Lobenberg: Alle Weine bekommen eine gewisse Maischestandzeit von ein paar Tagen, je nach Jahrgang. Dann wird nach sensorischer Probe, sobald die Phenolik anfängt die Aromatik zu verändern, schnell abgepresst und ohne Vorklärung in die Stückfässer gegeben und spontan vergoren. Komplett durchgegoren, knochentrocken. Die Nase ist hochverdichtet und sehr engmaschig verwoben. Witzigerweise hat das Pettenthal einen intensiven Kokosnussduft dieses Jahr, auch helle Lakritze, schwarze Olivenpaste, auch Olivenkerne, zeigt wie meist eher weniger Frucht, wirkt sehr seriös und ruhig. Diese Ruhe der Nase lässt ihn stets etwas frankophil wirken. Der Mund ist versammelt, kommt mit seidiger Textur, durchzogen von angerauter Salzigkeit. Immer neue Schichten von herbsaftigen Zitrusfrüchten entladen sich im Finale über der Zunge. Pettenthal hat eine ganze Dimension mehr als das Hipping GG aktuell, ist raumgreifend und vielschichtig. Puristisch, abgehoben, gewissermaßen unnahbar in der Jugend, wie das Pettenthal eben ist. Der Wein ist geheimnisvoll und dunkel, tief und ölig-dicht in seiner Struktur. Ein Pettenthal, das absolut in der ersten Reihe der Weine vom Roten Hang steht. Er hat nicht nur enorme Länge, rollt immer wieder den Gaumen hoch, sondern ist auch total poliert. Großer Stoff. 97-98+/100
Mit den letzten Jahrgängen im Hinterkopf antizipierten die Winzer wie gewohnt einen eher trocken-warmen Witterungsverlauf. Doch 2021 machte recht schnell klar: nicht mit mir! Austrieb und Blüte waren bereits von ungewöhnlich nordisch-rauem Wetter begleitet und im Vergleich zu den Vorjahren »relativ spät« – im langjährigen Mittel also quasi normal. Die meisten deutschen Weinberge blieben von Frost verschont. Die recht harsche Witterung sorgte jedoch nahezu überall für Ertragseinbußen durch die windige, verregnete und dadurch unregelmäßige Blütephase. Der darauffolgende Sommer brachte zunächst keineswegs die Wende. Dramatisch konzentrierte Sommerniederschläge setzten der vorherigen Trilogie der heiß-trockenen Jahre ein jähes Ende und machten den Pflanzenschutz 2021 zu einer Sisyphusarbeit. Die Topwinzer haben 2021 Marathondistanzen in den Weinbergen abgeleistet, um der Situation Herr zu werden. Durch den zusätzlich hohen Personaleinsatz ist es in der Produktion für viele eines der teuersten Jahre aller Zeiten. Ein Glück, dass der Riesling als adaptierte Nord-Rebe stoisch in Wind und Wetter steht wie ein Islandpferd. Denn im Grunde wurde im Herbst immer klarer: Wenn man im Sommer richtig Gas gegeben hat, konnte das noch ein unglaublich starker Jahrgang werden – und so kam es dann auch. Nach diesem echten Cool-Climate-Sommer, der bis Ende August anhielt, retteten der September und ein Goldener Oktober den Weinjahrgang dann fast im Alleingang. Ein stabiles Hoch über Mittel- und Osteuropa sorgt für dieses seit Jahrhunderten bekannte Phänomen. Die Sonnenscheindauer ist gegen Oktober mit noch immer über 10 Stunden sehr hoch, dafür ist die Tag-Nacht-Amplitude schon viel ausgeprägter als noch im August. Da die Nächte länger werden, kann die Luft in Bodennähe stärker auskühlen. Das sorgt für eine langsame Ausreifung bei langer Hangzeit am Stock und trotzdem stabil bleibenden Säuren. Gerade der Riesling liebt das besonders, aber auch die Burgundersorten brillieren mit kühler Frische. Denn 2021 ist ein so spannendes, krachendes und zugleich kristallines Weißwein-Jahr, wie wir es lange nicht mehr hatten. Wer keine Angst vor berauschender Frische hat und sich gerne von hoher Spannung aus der Kurve tragen lässt, der wird mit 2021 seine größte Freude haben. Alle anderen sollten sich besser an die gar nicht so unähnlich gebauten, aber etwas freundlicheren 2020er halten.