Lobenberg: Alle Großen Gewächse werden hier in bis zu sechs Lesedurchgängen, jeweils im goldgelben Reifezustand geerntet, mindestens aber drei Durchgänge pro Weinberg. Nichts wird zu lange hängen gelassen. Überreife kommt hier gar nicht ins Haus, sonst könnte Kai auch nicht diese extrem niedrigen Alkoholgrade von 11.5% vol. in den GGs halten Es muss total on point gelesen werden. Die Trauben werden mit den Füßen eingemaischt, was die Rappen völlig unverletzt lässt und somit werden auch keine grünen Gerbstoffe extrahiert. Dann steht es einige Tage unter Trockeneis auf der Maische. Es wird hier nicht geschwefelt – das erfolgt erst kurz vor der Füllung, manche Partien bleiben sogar ungeschwefelt, wenn sie in Balance bleiben. Dies ist hier möglich, da der Keller kühl ist und weil Kai mit niedrigen pH-Werten arbeitet, somit besteht keine Gefahr. Schätzel kann man im Grunde nur mit einigen anderen Naturwinzern wie Peter Jakob Kühn im Rheingau oder Teschke, dem Silvaner-Winzer aus Rheinhessen, vergleichen. Aber er ist natürlich völlig anders als diese beiden, hat seinen ganz eigenen Plan entwickelt, den er über die Jahre mit seinen akribischen Erfahrungswerten so entwickelt hat, dass er heute genau steuern kann wo seine Weine hingehen. Selbst mit minimalem Schwefeleinsatz. Wenige arbeiten so präzise im Weinberg und im Keller, es ist immer ein Gesamtkonzept bei Kai. Der Wein ist so puristisch in der Nase. Stein, Salz, ganz viel florale Noten, sogar frische grünliche Noten, etwas Efeu, grüne Quitte. Ganz viel Stein und reifes Steinobst. Und wäre da nicht der explosive Fruchtmund würde man diesen Wein als karg beschreiben. Es ist schon wild und griffig im Mund, die Textur ist der Wahnsinn, wie rauer gelber Samt, der auf der Zunge vibriert. Wie ein wummernder Bass aus Mineralität. Aber dieses vom roten Stein kommende, explosive, fast rotfruchtige, drückende, mit einer unglaublichen Salzspur ins Extreme ziehende. Verbleibt lange im Mund und hinterlässt einen unglaublichen Eindruck aus dieser Aromenvielfalt. Was für ein Kracher, aber in totalem Charme. Bei aller Eleganz und einem Alkohol von gerade mal knapp 11.5% vol., die Phenolik und das Salz schaffen die Balance. Hipping braucht etwas mehr Zeit als der Ölberg in seiner teeigen Kräuterigkeit, die viel mehr Charme ausstrahlt. Dennoch weit von der zugenagelten Art früherer Tage entfernt. Es wirkt frankophiler, umarmender, schon etwas zahmer als früher. Kai ist angekommen auf einer Stabilität, was die Weine angeht, aber auch seine Ideen. Er hat ein sehr festes Bild von dem, was er tut, und das schmeckt man. Es ist immer noch ganz anders als nahezu alle anderen Rheinhessen GGs, schmeckt mehr nach Natur, man muss sich darauf einlassen können. Aber die Substanz ist da. Ein mutiger und berührender Wein. 97-98/100