Lobenberg: Es gibt nur ein Barrique von diesem rarsten aller Shelter Rotweine. Eine Parzelle mit nur sechs Reihen Spätburgunder, Anfang der 70er Jahre gepflanzt. Außerdem im 21er erstmals auch ein kleiner Teil aus einem neuen, sehr dicht gepflanzten Weinberg mit Burgunder-Genetik. Sehr feine Nase mit unheimlicher Frische, aber auch enormer Tiefe. Viel Schub, dennoch ist hier alles einfach elegant. Feiner Rauch, dann kommt dunkler Kakao, dunkle Kirsche, Holunder und blaufruchtige Anklänge. Noch mehr Kirsche in allen Schattierungen ist zu erahnen, denn insgesamt ist die Frucht sehr dezent und zurückhaltend aktuell. Die noble Holzunterfütterung ist spürbar, wird aber von diesem warmwürzigen Pinot Noir-Parfüm quasi komplett geschluckt, alles fein verwoben und sehr komplex. Der Mundeintritt ist irre! Total auf der Kirsche laufend, nur geradeaus, dunkle Schokolade, helles Nougat, auch leichte Veilchenunterlegung. Die Tannine sind reichlich vorhanden, aber zart und geschmeidig. Alles läuft auf der Kirsche und dezenter Cassis entlang. Elegant und so straight, wie es eigentlich eher die französischen Nachbarn im Burgund stilistisch pflegen. Ein großer Wein, der allerdings noch ein paar Jahre Flaschenreife brauchen wird, so hochverdichtet mutet er an. Man muss um jede Flasche kämpfen, aber es lohnt sich! 96-97/100
Mit den letzten Jahrgängen im Hinterkopf antizipierten die Winzer wie gewohnt einen eher trocken-warmen Witterungsverlauf. Doch 2021 machte recht schnell klar: nicht mit mir! Austrieb und Blüte waren bereits von ungewöhnlich nordisch-rauem Wetter begleitet und im Vergleich zu den Vorjahren »relativ spät« – im langjährigen Mittel also quasi normal. Die meisten deutschen Weinberge blieben von Frost verschont. Die recht harsche Witterung sorgte jedoch nahezu überall für Ertragseinbußen durch die windige, verregnete und dadurch unregelmäßige Blütephase. Der darauffolgende Sommer brachte zunächst keineswegs die Wende. Dramatisch konzentrierte Sommerniederschläge setzten der vorherigen Trilogie der heiß-trockenen Jahre ein jähes Ende und machten den Pflanzenschutz 2021 zu einer Sisyphusarbeit. Die Topwinzer haben 2021 Marathondistanzen in den Weinbergen abgeleistet, um der Situation Herr zu werden. Durch den zusätzlich hohen Personaleinsatz ist es in der Produktion für viele eines der teuersten Jahre aller Zeiten. Ein Glück, dass der Riesling als adaptierte Nord-Rebe stoisch in Wind und Wetter steht wie ein Islandpferd. Denn im Grunde wurde im Herbst immer klarer: Wenn man im Sommer richtig Gas gegeben hat, konnte das noch ein unglaublich starker Jahrgang werden – und so kam es dann auch. Nach diesem echten Cool-Climate-Sommer, der bis Ende August anhielt, retteten der September und ein Goldener Oktober den Weinjahrgang dann fast im Alleingang. Ein stabiles Hoch über Mittel- und Osteuropa sorgt für dieses seit Jahrhunderten bekannte Phänomen. Die Sonnenscheindauer ist gegen Oktober mit noch immer über 10 Stunden sehr hoch, dafür ist die Tag-Nacht-Amplitude schon viel ausgeprägter als noch im August. Da die Nächte länger werden, kann die Luft in Bodennähe stärker auskühlen. Das sorgt für eine langsame Ausreifung bei langer Hangzeit am Stock und trotzdem stabil bleibenden Säuren. Gerade der Riesling liebt das besonders, aber auch die Burgundersorten brillieren mit kühler Frische. Denn 2021 ist ein so spannendes, krachendes und zugleich kristallines Weißwein-Jahr, wie wir es lange nicht mehr hatten. Wer keine Angst vor berauschender Frische hat und sich gerne von hoher Spannung aus der Kurve tragen lässt, der wird mit 2021 seine größte Freude haben. Alle anderen sollten sich besser an die gar nicht so unähnlich gebauten, aber etwas freundlicheren 2020er halten.