Lobenberg: Rothlauf ist eine der Toplagen von May. Der Weinberg ist über 50 Jahre alt. Die Weinbergsarbeit geschieht bei May nach Bioland-Zertifizierung. Es gab relativ viel Peronospora-Druck in 2021, man musste in dieser Steillage enorm viel Handarbeit leisten, um den geringen Restertrag zu sichern. Der Ausbau zu 70 Prozent in Stückfässern aus heimischer Spessart-Eiche mit langem Hefelager, der Rest liegt im Betonei. Die Cool-Climate-Ausprägung von 2021 zeigt sich schon im Duft, Pumpernickel, grüne Mandarine, Matcha. Die Präzision und Puristik des Jahrgangs ist bestechend. Rauchige Mineralität, Pfefferminze, animierend, fast Riesling-artig in seinem Fokus. Aus dem kühleren Jahr 2021 ist das natürlich kein berauschender Blockbuster, sondern ein kühler, in sich ruhender Ausdruck des Bodens, kräuterig, herbsaftig, feine Bitternoten aus Zitronenschalen, Bienenwachs, Melisse, sehr deutlich feuersteinig, graphitig. Auch in 2021 hat der Weine eine enorme Substanz aus dem Hefekontakt gezogen, er ist so dicht und versammelt, dass er ewig auf der Zunge sitzen bleibt. Dabei kommt aber auch so viel Frische, Säure und Mineralität mit, dass der Wein keineswegs fett wird. Was für eine Eleganz und Finesse, Zartheit der Struktur, dazu ungeheurlich tiefe, dunkle, packende Mineralität. Wer Silvaner liebt, sollte stets ein paar gereifte Jahrgänge Rothlauf im Keller haben, denn das ist einer der größten Silvaner Deutschlands. 97-98/100
Mit den letzten Jahrgängen im Hinterkopf antizipierten die Winzer wie gewohnt einen eher trocken-warmen Witterungsverlauf. Doch 2021 machte recht schnell klar: nicht mit mir! Austrieb und Blüte waren bereits von ungewöhnlich nordisch-rauem Wetter begleitet und im Vergleich zu den Vorjahren »relativ spät« – im langjährigen Mittel also quasi normal. Die meisten deutschen Weinberge blieben von Frost verschont. Die recht harsche Witterung sorgte jedoch nahezu überall für Ertragseinbußen durch die windige, verregnete und dadurch unregelmäßige Blütephase. Der darauffolgende Sommer brachte zunächst keineswegs die Wende. Dramatisch konzentrierte Sommerniederschläge setzten der vorherigen Trilogie der heiß-trockenen Jahre ein jähes Ende und machten den Pflanzenschutz 2021 zu einer Sisyphusarbeit. Die Topwinzer haben 2021 Marathondistanzen in den Weinbergen abgeleistet, um der Situation Herr zu werden. Durch den zusätzlich hohen Personaleinsatz ist es in der Produktion für viele eines der teuersten Jahre aller Zeiten. Ein Glück, dass der Riesling als adaptierte Nord-Rebe stoisch in Wind und Wetter steht wie ein Islandpferd. Denn im Grunde wurde im Herbst immer klarer: Wenn man im Sommer richtig Gas gegeben hat, konnte das noch ein unglaublich starker Jahrgang werden – und so kam es dann auch. Nach diesem echten Cool-Climate-Sommer, der bis Ende August anhielt, retteten der September und ein Goldener Oktober den Weinjahrgang dann fast im Alleingang. Ein stabiles Hoch über Mittel- und Osteuropa sorgt für dieses seit Jahrhunderten bekannte Phänomen. Die Sonnenscheindauer ist gegen Oktober mit noch immer über 10 Stunden sehr hoch, dafür ist die Tag-Nacht-Amplitude schon viel ausgeprägter als noch im August. Da die Nächte länger werden, kann die Luft in Bodennähe stärker auskühlen. Das sorgt für eine langsame Ausreifung bei langer Hangzeit am Stock und trotzdem stabil bleibenden Säuren. Gerade der Riesling liebt das besonders, aber auch die Burgundersorten brillieren mit kühler Frische. Denn 2021 ist ein so spannendes, krachendes und zugleich kristallines Weißwein-Jahr, wie wir es lange nicht mehr hatten. Wer keine Angst vor berauschender Frische hat und sich gerne von hoher Spannung aus der Kurve tragen lässt, der wird mit 2021 seine größte Freude haben. Alle anderen sollten sich besser an die gar nicht so unähnlich gebauten, aber etwas freundlicheren 2020er halten.