Lobenberg: Ein grauer Devonschiefer und extrem hohe Quarzitgehalte. Quartz ist eines der härtesten Gesteinsarten und wurde von der Mosel kaum abgetragen. Dadurch ist der Boden einer der steinigsten überhaupt. Zudem ist es der zweitsteilste Weinberg an der Mosel, nach dem Bremmer Calmont. Familie Loewen übernahm den Weinberg 1998 und machte 10 Jahre lang nur restsüße Weine aus dieser Lage, weil sie Angst vor der extremen Säure dieses Weinbergs hatten. Ritsch hat immer so immensen Säurezug und schlanken Druck, dass es für einen trockenen Wein fast zu heftig ist. Nach 10 Jahren ohne Dünger und mit sehr vorsichtigem biologischem Weinbau, erreichten die Trauben dann aber ein Level, dass sie bei später Lese doch so gebändigte Säurestrukturen erreichen, um einen großen trockenen und auch noch fein trinkbaren Wein zu erzeugen. Man will ja nicht von der Mineralität überwältigt werden, was beim Ritsch leicht der Fall sein kann. Das Ritsch wurde eine Woche nach dem Maximin Herrenberg gelesen, wirkt aber dennoch viel kühler und steinbetonter in der Nase. Die Lage ermöglicht eben eine extrem späte, ausgedehnte Lese und erhält sich immer diese pikante Säurespur, dass es nie überreif schmecken kann. Das ist schon einzigartig und eine Riesenchance einen so filigranen und dennoch intensiv mineralischen, einschneidenden Wein zu keltern. Ritsch ergibt die puristischsten, elegantesten und filigransten Weine, laut Christopher Loewen in jedem Jahrgang. Ritsch ist so puristisch und klar, läuft auf ganz feiner weißer Frucht mit schlanken gelbfruchtigen Adern. Schießt geradeaus wie ein Pfeil, intensiv, vibrierend, tiefgreifend salzig, karg und abweisend. Ritsch nimmt einen nicht in den Arm, man muss sich dem Wein langsam nähern, immer wieder hineinriechen, reinschmecken, die Nuancen und die Feinheiten erleben. Ganz zart und filigran, aber doch auch sehr intensiv. Der Wein wurde in viertbelegung im Fuder ausgebaut, das gibt ihm nochmal eine ganz leichten Schmelz, den dieser Ritsch gut vertragen kann. Hochfein. Sicher der intelektuellste und anspruchsvollste Riesling bei Loewen, aber vielleicht auch der Größte neben dem völlig anderen 1896. Ritsch 2021 ist ein Wahnsinn. 97-100/100
Mit den letzten Jahrgängen im Hinterkopf antizipierten die Winzer wie gewohnt einen eher trocken-warmen Witterungsverlauf. Doch 2021 machte recht schnell klar: nicht mit mir! Austrieb und Blüte waren bereits von ungewöhnlich nordisch-rauem Wetter begleitet und im Vergleich zu den Vorjahren »relativ spät« – im langjährigen Mittel also quasi normal. Die meisten deutschen Weinberge blieben von Frost verschont. Die recht harsche Witterung sorgte jedoch nahezu überall für Ertragseinbußen durch die windige, verregnete und dadurch unregelmäßige Blütephase. Der darauffolgende Sommer brachte zunächst keineswegs die Wende. Dramatisch konzentrierte Sommerniederschläge setzten der vorherigen Trilogie der heiß-trockenen Jahre ein jähes Ende und machten den Pflanzenschutz 2021 zu einer Sisyphusarbeit. Die Topwinzer haben 2021 Marathondistanzen in den Weinbergen abgeleistet, um der Situation Herr zu werden. Durch den zusätzlich hohen Personaleinsatz ist es in der Produktion für viele eines der teuersten Jahre aller Zeiten. Ein Glück, dass der Riesling als adaptierte Nord-Rebe stoisch in Wind und Wetter steht wie ein Islandpferd. Denn im Grunde wurde im Herbst immer klarer: Wenn man im Sommer richtig Gas gegeben hat, konnte das noch ein unglaublich starker Jahrgang werden – und so kam es dann auch. Nach diesem echten Cool-Climate-Sommer, der bis Ende August anhielt, retteten der September und ein Goldener Oktober den Weinjahrgang dann fast im Alleingang. Ein stabiles Hoch über Mittel- und Osteuropa sorgt für dieses seit Jahrhunderten bekannte Phänomen. Die Sonnenscheindauer ist gegen Oktober mit noch immer über 10 Stunden sehr hoch, dafür ist die Tag-Nacht-Amplitude schon viel ausgeprägter als noch im August. Da die Nächte länger werden, kann die Luft in Bodennähe stärker auskühlen. Das sorgt für eine langsame Ausreifung bei langer Hangzeit am Stock und trotzdem stabil bleibenden Säuren. Gerade der Riesling liebt das besonders, aber auch die Burgundersorten brillieren mit kühler Frische. Denn 2021 ist ein so spannendes, krachendes und zugleich kristallines Weißwein-Jahr, wie wir es lange nicht mehr hatten. Wer keine Angst vor berauschender Frische hat und sich gerne von hoher Spannung aus der Kurve tragen lässt, der wird mit 2021 seine größte Freude haben. Alle anderen sollten sich besser an die gar nicht so unähnlich gebauten, aber etwas freundlicheren 2020er halten.