Lobenberg: In den Kallstadter Spätburgunder fließen traditionell die jüngeren Anlagen sowie abgestufte Fässer aus den GG-Parzellen des Saumagens (etwa 70 %) und ein kleinerer Teil aus dem Steinacker. Wir sprechen hier also schon von einem großen Schritt im Vergleich zum Gutswein. Ein echter »Village« im besten burgundischen Sinn – einem Zweitwein aus zwei renommierten Lagen, der mehr Charakter und Herkunft mitbringt, als man in dieser Kategorie oft erwartet. Gerade in 2023 zeigt sich das mit beeindruckender Klarheit. Der Jahrgang war insbesondere im Weinberg alles andere als ein Selbstläufer: Ein heißes, gleichzeitig nasses Jahr mit hohem Selektionsaufwand, fast schon wie 2006 – anspruchsvoll und mit viel Handarbeit verbunden. Doch die Mühe hat sich gelohnt, denn die Weine sind zartfruchtig, elegant und dennoch mit einer unheimlichen, inneren Dichte ausgestattet. Genau das macht den Kallstadter in diesem Jahr besonders spannend: Er bringt die feine Frucht und Frische des Jahrgangs mit, ohne dabei an Tiefe zu verlieren. In der Nase zeigt sich sofort diese Offenheit, die den 2023er von vielen Vorgängern abhebt. Weniger Reduktion, keine verschlossene Rauchigkeit. Stattdessen strahlt die Frucht direkt und charmant. Sauerkirsche, rote Johannisbeere, ein Hauch Walderdbeere, dazu florale Noten von Hagebutte und etwas Veilchen. Alles fein verwoben, leichtfüßig, aber nie beliebig. Etwas dunkles Gestein, zarte Kräuterwürze und ein Anflug von Holzrahmung geben Struktur, ohne den Wein je zu beschweren. Am Gaumen wirkt dieser Pinot fast schwebend. Die Frucht ist saftig und präsent, die Tannine sind reif und seidig, die Textur kühl und geschliffen. Kein bisschen wuchtig oder kraftvoll geballt wie 2022 – und genau das gefällt mir persönlich sogar noch ein wenig besser. Der 2023er ist sofort zugänglich, macht jetzt schon enorm viel Freude, ohne an Komplexität einzubüßen. Die kalkige Mineralität baut sich langsam auf, zieht sich vibrierend durch den Wein und verleiht ihm Länge, Tiefe und eine fast salzige Energie. Das ist die berühmte Faust im Samthandschuh – sanft im Auftreten, aber mit echtem Druck im Kern. Der Kallstadter 2023 ist nicht nur ein Ortswein mit Anspruch, er ist ein ernsthafter Pinot, der zeigt, wie fein, präzise und elegant deutscher Spätburgunder heute sein kann. Ein Village mit Größe – und eben jetzt schon ein Vergnügen im Glas.