crus bourgeois oder artisanaux) einen Zweitwein herstellen. Das ist in der Regel ein einfacherer und vor allem preiswerterer Wein als der Erstwein. Er stammt meistens von jüngeren Rebstöcken oder aus nicht ganz so hochwertigen Lagen.

Und dann entdeckt man beim Schlendern durch die Weinabteilung im Supermarkt seines Vertrauens im Bordeauxfach Mouton Cadet. Natürlich hat man im Französischunterricht damals aufgepasst und übersetzt fehlerfrei »der jüngere Mouton« oder auch »Mouton Junior«. (Wer übrigens von sich behauptet, er ginge beim Supermarktbesuch nie und nimmermehr durch die Weinabteilung, überprüfe mal schnell, ob seine Nase schon gewachsen ist und sich leicht holzig anfühlt). Und dann ein Blick auf den Preis. Um die 12 €! (Ich bitte um Verzeihung, der genaue Preis ist mir nicht gegenwärtig, aber ich geh morgen beim Einkauf nochmal nachgucken). Und Baron Philippe de Rothschild steht auch auf dem Etikett! Das ist (bzw. war, Gott hab ihn selig) doch der Mouton-Rothschild und nicht der aus der Lafite-Linie. Heureka!

Böse Zungen unterstellen, dass Baron Philippe de Rothschild so ein klein wenig auf diesen Mouton-Effekt geschielt hat, als er den Namen erfand. Dem ist aber beileibe nicht so. Bereits 1927 brachte er angesichts des schlechten Jahrgangs einen Zweitwein heraus, Les Carruades de Mouton. Der wurde allerdings kein wirklicher Erfolg und so verwarf Rothschild die Zweitwein-Idee zunächst. Da auch die folgenden Ernten eher bescheiden ausfielen, wollte Rothschild nicht, dass sie den vornehmen Namen Mouton Rothschild trugen und so wurde der Mouton Cadet geboren. Unter diesem Namen wurden die Jahrgänge vermarktet.

Heutzutage ist der Mouton Cadet nicht mehr und nicht weniger als ein solider leidlich typischer Basiswein aus zugekauftem Lesegut und industrieller Herstellung. Von den Mouton Rothschild Lagen kommt da nicht eine einzige Traube. Und die um 15 Millionen Flaschen, die jährlich erzeugt werden, tragen sicher nicht unerheblich zu Umsatz und Gewinn der Firma Rothschild bei. Damit ist der Mouton Cadet nämlich einer der am meisten verkauften Weine der Welt.

Übrigens, Château Clerc Milon gehört ebenfalls zur Firma Rothschild und ist auch nicht der Zweitwein, sondern ein eigenständiges klassifiziertes Gut.

Der Zweitwein von Château Mouton Rothschild heißt Le Petit Mouton de Mouton Rothschild.

16. Die Sache mit dem Löffel in der Champagnerflasche

Zunächst einmal haben mich alle, mit denen ich über dieses Phänomen gesprochen habe, gefragt, worin das Problem bestünde, mit zwei Personen eine Flasche Champagner zu leeren, sodass sich die Löffelfrage erst gar nicht stellt. Schließlich hat dem Vernehmen nach der von mir sehr verehrte Sir Anthony Barton einmal gesagt, eine Magnum (Bordeaux, selbstverständlich ein Léoville-Barton) sei genau die richtige Menge für einen einzelnen Herrn, vorausgesetzt er tränke vorher eine Flasche Champagner und anschließend eine Flasche Sauternes. Wahrscheinlich gedenkt er, zum Sauternes auch noch eine Zigarre zu rauchen. Vollkommen politisch unkorrekt in den heutigen Zeiten von clean food und Gesundheitswahn. Immerhin, der gute Anthony ist bei dieser Lebensweise, die er noch einige Jahre fortzusetzen gedenkt, auch schon 85 Jahre alt geworden.

Aber ich schweife ab: Wenn niemand mehr ein Glas Sekt oder Champagner trinken will, die Flasche aber noch nicht leer ist, kommt immer irgendwer, nimmt einen (Silber)Löffel und steckt ihn in den Flaschenhals. Damit, so wird behauptet, würde die Kohlensäure nicht aus der Flüssigkeit entweichen. Wenn die am anderen Morgen, wenn man die Flasche für ein beschwingtes Sektfrühstück aus dem Kühlschrank nimmt, trotzdem verschwunden ist, dann hat es an irgendetwas anderem gelegen. Denn das mit dem Löffel stimmt. Wirklich. Sagt auch die Cousine der Sekretärin meines Onkels, also deren Nachbarin, um genau zu sein.

Probieren Sie es aus! Es funktioniert nicht. Also rein theoretisch gibt es da einen gewissen physikalischen Effekt. Der ist aber so gering, dass er de facto nicht stattfindet. So haben die Löffelbeschwörer zwar die kleine Genugtuung, dass sie rein theoretisch ein bisschen recht haben, faktisch ist aber keine Kohlensäure mehr in der Flasche.

Richtig ist, dass je wärmer ein Champagner (und natürlich auch Sekt) wird, desto schneller löst sich die Kohlensäure aus der Flüssigkeit. Ein kalter Löffel würde also die Flüssigkeit wieder ein wenig herunterkühlen und diesen Prozess verlangsamen, aber nicht beenden. Dazu muss der Löffel sowieso mindestens Kontakt mit der Flüssigkeit haben, die Flasche also noch ordentlich halb voll sein. Wie dem auch sei, in einer Nacht ist Zeit genug vergangen, so dass die Kohlensäure eben langsamer aus der Flasche am Löffel vorbei in den Kühlschrank entwichen ist.

Für angebrochene Schaumweinflaschen gibt es so nette Kapseln, die man aufstecken kann, und die die Flasche dicht verschließen. Die funktionieren in aller Regel zuverlässig. Manchmal hüpfen sie im Kühlschrank allerdings nachts vom Flaschenhals und springen in die Butter. Immer dann, wenn man dummerweise vergessen hat, den Deckel auf die Butterdose zu legen. Aber auch in diesem Fall kann ein Sekt oder Champagner noch gute Dienste tun, indem er Saucen oder Sauerkraut den letzten geschmacklichen Pfiff gibt.
 

Susanne Werth-Rosarius (✝ 2016)

Susanne Werth-Rosarius (✝ 2016)

Susanne liebte Weine und schrieb auch gerne darüber. Ihren Stil bezeichnete sie selbst als »Weinempfehlungen abseits der bekannten Verkostungslyrik«. Wenn man ihr einen Gefallen tun wollte, dann mit einer Flasche »Château Figeac«.

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