Lobenberg: Ich habe mir dieses Jahr die Weinberge mit Rudolf May ausgiebig persönlich angeschaut, hier stehen sehr alte Stöcke in dichter Pflanzung, jedes Jahr gibt es geringe Erträge von kleinen, dickschaligen Beeren. Seit 2016 wird alles biologisch bewirtschaftet, ab 2019 wird May dann Naturland zertifiziert sein, aber die Bewirtschaftung ist schon seit Jahren Bio. Die Weinreben dieses Grand Cru sind um die 60 Jahre und älter. Auch hier besteht das Terroir aus Muschelkalk. Direkt in Retzstadt an einem Berg in Südexposition, der wie der Corton-Charlemagne aussieht. Dieser Wein wird im gebrauchten Holzgärständer spontanvergoren und dann im 1.200l Holzfass ausgebaut, er verbleibt auf der Vollhefe bis zur Füllung. Das Große Gewächs Himmelspfad steht angequetscht mit Stielen und Stängeln länger noch als der Schäfer auf der Maische, nämlich 24 Stunden. Die Nase ist etwas weniger offensiv, als die des Schäfers. Aber extrem hintergründig. Das große gebrauchte Holz kommt trotzdem durch. Der Unterschied zum grandiosen Schäfer besteht in dieser immensen Tiefe, diesem profunden Unterbau, viel Aprikose, Pfirsich, Orangenzesten, Grapefruit, die Nase zeigt auch viel mehr gelbe Blüten, ist nicht so spielerisch, sondern intensiv, schiebt von unten. Das ist ein Silvaner aus der ersten Reihe, ohne Zitruslastigkeit, etwas grüner Tee darunter, sehr schöne Frische zeigend mit etwas Minze, fast Eukalyptus, aber eben nicht zitrisch, nur schiebend mit viel Druck. Erinnert etwas an eine Super-Cuvee aus Chenin Blanc, alles in einer Feinheit ,wie man sie im Burgunder nicht findet, ein spannender, leicht erdiger Touch liegt zusätzlich in diesem Silvaner. Das ist lang, dicht, reich, mit schönen Apfelnoten, leichter Erdigkeit, Würze, viel Schub. Und während der Schäfer noch eine tänzelnde Primaballerina war in ihrer Komplexität und ihrer rassigen Feinheit, so haben wir hier einfach mehr intensiven Schub von unten und einen viel dichteren Körper, ohne jemals fett zu werden, es bleibt fein. Wir bleiben auch hier stilistisch eher an der Loire, gerade in 2018 fällt mir diese Verwandtschaft zwischen großen Chenin Blancs und Silvaner so sehr auf. Nach so vielen, in diesem Jahr probierten Rieslingen und Weißburgundern, wird mir immer klarer, dass der Silvaner eine der wirklich eigenständigen, traumhaften und echt hochklassigen Rebsorten Deutschlands sein kann. Es braucht die richtigen Böden, niedrige Erträge, biologisches Arbeiten, es braucht einfach etwas Einsatz, aber dann kann ganz Großes daraus entstehen. Wenn man denn diese Weine mit weniger Frucht und dafür großer Eleganz und feiner Mineralität möchte. Niemals mit einem Riesling zu verwechseln und in keinster Weise das gleiche Geschmacksbild abgebend, aber das will er ja auch gar nicht. Erdig, würzig, nobel, elegant und erhaben, ein grandioser Wein. 97-100/100