Lobenberg: Großes Gewächs Selection genannt, obwohl Holger Koch nicht im VDP ist, denn das ist kein geschützter Begriff. Die genaue Lagenbezeichnung dieses Weins wäre Eichbuck. Weder Großes Gewächs noch Eichbuck stehen auf dem Etikett, auch um keine schlafenden Hunde in Behörden zu wecken. Viele Winzer hier in der Region haben gegen den VDP Klagen gewonnen, dass die Bezeichnung „Großes Gewächs“ eben keine Bezeichnung ist, die geschützt ist. Ein freier Begriff, den man auch aufs Etikett schreiben könnte, wenn man denn wollte. Die besagte Lage Eichbuck liegt auch neben dem Weingut, allerdings in höherer Lage (bis zu 350 Höhenmeter). Viel Wind, kühl, Süd- Südostexposition. Allerdings hat Holger seine windigsten und kühlsten Lagen seinem Pinot Noir vorbehalten. Etwa 3 Meter Löss-Auflage auf aufgeschüttetem Vulkanschotter. Das Ganze sind Selection Massale Reben aus dem Elsass, 2002 gepflanzt. Der Ausbau erfolgt in einem 600 Liter Stockinger Fass, mehr gibt es nicht. Auch hier der Kunstgriff von Holger Koch, es wurde ein ganz kleiner Teil der Ernte (etwa 10%) komplett Maischevergoren und auch über 10 Prozent mit Trub – also Dreck und Speck – vergoren und vor dem Ausbau im Holzfass dann wieder cuvetiert, einfach um mehr Struktur zu bekommen. Die Nase ist absolut genial! In diesem ausgesprochen frischen, animierenden Duftbild verbinden sich grünliches Steinobst, warme Zitrusfrucht, Mandarine, Kumquat, Kaffirlimettenblätter, grüne Birne, mit einer intensiven Steinigkeit. Der Mund ist wunderbar zart und fein, superfrische Frucht, vibrierend und saftig. Der Speichel fließt in Strömen, der Grip zieht an allen Papillen, schöne Tanninstruktur. Berstend vor Spannung, wow, 2021 ist so ein spannendes Jahr. Viel zarter Schmelz und schöne Konzentration. Dann satter Grip im Finale. Die weiße Frucht als Dominante wird gut eingeholt, deutlich mit pikanter Frische unterlegt. Gute Spannung zeigend, weiße Blüten und Zitronenmelisse. Feiner Wein mit Fokus und Länge. Gefällt mir extrem gut. 94-96+/100
Mit den letzten Jahrgängen im Hinterkopf antizipierten die Winzer wie gewohnt einen eher trocken-warmen Witterungsverlauf. Doch 2021 machte recht schnell klar: nicht mit mir! Austrieb und Blüte waren bereits von ungewöhnlich nordisch-rauem Wetter begleitet und im Vergleich zu den Vorjahren »relativ spät« – im langjährigen Mittel also quasi normal. Die meisten deutschen Weinberge blieben von Frost verschont. Die recht harsche Witterung sorgte jedoch nahezu überall für Ertragseinbußen durch die windige, verregnete und dadurch unregelmäßige Blütephase. Der darauffolgende Sommer brachte zunächst keineswegs die Wende. Dramatisch konzentrierte Sommerniederschläge setzten der vorherigen Trilogie der heiß-trockenen Jahre ein jähes Ende und machten den Pflanzenschutz 2021 zu einer Sisyphusarbeit. Die Topwinzer haben 2021 Marathondistanzen in den Weinbergen abgeleistet, um der Situation Herr zu werden. Durch den zusätzlich hohen Personaleinsatz ist es in der Produktion für viele eines der teuersten Jahre aller Zeiten. Ein Glück, dass der Riesling als adaptierte Nord-Rebe stoisch in Wind und Wetter steht wie ein Islandpferd. Denn im Grunde wurde im Herbst immer klarer: Wenn man im Sommer richtig Gas gegeben hat, konnte das noch ein unglaublich starker Jahrgang werden – und so kam es dann auch. Nach diesem echten Cool-Climate-Sommer, der bis Ende August anhielt, retteten der September und ein Goldener Oktober den Weinjahrgang dann fast im Alleingang. Ein stabiles Hoch über Mittel- und Osteuropa sorgt für dieses seit Jahrhunderten bekannte Phänomen. Die Sonnenscheindauer ist gegen Oktober mit noch immer über 10 Stunden sehr hoch, dafür ist die Tag-Nacht-Amplitude schon viel ausgeprägter als noch im August. Da die Nächte länger werden, kann die Luft in Bodennähe stärker auskühlen. Das sorgt für eine langsame Ausreifung bei langer Hangzeit am Stock und trotzdem stabil bleibenden Säuren. Gerade der Riesling liebt das besonders, aber auch die Burgundersorten brillieren mit kühler Frische. Denn 2021 ist ein so spannendes, krachendes und zugleich kristallines Weißwein-Jahr, wie wir es lange nicht mehr hatten. Wer keine Angst vor berauschender Frische hat und sich gerne von hoher Spannung aus der Kurve tragen lässt, der wird mit 2021 seine größte Freude haben. Alle anderen sollten sich besser an die gar nicht so unähnlich gebauten, aber etwas freundlicheren 2020er halten.