Lobenberg: Hier wird sehr traditionell mit langem Hefelager und Spontangärung im Moselfuder gearbeitet. Das sorgt für eine Balance, Rundheit und Harmonie, wie sie an der Mosel nur selten zu finden ist. Die Reben sind 70 bis 90 Jahre alt und stehen im Kernbereich, dem absoluten Filetstück der Sonnenuhr. Allerbestes Terroir. Der Wein ist mit klassischen 45 bis 50 Gramm Restzucker angelegt und weit im zweistelligen Bereich der Säuren. Ganz traditionell gearteter Mosel-Kabinett, oldschool im besten Sinn. Die Frucht ist so ultrafein und schwebend, dass es nur die Sonnenuhr sein kann. Direkt beim ersten Hineinriechen wird das klar. Duftige, zarte Aprikose, Flieder, Apfelblüte, vielleicht ein winziger Anflug von Lakritze. Kristallklar und transparent in seiner feinwürzigen, feingliedrigen Silhouette, obwohl die Konzentration schon immens ist. Der Mund ist der Hammer, weil der Wein so irre viel Zug hat. Die Trinkgeschwindigkeit ist immens, die Flasche leer sich von selbst. Dabei gibt es ja leider immer zu wenig von diesem Stoff aus den uralten Reben. Zugleich hat er aber eine hohe aromatische und mineralische Intensität, die sich völlig ohne Schwere oder Wucht ausdrückt. Die Säuren geben den Beat vor, sind schon einschneidend und kernig, aber es ist so feinziseliert in diese Struktur integriert, dass man es im Kopf nur schwer zusammen bekommen. Wie kann diese irre Säurefrische und die berstende Salzigkeit so fein daherkommen?! Muss man probiert haben, um es zu glauben. 96+/100
Mit den letzten Jahrgängen im Hinterkopf antizipierten die Winzer wie gewohnt einen eher trocken-warmen Witterungsverlauf. Doch 2021 machte recht schnell klar: nicht mit mir! Austrieb und Blüte waren bereits von ungewöhnlich nordisch-rauem Wetter begleitet und im Vergleich zu den Vorjahren »relativ spät« – im langjährigen Mittel also quasi normal. Die meisten deutschen Weinberge blieben von Frost verschont. Die recht harsche Witterung sorgte jedoch nahezu überall für Ertragseinbußen durch die windige, verregnete und dadurch unregelmäßige Blütephase. Der darauffolgende Sommer brachte zunächst keineswegs die Wende. Dramatisch konzentrierte Sommerniederschläge setzten der vorherigen Trilogie der heiß-trockenen Jahre ein jähes Ende und machten den Pflanzenschutz 2021 zu einer Sisyphusarbeit. Die Topwinzer haben 2021 Marathondistanzen in den Weinbergen abgeleistet, um der Situation Herr zu werden. Durch den zusätzlich hohen Personaleinsatz ist es in der Produktion für viele eines der teuersten Jahre aller Zeiten. Ein Glück, dass der Riesling als adaptierte Nord-Rebe stoisch in Wind und Wetter steht wie ein Islandpferd. Denn im Grunde wurde im Herbst immer klarer: Wenn man im Sommer richtig Gas gegeben hat, konnte das noch ein unglaublich starker Jahrgang werden – und so kam es dann auch. Nach diesem echten Cool-Climate-Sommer, der bis Ende August anhielt, retteten der September und ein Goldener Oktober den Weinjahrgang dann fast im Alleingang. Ein stabiles Hoch über Mittel- und Osteuropa sorgt für dieses seit Jahrhunderten bekannte Phänomen. Die Sonnenscheindauer ist gegen Oktober mit noch immer über 10 Stunden sehr hoch, dafür ist die Tag-Nacht-Amplitude schon viel ausgeprägter als noch im August. Da die Nächte länger werden, kann die Luft in Bodennähe stärker auskühlen. Das sorgt für eine langsame Ausreifung bei langer Hangzeit am Stock und trotzdem stabil bleibenden Säuren. Gerade der Riesling liebt das besonders, aber auch die Burgundersorten brillieren mit kühler Frische. Denn 2021 ist ein so spannendes, krachendes und zugleich kristallines Weißwein-Jahr, wie wir es lange nicht mehr hatten. Wer keine Angst vor berauschender Frische hat und sich gerne von hoher Spannung aus der Kurve tragen lässt, der wird mit 2021 seine größte Freude haben. Alle anderen sollten sich besser an die gar nicht so unähnlich gebauten, aber etwas freundlicheren 2020er halten.