Lobenberg: Auf knapp 300 Meter über dem Meeresspiegel liegt die Große Lage Kloppberg, die kühlste Lage von Winter. Neben der Höhe der Lage ist der Weinberg nach Osten ausgerichtet, was für zusätzliche Kühle sorgt. Die Böden bestehen aus Kalkstein auf Tonmergel, eine super Mischung aus Wasser- und Mineralstoffdepot. Nur gesunde, perfekt ausgereifte Trauben werden per Hand gelesen und nach einer kurzen Maischestandzeit schonend gekeltert. Nach der mehrmonatigen Reife auf der Feinhefe im Edelstahltank wird der Wein gefüllt und dann 2 Jahre vor dem Release auf der Flasche liegen gelassen, damit der Wein nicht viel zu früh getrunken wird und schon ab Weingut Spaß macht. Der Kloppberg von Winter ist ein grandioser Wein. In der Nase schon geschliffen, fein und straight. Typisch 2021 eben. Karge Frische und Reduktion kommen mir entgegen, unterlegt von Fruchtaromen, die Rieslingtypischer kaum sein könnten. Im Mund setzten sich Pfirsich, Äpfel, Zitrus und leichte Exotik fort. Alles ausgereift, dennoch so kühl, feingliedrig und frisch, es ist hervorragend. Diese Ecke ist eben nochmal etwas kühler als Westhofen, das schmeckt man auch. Die Frucht ist nicht überkonzentriert, sondern on Point, der Pfirsich frisch, die Limettenzeste straff und saftig. Ein Mineralkracher. Der Kloppberg hat noch eine lange Zukunft vor sich, überzeugt aber jetzt schon mit jedem Schluck.
Mit den letzten Jahrgängen im Hinterkopf antizipierten die Winzer wie gewohnt einen eher trocken-warmen Witterungsverlauf. Doch 2021 machte recht schnell klar: nicht mit mir! Austrieb und Blüte waren bereits von ungewöhnlich nordisch-rauem Wetter begleitet und im Vergleich zu den Vorjahren »relativ spät« – im langjährigen Mittel also quasi normal. Die meisten deutschen Weinberge blieben von Frost verschont. Die recht harsche Witterung sorgte jedoch nahezu überall für Ertragseinbußen durch die windige, verregnete und dadurch unregelmäßige Blütephase. Der darauffolgende Sommer brachte zunächst keineswegs die Wende. Dramatisch konzentrierte Sommerniederschläge setzten der vorherigen Trilogie der heiß-trockenen Jahre ein jähes Ende und machten den Pflanzenschutz 2021 zu einer Sisyphusarbeit. Die Topwinzer haben 2021 Marathondistanzen in den Weinbergen abgeleistet, um der Situation Herr zu werden. Durch den zusätzlich hohen Personaleinsatz ist es in der Produktion für viele eines der teuersten Jahre aller Zeiten. Ein Glück, dass der Riesling als adaptierte Nord-Rebe stoisch in Wind und Wetter steht wie ein Islandpferd. Denn im Grunde wurde im Herbst immer klarer: Wenn man im Sommer richtig Gas gegeben hat, konnte das noch ein unglaublich starker Jahrgang werden – und so kam es dann auch. Nach diesem echten Cool-Climate-Sommer, der bis Ende August anhielt, retteten der September und ein Goldener Oktober den Weinjahrgang dann fast im Alleingang. Ein stabiles Hoch über Mittel- und Osteuropa sorgt für dieses seit Jahrhunderten bekannte Phänomen. Die Sonnenscheindauer ist gegen Oktober mit noch immer über 10 Stunden sehr hoch, dafür ist die Tag-Nacht-Amplitude schon viel ausgeprägter als noch im August. Da die Nächte länger werden, kann die Luft in Bodennähe stärker auskühlen. Das sorgt für eine langsame Ausreifung bei langer Hangzeit am Stock und trotzdem stabil bleibenden Säuren. Gerade der Riesling liebt das besonders, aber auch die Burgundersorten brillieren mit kühler Frische. Denn 2021 ist ein so spannendes, krachendes und zugleich kristallines Weißwein-Jahr, wie wir es lange nicht mehr hatten. Wer keine Angst vor berauschender Frische hat und sich gerne von hoher Spannung aus der Kurve tragen lässt, der wird mit 2021 seine größte Freude haben. Alle anderen sollten sich besser an die gar nicht so unähnlich gebauten, aber etwas freundlicheren 2020er halten.