Lobenberg: Alles Anfang der 1980er gepflanzt, also an die 40 Jahre alt jetzt. Das Pettenthal ist stark südlich exponiert, da muss Kai immer extrem aufpassen, dass die Schalen nicht zu viel Sonne abbekommen. Kai sagt, wenn die Trauben Sonnenbrand bekommen, verwendet er sie nicht mehr für die GGs, weil es ihm zu birnig und breit im Aroma wird. Deshalb arbeitet er mit extrem starker Beschattung durch die Laubwand. Abgepresst und mit Dreck und Speck, also dem gesamten Trub, spontan im Stückfass vergoren. Modell »schmutziger Kai«, das ist mutig und groß. Es ist hier nur ein ganz kleiner Wink mit dem Zaunpfahl in Richtung Naturwein, hier sind einige komplett ungeschwefelte Fässer drin. Kai muss zugeben, dass in diesem Wein wahrscheinlich seine meiste gedankliche und auch physische Arbeit steckt. Hier wird so viel selektiert und gespielt mit den einzelnen Partien. Es ist ein Gesamtkonzept, dass von der ersten Sekunde des Jahres im Weinberg bis zum fertigen Wein in der Flasche in Kais perfektionistischer, freigeistiger Vorstellung von großem Riesling vom Roten Hang entsteht. Und Pettenthal ist einfach die Champions League in Rheinhessen, jeder schaut auf diesen Wein, wenn man hier Parzellen hat. Glockenklare, geradezu kristalline Nase, so dicht und verwoben, fast monumental in seiner Art. Die Nase ist so vielschichtig, dass man irre wird. Man kann sich Minuten nur mit der Nase beschäftigen. Salzige Aprikose, Aprikosenkerne, herbwürzige Quittenschale, Zitronengras und Grapefruit. Auch Fleur de Sel und Alge darunter. Hochkomplex, voller Spiel und Spannung. Die Tiefe in der Nase ist schon berauschend, man meint da geht nicht mehr, bis der Mund kommt. Und wo man in der Nase noch auf einer sphärischen, ätherischen Kräuter-Salz-Gesteinswolke schwebt, wird man im Mund einfach weggeblasen. Die Augen werden schmal und die Zunge rollt sich, ob dieser unglaublichen Intensität. Alles spannt und zieht, die Säure zieht sich wie ein Laserstrahl über den Gaumen, dann wird Salz nachgespült, Druck ohne Ende aus der tiefen, hochkonzentrierten, gelben Frucht. Wenn man diesen Wein probiert, dann erschließt sich die ganze Größe von Kai als genialem Winzer. Hier steckt so viel Mikro-Wissen in diesem Wein. Dieses ganze biodynamische Gesamtkonzept, das die Energie aus dem vitalen Weinberg in den Trauben konserviert und sich dann im Mund durch dieses GG entlädt. Ich bin überwältigt von diesem Wein. So viele Eindrücke. Die Lasersäure ist dermaßen mit purem Salz aufgeladen und dennoch samtig weich, null spitz oder angriffslustig, es ist nur fein und nuanciert. Man kann es kaum fassen. Fast cremig aus der immensen Extraktreichheit, tabakig, würzig, zitrisch, steinig, aber doch so fein, so energetisch, so druckvoll-mineralisch. So klar das Terroir des Roten Hangs mit dieser mineralisch unterfütterten und zugleich fast ölig-dichten Struktur. Ja, Kais Gesamtkonzept mit den ganzen Lernkurven, die er über die Jahre gemacht hat, mit seinem extrem Weinbau, seinen Naturweinen im Keller, seiner Offenheit gegenüber weinchemischen Prozessen. Und dennoch kann man es kaum greifen, es ist mehr eine emotionale Berührung, die hier passiert. Wenn man sich darauf einlassen kann, wird man verzaubert von diesem Wein. 100/100