Lobenberg: Der Bürgstadter Berg zieht sich ins Erftal hinein, was ein kühleres Seitental des Maintals ist. Das kleine Flüsschen zieht sich vor Centgrafenberg und Hundsrück entlang. Hier ist es kühler als am Hang in Klingenberg. Dieser Wein kommt komplett aus Hanglagen. Fürst arbeitet bei den Spätburgundern mit einer »Vormazeration«. Die unentrappten, völlig intakten Trauben werden in die Bütt gelegt und mit Kühlplatten auf eine niedrigere Temperatur gebracht, dass sie nicht so schnell in die Gärung schießen. Danach wird das möglichst vorsichtig Entrappte darüber geschichtet, aber nicht angequetscht. Dann wird die Kühlung entfernt und Stück für Stück beginnt die Gärung. Es wird die ersten acht bis zehn Tage überhaupt nicht gestampft, d.h. wir haben eine Vergärung in der teilweise ganze, intakte Beeren heile verbleiben bis zur Pressung. Zwischendurch wird dann allerdings auch mit einem Stößel untergestoßen. Wir haben also eine Kombination aus teilweiser Maceration Carbonique innerhalb der Beeren und gleichzeitig einen oxidativeren Ansatz. Das gibt eine größere Vielschichtigkeit und eine größere Fruchtstärke. Rund 30 Prozent Ganztrauben in der Ersten Lage. Der Unterschied von der Ersten Lage zum Bürgstadter Ortswein ist, dass dieser Wein hier nur aus den Grands Crus von Bürgstadt stammt. Und das spürt man definitiv, denn wenn man die Range von unten hoch probiert wird es hier jetzt richtig intensiv. Eine wunderschöne, kühle Frucht. Dunkelrote Waldbeeren, Holunderbeere, Cassis, süße Herzkirsche, Rosmarinzweig. Der Mund ist so unglaublich fein und geschmeidig. Die Tannine reinster Samt. So hohe Spannung im Mund, dass man die Augen zusammenzieht, dennoch ist es kein Jahr für Säurefreaks hier, dafür ist es viel zu fein und zart. Es ist kein 2010, aber es hat gewaltig viel Spannung. 2021 war zwar ein kühles, aber kein hartes Jahr. Das ist einfach eine Ode an die Freude. 95+/100
Mit den letzten Jahrgängen im Hinterkopf antizipierten die Winzer wie gewohnt einen eher trocken-warmen Witterungsverlauf. Doch 2021 machte recht schnell klar: nicht mit mir! Austrieb und Blüte waren bereits von ungewöhnlich nordisch-rauem Wetter begleitet und im Vergleich zu den Vorjahren »relativ spät« – im langjährigen Mittel also quasi normal. Die meisten deutschen Weinberge blieben von Frost verschont. Die recht harsche Witterung sorgte jedoch nahezu überall für Ertragseinbußen durch die windige, verregnete und dadurch unregelmäßige Blütephase. Der darauffolgende Sommer brachte zunächst keineswegs die Wende. Dramatisch konzentrierte Sommerniederschläge setzten der vorherigen Trilogie der heiß-trockenen Jahre ein jähes Ende und machten den Pflanzenschutz 2021 zu einer Sisyphusarbeit. Die Topwinzer haben 2021 Marathondistanzen in den Weinbergen abgeleistet, um der Situation Herr zu werden. Durch den zusätzlich hohen Personaleinsatz ist es in der Produktion für viele eines der teuersten Jahre aller Zeiten. Ein Glück, dass der Riesling als adaptierte Nord-Rebe stoisch in Wind und Wetter steht wie ein Islandpferd. Denn im Grunde wurde im Herbst immer klarer: Wenn man im Sommer richtig Gas gegeben hat, konnte das noch ein unglaublich starker Jahrgang werden – und so kam es dann auch. Nach diesem echten Cool-Climate-Sommer, der bis Ende August anhielt, retteten der September und ein Goldener Oktober den Weinjahrgang dann fast im Alleingang. Ein stabiles Hoch über Mittel- und Osteuropa sorgt für dieses seit Jahrhunderten bekannte Phänomen. Die Sonnenscheindauer ist gegen Oktober mit noch immer über 10 Stunden sehr hoch, dafür ist die Tag-Nacht-Amplitude schon viel ausgeprägter als noch im August. Da die Nächte länger werden, kann die Luft in Bodennähe stärker auskühlen. Das sorgt für eine langsame Ausreifung bei langer Hangzeit am Stock und trotzdem stabil bleibenden Säuren. Gerade der Riesling liebt das besonders, aber auch die Burgundersorten brillieren mit kühler Frische. Denn 2021 ist ein so spannendes, krachendes und zugleich kristallines Weißwein-Jahr, wie wir es lange nicht mehr hatten. Wer keine Angst vor berauschender Frische hat und sich gerne von hoher Spannung aus der Kurve tragen lässt, der wird mit 2021 seine größte Freude haben. Alle anderen sollten sich besser an die gar nicht so unähnlich gebauten, aber etwas freundlicheren 2020er halten.