Lobenberg: Morstein ist eine kühle Lage auf 250 Metern Höhe. Der untere und mittlere Teil besteht aus reinem Kalkstein. Kalk- und Tonmergel auf einem Kalksteinfels, ist also entsprechend einer Mischung aus Eleganz und Power. Durch die Lage, die sich über verschiedene Höhen zieht und die Windoffenheit hat der Morstein sowohl warme als auch kühlere Ecken. Grundsätzlich hat Philipp Wittmann drei Parzellen hier, die sich je nach Jahr sehr unterschiedlich präsentieren können. Ein absolutes Kernstück und zwei darumliegende, die aber nicht direkt angrenzend sind. In 2021 ist das GG ausschließlich aus dem reinen Kernstück. Philipp sieht hier in diesem Wein alles, was sein absolutes Lieblingsjahr 2002 hatte. Alle Elemente sind da. Er wird eine große Entwicklung nehmen. Laut Philipp muss man im Morstein jede Rebe beim Vornamen kennen, um dieser hohen Komplexität der Lage ausreichend Herr zu werden. Die Nase ist ein kühles Zitrus-Roulette, Kalksteinstaub, Graphitmineral, fast Bleistiftabrieb, Tonicwater, der Morstein gibt etwas dem Kirchspiel die Hand in 2021 mit dieser extrem kühlen, totalen Steinauslegung. Der Morstein war vielleicht lange nicht mehr so straight und kühl in seinem Ausdruck, wirkt fast wild aktuell. Höchst faszinierend, für mich einer der spannendsten Morsteine der letzten Jahre, weil er so viel mitbringt und doch so kühl und angenehm schlank daherkommt. Die Wildheit steht dem Morstein mega-gut! 97-100/100
Mit den letzten Jahrgängen im Hinterkopf antizipierten die Winzer wie gewohnt einen eher trocken-warmen Witterungsverlauf. Doch 2021 machte recht schnell klar: nicht mit mir! Austrieb und Blüte waren bereits von ungewöhnlich nordisch-rauem Wetter begleitet und im Vergleich zu den Vorjahren »relativ spät« – im langjährigen Mittel also quasi normal. Die meisten deutschen Weinberge blieben von Frost verschont. Die recht harsche Witterung sorgte jedoch nahezu überall für Ertragseinbußen durch die windige, verregnete und dadurch unregelmäßige Blütephase. Der darauffolgende Sommer brachte zunächst keineswegs die Wende. Dramatisch konzentrierte Sommerniederschläge setzten der vorherigen Trilogie der heiß-trockenen Jahre ein jähes Ende und machten den Pflanzenschutz 2021 zu einer Sisyphusarbeit. Die Topwinzer haben 2021 Marathondistanzen in den Weinbergen abgeleistet, um der Situation Herr zu werden. Durch den zusätzlich hohen Personaleinsatz ist es in der Produktion für viele eines der teuersten Jahre aller Zeiten. Ein Glück, dass der Riesling als adaptierte Nord-Rebe stoisch in Wind und Wetter steht wie ein Islandpferd. Denn im Grunde wurde im Herbst immer klarer: Wenn man im Sommer richtig Gas gegeben hat, konnte das noch ein unglaublich starker Jahrgang werden – und so kam es dann auch. Nach diesem echten Cool-Climate-Sommer, der bis Ende August anhielt, retteten der September und ein Goldener Oktober den Weinjahrgang dann fast im Alleingang. Ein stabiles Hoch über Mittel- und Osteuropa sorgt für dieses seit Jahrhunderten bekannte Phänomen. Die Sonnenscheindauer ist gegen Oktober mit noch immer über 10 Stunden sehr hoch, dafür ist die Tag-Nacht-Amplitude schon viel ausgeprägter als noch im August. Da die Nächte länger werden, kann die Luft in Bodennähe stärker auskühlen. Das sorgt für eine langsame Ausreifung bei langer Hangzeit am Stock und trotzdem stabil bleibenden Säuren. Gerade der Riesling liebt das besonders, aber auch die Burgundersorten brillieren mit kühler Frische. Denn 2021 ist ein so spannendes, krachendes und zugleich kristallines Weißwein-Jahr, wie wir es lange nicht mehr hatten. Wer keine Angst vor berauschender Frische hat und sich gerne von hoher Spannung aus der Kurve tragen lässt, der wird mit 2021 seine größte Freude haben. Alle anderen sollten sich besser an die gar nicht so unähnlich gebauten, aber etwas freundlicheren 2020er halten.