Lobenberg: Hier stehen die zweitältesten Reben von Breuer, gepflanzt in den 1960er Jahren. Vergärung und Ausbau im großen alten Holzfass, immer unberührt auf der Vollhefe bis zur Füllung. Sehr simpel, ein minimalistischer Ansatz. Der Wein ist gewissermaßen ein Zufallsprodukt, denn Theresa hat als sie 2019 die Lagen des Weingutes Altenkirch aus Lorch übernahm, nicht vorgehabt direkt einen Einzellagen-Wein zu füllen, aber dennoch hatten sich direkt im ersten Jahr die Trauben als würdiges Material gezeigt. Deshalb also seit letztem Jahr also einer neuer Lagenwein und mit dem 20er kommt jetzt die zweite Auflage. Im 2020er war noch ein größeres Spektrum der Lage abgebildet, in 2021 ist es wieder nur aus dem uralten Kernstück der Lange, recht weit unten am Fluss und an der Bahnlinie auf sehr kargem Schieferboden. Pfaffenwies zieht sich wie der Schlossberg vom Ufer unten bis an den Waldrand hoch, die Lage hat also in sich enorme Vielschichtigkeit der Böden und Kleinklimata, was Komplexität und Spiel in die Weine bringt. Im unteren Bereich dominiert der reinere Schiefer, weiter oben drückt sich immer mehr Quarzit in den Boden. Während der 2019er in Theresas Kontext etwas runder daherkam, war der 2020 wieder straffer, kristalliner. Mit 2021 schließen wir an die kristalline Feinheit und den schlanken Mineralausdruck von 2020 an. Zeigt initial nur wenig Frucht, wird von Feuerstein und Kreide beherrscht. Lorch ist ja im Grunde immer etwas weißfruchtiger und schlanker als der mittlere Rheingau. Der Wein ist vor allem im Mund so klirrend mineralisch und schlank gebaut, hat dennoch eine satte Konzentration in der Mitte. Aber der Gesteinsausdruck dominiert, die Frucht bleibt zurückhaltend und hell. Ein Athlet, sehnig, straff und doch voller Kraft und Spannung. Theresas Stil ist straight, bodenbetont und sehr frisch, da war es nicht nur ein völlig logischer Schritt auch nach Lorch zu gehen, sondern es ist auch ein riesiges Glück für uns Trinker, dass sie das getan hat. Denn das passt so gut und Lorch ist eines der spannendsten Terroirs am Rhein, so ein bisschen Wild West abseits vom Mainstream. 97/100
Mit den letzten Jahrgängen im Hinterkopf antizipierten die Winzer wie gewohnt einen eher trocken-warmen Witterungsverlauf. Doch 2021 machte recht schnell klar: nicht mit mir! Austrieb und Blüte waren bereits von ungewöhnlich nordisch-rauem Wetter begleitet und im Vergleich zu den Vorjahren »relativ spät« – im langjährigen Mittel also quasi normal. Die meisten deutschen Weinberge blieben von Frost verschont. Die recht harsche Witterung sorgte jedoch nahezu überall für Ertragseinbußen durch die windige, verregnete und dadurch unregelmäßige Blütephase. Der darauffolgende Sommer brachte zunächst keineswegs die Wende. Dramatisch konzentrierte Sommerniederschläge setzten der vorherigen Trilogie der heiß-trockenen Jahre ein jähes Ende und machten den Pflanzenschutz 2021 zu einer Sisyphusarbeit. Die Topwinzer haben 2021 Marathondistanzen in den Weinbergen abgeleistet, um der Situation Herr zu werden. Durch den zusätzlich hohen Personaleinsatz ist es in der Produktion für viele eines der teuersten Jahre aller Zeiten. Ein Glück, dass der Riesling als adaptierte Nord-Rebe stoisch in Wind und Wetter steht wie ein Islandpferd. Denn im Grunde wurde im Herbst immer klarer: Wenn man im Sommer richtig Gas gegeben hat, konnte das noch ein unglaublich starker Jahrgang werden – und so kam es dann auch. Nach diesem echten Cool-Climate-Sommer, der bis Ende August anhielt, retteten der September und ein Goldener Oktober den Weinjahrgang dann fast im Alleingang. Ein stabiles Hoch über Mittel- und Osteuropa sorgt für dieses seit Jahrhunderten bekannte Phänomen. Die Sonnenscheindauer ist gegen Oktober mit noch immer über 10 Stunden sehr hoch, dafür ist die Tag-Nacht-Amplitude schon viel ausgeprägter als noch im August. Da die Nächte länger werden, kann die Luft in Bodennähe stärker auskühlen. Das sorgt für eine langsame Ausreifung bei langer Hangzeit am Stock und trotzdem stabil bleibenden Säuren. Gerade der Riesling liebt das besonders, aber auch die Burgundersorten brillieren mit kühler Frische. Denn 2021 ist ein so spannendes, krachendes und zugleich kristallines Weißwein-Jahr, wie wir es lange nicht mehr hatten. Wer keine Angst vor berauschender Frische hat und sich gerne von hoher Spannung aus der Kurve tragen lässt, der wird mit 2021 seine größte Freude haben. Alle anderen sollten sich besser an die gar nicht so unähnlich gebauten, aber etwas freundlicheren 2020er halten.