Lobenberg: Tim Fröhlich einfach keine weichen Trauben während der Ernte möchte. Reif, aber sie müssen knackig bleiben. Und das Lesegut war perfekt reif dieses Jahr, die Trauben stramm und knackig, gefühlt sehr kühl. Tim war ausgesprochen zufrieden mit den Trauben, obwohl der Pflanzenschutz intensiv war. Wegen der guten Wasserversorgung sind die Spontis gut durchgegoren dieses Jahr. Der Jahrgang braucht weniger Restzucker als zunächst anzunehmen war. Trotz sehr prägnanter Säure und hammerharter Mineralität, die puristisch und satt daherkommt, haben die Weine eine gute innere Balance durch ihre Dichte und Substanz. Das in Monzingen gelegene Frühlingsplätzchen steht komplett auf rotem Schiefer. Mit die ältesten Reben, die Tim Fröhlich überhaupt hat – an die 60 Jahre. Aus dem steilsten Kernstück des Frühlingsplätzchens, sehr felsig. Tief unten hängende Trauben. 2012 hat er den Weinberg so umgestellt. Neue Pfähle, neue Drahtrahmen, Laubwand etwas weiter nach oben gezogen. Das Lesegut war perfekt reif dieses Jahr, die Trauben stramm und knackig, sehr kühl. Rotschiefer gibt ja immer etwas mehr Bumms dazu, geht etwas mehr in die Breite, auch wenn die Weine im Kern superfein sein können. Auch nicht so floral und duftig wie es an der Mosel ist, sondern hier an der Nahe durch die Quarzitadern ist es ernsthafter, kühler. Tim Fröhlichs Frühlingsplätzchen ist 2021 besonders pur und fein, sehr straight, angeflämmte Blüten, Tabak, Rotbuschtee, Himbeere. Die Säurestruktur kämpft mit der salzigen Puristik um die Vorherrschaft. Vorne kracht der Wein schon ordentlich, aber das Finale ist voller Finesse. Ein bisschen Kumquat taucht auf, dann wieder rauchig, sehr komplex und auf eine schwer zu begreifende Art balanciert. Für ein Frühlingsplätzchen ist dieser 2021 voll strahlender Mineralik und vor allem ungewöhnlich fein und rassig schlank. Die Festigkeit im Kern ist beachtlich. Die hohen Extrakte geben einen Schmelz und eine innere Dichte, die den schlanken 2021ern richtig Dampf verleihen und die pikante Frische komplett abfangen. Ein Jahrgang der fein ist und trotzdem ewig reifen kann wahrscheinlich. 96-98+/100
Mit den letzten Jahrgängen im Hinterkopf antizipierten die Winzer wie gewohnt einen eher trocken-warmen Witterungsverlauf. Doch 2021 machte recht schnell klar: nicht mit mir! Austrieb und Blüte waren bereits von ungewöhnlich nordisch-rauem Wetter begleitet und im Vergleich zu den Vorjahren »relativ spät« – im langjährigen Mittel also quasi normal. Die meisten deutschen Weinberge blieben von Frost verschont. Die recht harsche Witterung sorgte jedoch nahezu überall für Ertragseinbußen durch die windige, verregnete und dadurch unregelmäßige Blütephase. Der darauffolgende Sommer brachte zunächst keineswegs die Wende. Dramatisch konzentrierte Sommerniederschläge setzten der vorherigen Trilogie der heiß-trockenen Jahre ein jähes Ende und machten den Pflanzenschutz 2021 zu einer Sisyphusarbeit. Die Topwinzer haben 2021 Marathondistanzen in den Weinbergen abgeleistet, um der Situation Herr zu werden. Durch den zusätzlich hohen Personaleinsatz ist es in der Produktion für viele eines der teuersten Jahre aller Zeiten. Ein Glück, dass der Riesling als adaptierte Nord-Rebe stoisch in Wind und Wetter steht wie ein Islandpferd. Denn im Grunde wurde im Herbst immer klarer: Wenn man im Sommer richtig Gas gegeben hat, konnte das noch ein unglaublich starker Jahrgang werden – und so kam es dann auch. Nach diesem echten Cool-Climate-Sommer, der bis Ende August anhielt, retteten der September und ein Goldener Oktober den Weinjahrgang dann fast im Alleingang. Ein stabiles Hoch über Mittel- und Osteuropa sorgt für dieses seit Jahrhunderten bekannte Phänomen. Die Sonnenscheindauer ist gegen Oktober mit noch immer über 10 Stunden sehr hoch, dafür ist die Tag-Nacht-Amplitude schon viel ausgeprägter als noch im August. Da die Nächte länger werden, kann die Luft in Bodennähe stärker auskühlen. Das sorgt für eine langsame Ausreifung bei langer Hangzeit am Stock und trotzdem stabil bleibenden Säuren. Gerade der Riesling liebt das besonders, aber auch die Burgundersorten brillieren mit kühler Frische. Denn 2021 ist ein so spannendes, krachendes und zugleich kristallines Weißwein-Jahr, wie wir es lange nicht mehr hatten. Wer keine Angst vor berauschender Frische hat und sich gerne von hoher Spannung aus der Kurve tragen lässt, der wird mit 2021 seine größte Freude haben. Alle anderen sollten sich besser an die gar nicht so unähnlich gebauten, aber etwas freundlicheren 2020er halten.