Lobenberg: Durch Peronospora-Druck vom nassen Sommer ist der Ertrag erneut extrem reduziert gewesen. Wieder nur etwa 20 Hektoliter pro Hektar im Betriebsschnitt. Von vielen Weinen konnte nur ein Bruchteil der normalen Menge geerntet werden. Der Sonnenberg liegt auf dem Plateau oberhalb von Sulzfeld, windoffen gen Westen und eher kühl, daher recht spät reifend. Die Reben sind zwischen 30 und 55 Jahren alt, also durchaus schon sehr profund. Immer gut wasserversorgt. Die Lage ist hoch genug, dass sie aus dem klassischen Muschelkalk herausgeht und schon Richtung Keuper, Gelbkalk, läuft. Die Aromatik ist hier also etwas anders als in den restlichen Silvanern von Luckert. Der Sonnenberg ist immer schon jung zugänglich und offen, hat eine verführerische Frucht, obwohl er immer etwas dunkler und lakritziger ist. Bienenwachs und getrocknete Kamille. Sehr würzig, intensiv, tiefgründig und opulent in seiner Aromatik, aber auch kühl und kräuterig in 2021. Das bildet einen enormen Spannungsbogen. Im Mund leichte Kreideanklänge, unsüße Karamelle und feines Salz an den Zungenrändern. Ungemein dicht, man beginnt wie automatisch zu kauen, weil der Wein so eine konzentrierten Auftritt im Mund hat. Der Wein hat eine enorme Länge, ganz ohne Wucht, mit diesem wunderbar cremig-schmelzenden Mundgefühl, das die Zunge ganz hintersinnig und elegant in Beschlag nimmt und nicht mehr loslässt. Diese finessenreichen, seidigen Silvaner von Luckert sind traumhaft schön zu trinken. 95+/100
Mit den letzten Jahrgängen im Hinterkopf antizipierten die Winzer wie gewohnt einen eher trocken-warmen Witterungsverlauf. Doch 2021 machte recht schnell klar: nicht mit mir! Austrieb und Blüte waren bereits von ungewöhnlich nordisch-rauem Wetter begleitet und im Vergleich zu den Vorjahren »relativ spät« – im langjährigen Mittel also quasi normal. Die meisten deutschen Weinberge blieben von Frost verschont. Die recht harsche Witterung sorgte jedoch nahezu überall für Ertragseinbußen durch die windige, verregnete und dadurch unregelmäßige Blütephase. Der darauffolgende Sommer brachte zunächst keineswegs die Wende. Dramatisch konzentrierte Sommerniederschläge setzten der vorherigen Trilogie der heiß-trockenen Jahre ein jähes Ende und machten den Pflanzenschutz 2021 zu einer Sisyphusarbeit. Die Topwinzer haben 2021 Marathondistanzen in den Weinbergen abgeleistet, um der Situation Herr zu werden. Durch den zusätzlich hohen Personaleinsatz ist es in der Produktion für viele eines der teuersten Jahre aller Zeiten. Ein Glück, dass der Riesling als adaptierte Nord-Rebe stoisch in Wind und Wetter steht wie ein Islandpferd. Denn im Grunde wurde im Herbst immer klarer: Wenn man im Sommer richtig Gas gegeben hat, konnte das noch ein unglaublich starker Jahrgang werden – und so kam es dann auch. Nach diesem echten Cool-Climate-Sommer, der bis Ende August anhielt, retteten der September und ein Goldener Oktober den Weinjahrgang dann fast im Alleingang. Ein stabiles Hoch über Mittel- und Osteuropa sorgt für dieses seit Jahrhunderten bekannte Phänomen. Die Sonnenscheindauer ist gegen Oktober mit noch immer über 10 Stunden sehr hoch, dafür ist die Tag-Nacht-Amplitude schon viel ausgeprägter als noch im August. Da die Nächte länger werden, kann die Luft in Bodennähe stärker auskühlen. Das sorgt für eine langsame Ausreifung bei langer Hangzeit am Stock und trotzdem stabil bleibenden Säuren. Gerade der Riesling liebt das besonders, aber auch die Burgundersorten brillieren mit kühler Frische. Denn 2021 ist ein so spannendes, krachendes und zugleich kristallines Weißwein-Jahr, wie wir es lange nicht mehr hatten. Wer keine Angst vor berauschender Frische hat und sich gerne von hoher Spannung aus der Kurve tragen lässt, der wird mit 2021 seine größte Freude haben. Alle anderen sollten sich besser an die gar nicht so unähnlich gebauten, aber etwas freundlicheren 2020er halten.