Lobenberg: Die Kabinette Zillikens sind in der Jugend so leichtfüßig und filigran, dass man kaum glauben mag, dass sie auch Jahrzehnte halten können. Es ist zwar schwer diesem saftigen Trinkfluss in der Jugend zu widerstehen, aber wenn man mal das Glück hatte, ein 20 bis 30 Jahre altes Kabinett im Glas gehabt zu haben, der wird erleben welche Vielschichtigkeit aus diesen fast zerbrechlichen Weinen entstehen kann. Die Nase ist kühl und wirkt steiniger, hat mehr Mineralausdruck und Schiefernervigkeit als die tropisch heißen Jahre, ist wieder zurück in der alten Riesling-Klassik der 90er Jahre. Diese feuersteinige Finesse mit ganz milder Zitrusfrucht, Pfirsich, Orangenschale. Deutlich weniger expressiv als der daneben probierte Bockstein, leiser und filigraner, dadurch auch geheimnisvoller wirkend. Der Mund hat auch schwarze und weiße Johannisbeere auf der vibrierenden Säurespur, strahlend, fast stahlig in der Jugend. Aus dem Überjahr für süße Prädikate 2021, das eigentlich so kühl und nass war, hat das Rausch Kabinett eine ganz beachtliche Dichte erreicht. Finesse und Kraft, feste Struktur und doch ein pikanter Tanz auf der Zunge. Erinnert in der kühleren, reduktiveren, schlankeren Art ein bisschen an 2008 oder 2013. Großartig und definitiv ein Rausch Kabinett für den Keller. 95+/100
Mit den letzten Jahrgängen im Hinterkopf antizipierten die Winzer wie gewohnt einen eher trocken-warmen Witterungsverlauf. Doch 2021 machte recht schnell klar: nicht mit mir! Austrieb und Blüte waren bereits von ungewöhnlich nordisch-rauem Wetter begleitet und im Vergleich zu den Vorjahren »relativ spät« – im langjährigen Mittel also quasi normal. Die meisten deutschen Weinberge blieben von Frost verschont. Die recht harsche Witterung sorgte jedoch nahezu überall für Ertragseinbußen durch die windige, verregnete und dadurch unregelmäßige Blütephase. Der darauffolgende Sommer brachte zunächst keineswegs die Wende. Dramatisch konzentrierte Sommerniederschläge setzten der vorherigen Trilogie der heiß-trockenen Jahre ein jähes Ende und machten den Pflanzenschutz 2021 zu einer Sisyphusarbeit. Die Topwinzer haben 2021 Marathondistanzen in den Weinbergen abgeleistet, um der Situation Herr zu werden. Durch den zusätzlich hohen Personaleinsatz ist es in der Produktion für viele eines der teuersten Jahre aller Zeiten. Ein Glück, dass der Riesling als adaptierte Nord-Rebe stoisch in Wind und Wetter steht wie ein Islandpferd. Denn im Grunde wurde im Herbst immer klarer: Wenn man im Sommer richtig Gas gegeben hat, konnte das noch ein unglaublich starker Jahrgang werden – und so kam es dann auch. Nach diesem echten Cool-Climate-Sommer, der bis Ende August anhielt, retteten der September und ein Goldener Oktober den Weinjahrgang dann fast im Alleingang. Ein stabiles Hoch über Mittel- und Osteuropa sorgt für dieses seit Jahrhunderten bekannte Phänomen. Die Sonnenscheindauer ist gegen Oktober mit noch immer über 10 Stunden sehr hoch, dafür ist die Tag-Nacht-Amplitude schon viel ausgeprägter als noch im August. Da die Nächte länger werden, kann die Luft in Bodennähe stärker auskühlen. Das sorgt für eine langsame Ausreifung bei langer Hangzeit am Stock und trotzdem stabil bleibenden Säuren. Gerade der Riesling liebt das besonders, aber auch die Burgundersorten brillieren mit kühler Frische. Denn 2021 ist ein so spannendes, krachendes und zugleich kristallines Weißwein-Jahr, wie wir es lange nicht mehr hatten. Wer keine Angst vor berauschender Frische hat und sich gerne von hoher Spannung aus der Kurve tragen lässt, der wird mit 2021 seine größte Freude haben. Alle anderen sollten sich besser an die gar nicht so unähnlich gebauten, aber etwas freundlicheren 2020er halten.