Von Susanne Werth-Rosarius

Weinirrtümer Teil 2

Kapitel 2

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6. VERSCHNITT IST MINDERWERTIG

Die Vokabel Verschnitt hat in Deutschland einen schlechten Ruf. Vielleicht liegt es daran, dass die Vorsilbe ver- einen Begriff oft ins Negative verändert: Verbrechen, Verderben, Verschwörung. Vielleicht liegt es auch an der Flasche Rum-Verschnitt, die in den 1950er und 60er Jahren  in jedem Haushalt zu finden war und deren Inhalt mit einem guten Rum ungefähr so viel gemeinsam hatte wie Discountermargarine mit <link http: www.lebeurrebordier.com _blank>Bordierbutter.

Verschnitt im önologischen Sinne bedeutet allerdings nichts anderes als die Mischung verschiedener Rebsorten und das ist für sich genommen weder gut noch schlecht. Gut oder schlecht wird erst, was ein Winzer daraus macht. Die allermeisten Bordeaux sind Verschnitte, in Frankreich nennt man das Cuvée (und dann klingt es doch gleich viel netter) aus den Rebsorten Cabernet Sauvignon, Cabernet franc, Merlot, Petit Verdot und ggf. noch ein paar anderen mehr. Der Winzer legt die Mischungsverhältnisse der einzelnen Rebsorten fest, oft sind sie auch durch die Weingesetze oder -verordnungen vorgeschrieben, meistens ist das Mischungsverhältnis jahrgangsweise unterschiedlich und es müssen auch nicht immer alle Rebsorten verwendet werden.

Als eine Sonderform des Verschnitts könnte man übrigens den Gemischten Satz bezeichnen. Hier wachsen Trauben unterschiedlicher Rebsorten zusammen in einem Weinberg, werden gemeinsam geerntet, gekeltert und <link https: de.wikipedia.org wiki _blank>ausgebaut. Der Gemischte Satz kommt vor allem in Österreich (Wiener Gemischter Satz) vor, sowie u. a. noch in einigen Lagen in der Champagne.

7. ROSÉ IST EINE MISCHUNG AUS ROT- UND WEISSWEIN

Nein! Rosé wird aus Rotweintrauben hergestellt. Natürlich keine Regel ohne Ausnahme. Aber nach dem heutigen Weingesetz ist die Mischung von Rot- und Weißwein, die man früher Rotling nannte, sogar verboten. Nur der traditionelle Württemberger Schillerwein und der Badisch-Rotgold haben als regionale Spezialität noch eine Existenzberechtigung. Und auch in der Champagnerherstellung ist der Verschnitt von Rot- und Weißweinsorten zulässig und gängig.

Die charakteristische hellrote oder rosa Farbe entsteht, weil für den Rosé die Rotweintrauben nur sehr kurz (wenige Stunden, höchstens einen Tag) eingemaischt werden und sich so nur wenige Farbstoffe aus den Beerenhäuten lösen können, bis der Wein gepresst wird.

Manchmal ist ein Rosé auch das Nebenprodukt der Rotweinherstellung. Nach einigen Stunden wird ohne Pressung eine gewisse Menge Saft (Most) aus der Mische abgelassen und wie Weißwein weiterverarbeitet. Dieser Wein hat meistens einen etwas höheren Zuckergehalt. Der aus der restlichen Maische gewonnene Rotwein wird dadurch dichter und intensiver. Diese Methode nennt man saignée (was man mit Ausbluten übersetzen könnte) und die so erzeugten Rosés gelten als nicht ganz so hochwertig. Aber (siehe oben) es kommt immer drauf an, wer was daraus macht.

Eine Sonderform des Rosés ist der deutsche Weißherbst. Er darf nur aus einer Rebsorte bestehen und die muss auf dem Etikett angegeben werden, z. B. »Spätburgunder Weißherbst«.

8. WEIN MUSS NACH DEM TRANSPORT RUHEN

Kein Hobby kommt ohne ein gerüttelt Maß an Voodoo aus. In Hifikreisen hielt sich jahrelang das Gerücht, dass nur ein ganz bestimmter schwedischer Holztisch die audiophilen Eigenschaften des Highend-Plattenspielers aus der englischen Edelschmiede optimal zur Geltung brächte.

Und Weinfreunde glauben, dass ein Wein nach dem Transport unruhig sei, sich geschmacklich verschließe und mindestens, hier gibt es unterschiedliche Aussagen, eine, zwei oder gar zwölf Wochen nach dem Transport ruhen müsse, bis er genossen werden dürfe. Ich gebe es zu, ich halte mich auch an eine Zwei-Wochen-Regel. Aber es hat was von Globuli, eine Wirksamkeit ist wissenschaftlich nicht nachgewiesen. Allerdings schadet es ja auch nix.

Ein Weinfreund hat sogar einmal einen Test gemacht und eine Flasche Wein sechs Wochen lang unter dem Fahrersitz seines Autos durch die Gegend gefahren. Die Flasche wurde Temperatur- und Helligkeitsschwankungen sowie Erschütterungen ausgesetzt. Und dann wurde sie gemeinsam mit einer Flasche des gleichen Weines, die in dieser Zeit im dunklen wohl temperierten Keller gelegen hatte, probiert. Und was kam raus? Nix! Kein Unterschied. Nach einigen Gläsern wusste keiner mehr, welche Flasche welche war.

Gut, dieser Test lässt ein wenig wissenschaftliche Präzision vermissen, spricht aber dennoch für sich.

Das einzige, was in diesem Zusammenhang wirklich sinnvoll ist, ist eine Flasche Wein etwa 24 Stunden vor dem Genuss aufrecht hinzustellen, so dass eventuell vorhandenes Depot in der Flasche auf den Boden sinken kann, wo es weniger stört.

9. DIE »KIRCHENFENSTER« AN DER GLASWAND STAMMEN VOM GLYZERIN

Die Szene ist allen bekannt. Ein großer, dichter, recht alkoholstarker Wein wird ins Glas gegeben, man schwenkt das Glas und an der Glaswand bleiben längliche flüssige Strukturen hängen, die langsamer zurückfließen, als der Rest der Flüssigkeit. Diese Schlieren nennt man Kirchenfenster (in Frankreich übrigens Tränen, was die Optik besser beschreibt, aber zugegebenermaßen recht traurig klingt).

Auf die Frage, wie es zu diesem Phänomen kommt, erhält man meistens die Antwort, das käme vom Glyzerin, das ja sehr viskos sei und deswegen an der Glaswand haften bleibe.

Stimmt allerdings nicht. Sie können ja die Probe machen, sich in der Apotheke einen halben Liter Glyzerin besorgen (kann man ja immer mal brauchen, z. B., wenn man selber Seife herstellen möchte oder Schneekugeln basteln), es ins Glas geben und drauflos schwenken. Da bleibt keine Träne zurück, die Flüssigkeit fließt gleichmäßig ab.

Verantwortlich für dieses Phänomen ist der so genannte Marangoni Effekt. Hier die Kurzerklärung (die Diplomphysiker unter uns können es gerne ergänzen): Der Effekt hängt mit der Oberflächenspannung zusammen. Aber von vorne. Der Wein benetzt die Glaswand. Der Alkohol im Wein verdunstet schneller als das Wasser. Dadurch erhöht sich die Oberflächenspannung. Dieser Effekt ist am oberen Teil des Glases größer als unten, weil oben mehr Sauerstoff einwirkt. Zwischen dem Wein an der Glaswand und dem Wein im Glas entsteht eine Art Pumpwirkung, die die Flüssigkeit zu einem Fadengebilde zusammenzieht. Die ausführliche physikalische Erklärung unter obigem Link.

Also nix Glyzerin, Alkohol, genauer Ethanol, ist der Verursacher. Natürlich gehört auch Glycerin zu den Alkoholen, aber selbst wenn es einen Einfluss hätte, sein Anteil im Wein ist viel zu gering, um wirksam zu sein. Der im Wein enthaltene Alkohol besteht zu ungefähr 8 % aus Glyzerin. Das ist bei einem Wein mit 14 % vol Alkohol etwa 1 % des Gesamtvolumens.

10. WEINE MIT SCHRAUBVERSCHLUSS SIND EINFACHE ZECHWEINE

Hmmmmmjein. Im Prinzip besteht überhaupt kein Zusammenhang zwischen der Qualität eines Weines und dem gewählten Flaschenverschluss. In Übersee, insbesondere in Australien, hat der Schraubverschluss eine sehr hohe Akzeptanz und so werden die meisten Weine vom einfachen Tischwein bis zum hochpreisigen Gewächs mit Schraubverschluss ausgeliefert.

In Europa, vor allem in Frankreich, traut man der Innovationsbereitschaft der Kundschaft noch nicht so recht über den Weg. Dort sind viele Weinliebhaber, vor allem die der teuren Weine, eher konservativ und assoziieren mit Kork Wertigkeit und Luxus. Ein Haut Brion mit Schrauber käme ihnen nicht in den Keller.

Und so fangen die Erzeuger mit der Umstellung auf Schraubverschluss erst mal unten, d. h. bei den Basisqualitäten, an und verschließen ihre hochwertigen Weine mit Blick auf die treue Kundschaft doch lieber weiterhin mit Korken.

Dabei hat der Schraubverschluss dem Korken gegenüber drei entscheidende Vorteile: Der Wein kann keinen Korkschmecker (TCA) bekommen (und wer hat sich über einen solchen nicht schon einmal geärgert). Man braucht keinen Korkerzieher mehr (leider also auch kein Grund mehr, sich ein neues Laguiole-Kellnermesser zu kaufen) und eine angebrochene Flasche lässt sich viel besser wiederverschließen und aufbewahren (und passt genau in die Kühlschranktür). Dafür macht der Schrauber nicht so schön »plopp« sondern ein bisschen knirschig »knack«.

Befürworter des Korkverschlusses wenden ein, der Schrauber behindere die Flaschenreifung eines Weines (was sowieso nur, siehe oben, für die großen, komplexen Weine relevant ist) und es gäbe noch keine Erkenntnisse zum Langzeitverhalten.

Inzwischen sind schraubverschlossene Weine schon einige Jahre auf dem Markt. Und ihr Anteil nimmt ständig zu. So sehr, dass in Portugal schon erste Korkeichenpflanzungen gerodet wurden, und man das Verschwinden einer Kulturlandschaft befürchtet. Abwarten, ganz verschwinden wird der Korkverschluss sicher nie.

Susanne Werth-Rosarius (✝ 2016)

Susanne Werth-Rosarius (✝ 2016)

Susanne liebte Weine und schrieb auch gerne darüber. Ihren Stil bezeichnete sie selbst als »Weinempfehlungen abseits der bekannten Verkostungslyrik«. Wenn man ihr einen Gefallen tun wollte, dann mit einer Flasche »Château Figeac«.

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