Lobenberg: Der Weinberg liegt direkt gegenüber dem Kirchenstück. 30-40 Jahre alte Reben auf Löss, Ton und viel Basalt. Jetzt gerade aus dem Fass im Frühjahr mit dem Langenmorgen den schönsten Duft der Grands Crus von Bürklin. Jedes Jahr ist der Wechsel von den GC aus Deidesheim zu denen aus Forst ein Aha-Erlebnis. Die Aromenprofile werden total anders, die Weine werden ruhiger, erhabener, steiniger und zurückgenommener. Selbst beim expressiven Ungeheuer, das meist der lauteste GC aus Forst ist, kommt mehr Gestein und weniger Frucht als bei den Deidesheimer Lagen. Das Ungeheuer kommt mit satter Steinobstfrucht, Mirabelle, reife Amalfizitronen, weißer Pfirsich, Anis, Bauernbrotkruste, schwarzer und weißer Pfeffer. Im Forster Ungeheuer drückt der Feuerstein schon unglaublich, dunkel und unglaublich würzig. Der Mund ist aber ausgesprochen filigran und fein, gerade für das Ungeheuer. Die feuersteinige Mineralität kommt nochmal an der Zunge hochgerollt, selbst nachdem man den Wein lange runtergeschluckt hat. Tabak und Bienenwachs lassen fast an einen großen, sehr straighten Chenin Blanc von der Loire denken. Er schiebt, aber er ist nicht aufgeregt. Er ist kraftvoll, aber feinziseliert. Bürklin beherrscht dieses Spiel perfekt und gerade in den letzten Jahren geht das Gut für mich von Stärke zu Stärke. Immer wenn man meint es ginge nicht besser, setzen sie nochmal einen drauf. 97-99/100
Mit den letzten Jahrgängen im Hinterkopf antizipierten die Winzer wie gewohnt einen eher trocken-warmen Witterungsverlauf. Doch 2021 machte recht schnell klar: nicht mit mir! Austrieb und Blüte waren bereits von ungewöhnlich nordisch-rauem Wetter begleitet und im Vergleich zu den Vorjahren »relativ spät« – im langjährigen Mittel also quasi normal. Die meisten deutschen Weinberge blieben von Frost verschont. Die recht harsche Witterung sorgte jedoch nahezu überall für Ertragseinbußen durch die windige, verregnete und dadurch unregelmäßige Blütephase. Der darauffolgende Sommer brachte zunächst keineswegs die Wende. Dramatisch konzentrierte Sommerniederschläge setzten der vorherigen Trilogie der heiß-trockenen Jahre ein jähes Ende und machten den Pflanzenschutz 2021 zu einer Sisyphusarbeit. Die Topwinzer haben 2021 Marathondistanzen in den Weinbergen abgeleistet, um der Situation Herr zu werden. Durch den zusätzlich hohen Personaleinsatz ist es in der Produktion für viele eines der teuersten Jahre aller Zeiten. Ein Glück, dass der Riesling als adaptierte Nord-Rebe stoisch in Wind und Wetter steht wie ein Islandpferd. Denn im Grunde wurde im Herbst immer klarer: Wenn man im Sommer richtig Gas gegeben hat, konnte das noch ein unglaublich starker Jahrgang werden – und so kam es dann auch. Nach diesem echten Cool-Climate-Sommer, der bis Ende August anhielt, retteten der September und ein Goldener Oktober den Weinjahrgang dann fast im Alleingang. Ein stabiles Hoch über Mittel- und Osteuropa sorgt für dieses seit Jahrhunderten bekannte Phänomen. Die Sonnenscheindauer ist gegen Oktober mit noch immer über 10 Stunden sehr hoch, dafür ist die Tag-Nacht-Amplitude schon viel ausgeprägter als noch im August. Da die Nächte länger werden, kann die Luft in Bodennähe stärker auskühlen. Das sorgt für eine langsame Ausreifung bei langer Hangzeit am Stock und trotzdem stabil bleibenden Säuren. Gerade der Riesling liebt das besonders, aber auch die Burgundersorten brillieren mit kühler Frische. Denn 2021 ist ein so spannendes, krachendes und zugleich kristallines Weißwein-Jahr, wie wir es lange nicht mehr hatten. Wer keine Angst vor berauschender Frische hat und sich gerne von hoher Spannung aus der Kurve tragen lässt, der wird mit 2021 seine größte Freude haben. Alle anderen sollten sich besser an die gar nicht so unähnlich gebauten, aber etwas freundlicheren 2020er halten.