Lobenberg: Wächst zu 90 Prozent im Hipping, mit einem Schuss Rothenberg wurzelecht. Er ist aber mittlerweile ein Landwein, weil er unter Florhefe als Solera, also Jahrgangsverschnitt, reift. Er kann damit kein Niersteiner aus Ersten Lagen mehr sein. Aber auf all das kann man bei diesem Stoff auch getrost verzichten. Der Silvaner ist schon immer ein besonderes Anliegen des Hauses und bekommt die volle Aufmerksamkeit und Ernsthaftigkeit, die ihm in den Augen von Kai Schätzel gebührt. Damit ist er einer der Vorreiter und Mitstreiter von Carsten Saalwächter. Hier wird versucht ein Silvaner auf GG-Niveau zu erzeugen, auch wenn Silvaner in Rheinhessen vom VDP nicht als GG zugelassen wird. In diesen Parzellen des Hipping stehen nur eigene Schätzel-Klone in 30-40 Jahre alten Rebanlagen mit kleinen, dickschaligen Beeren. Wie immer alles aus biodynamischer Bewirtschaftung. Nach der selektiven Handlese in mehreren Durchgängen und 5-6 tägigen Maischestandzeiten, währenddessen die Maische mit den Füßen untergestoßen wird. Dann wird das Ganze mitsamt allen Trubstoffen ohne Filtration in die spontane Gärung im Fass gegeben, verbleibt dort ohne Abstich für 10 Monate auf der Vollhefe mit allen natürlich ablaufenden Prozessen wie BSA usw., alles kann ungestört ablaufen. Die Rebsorte Silvaner profitiert in Kais Augen sehr von einer naturbelassenen Behandlung mit nur minimaler Filtration oder vielleicht sogar ganz ohne Filtration, dass er seine Eigenständigkeit bewahrt, Silvaner kann schnell langweilig und beliebig werden. Aber hier soll bewusst ein hochwertiger, markanter Wein erzeugt werden, der die Typizität der Sorte, der Böden und der Ortschaft Nierstein ausdrückt. Und das kann der Silvaner genau wie der Riesling, wenn er die Leidenschaft und Hingabe bekommt, die er braucht. Wir kennen das aus Franken. Der 2021er war der letzte singulär erschienene Jahrgang, danach erscheint der Wein nur noch als Solera-System wie der Steiner Riesling – in 2024 also als Solera der Jahrgänge 2020 bis 2023. Wir gehen hier zwar aromatisch schon in die Naturwein-Welt hinein, mit Teeblätter, erdigem Pu Erh, eingemachten Quitten, Algen und salzigen Erdnüssen. Erinnert ein wenig an Kombucha mit dieser Tee-Aromatik und auch im Mund geht die kräuterig-säuerliche Auslegung in diese Richtung. Totale Ruhe und Eleganz, aber natürlich als naturige Nummer. Feine Kräuterigkeit gesellt sich zur gelbwürzigen Frucht. Durch die Florhefe, die leicht oxidativen Elemente, die flintige Reduktion, die grasig-kräuterigen und zitrischen Aromen ist das Ganze schon eine sehr komplexe Geschichte. Hier gibt es viel zu entdecken, trotz der eher puristischen Linie des Hauses. Es erinnert mich schon sehr an Savagnin aus dem Jura. Aber die Rebsorte Silvaner ist hier ohnehin nur das Werkzeug, um die herausragende Lage Hipping und den Freistil des Weinguts Schätzel auszudrücken. Ein großer Terroir-Wein, der nach Erde und Sommerregen schmeckt anstatt nach Obstkorb. Eigenständig und markant, mit viel Substanz und innerer Spannkraft für ein langes Leben.