Lobenberg: Das System Kauffmann heißt biologische Bewirtschaftung, Handlese, Direktpressung, dann Ausbau im Stückfass. Sehr weit runtervergoren, wie es der Maßgabe von Mathieu Kauffmann entspricht. Tolle Nase, die neben total reifer, warmer Zitrusfrucht mit Grapefruit, Orangenschale und vollreifen sommerlichen Zitronen auch hellgelbes, zartes Steinobst anklingen lässt. Die enorme Dichte, die der lange Ausbau mit sehr viel Vollhefekontakt bringt, drückt sich schon in der Nase aus. Dann diese feine Frucht, Litschi, sanft, getragen, gelber Apfel, schlanke Zitrusfrucht, sehr saftig und mit kristalliner Salzigkeit im Kern. Diese ruhigere Handschrift von Matthieu passt ganz hervorragend zu der schlanken Ausdrucksweise des Karthäuserhofs. Es kommt die große Ruhe und Erhabenheit dazu, der Schmelz und die elsässische Gelassenheit, die dem feinnervigen und vibrierenden Ruwer-Riesling eine samtige Tiefe und Cremigkeit verleiht. Das ist eine ganz andere, eigene Art von Ruwer-Riesling und dennoch so klassisch Karthäuserhof. Die Mineralität ist da, das rotwürzige, fast an Eisen erinnernde, was den Karthäuserhof auszeichnet. Aber eben kein anstrengender Riesling, sondern ein eleganter Riesling, ein burgundischer Riesling mit hoher aromatischer Intensität. Keinerlei Bitterstoffe, sehr fein im Mund, clean und kristallin. Der Mund auch wieder mit Aprikose, Orange und Löffelbiskuit vom Holz, perfekte Vermählung. Wenn man weiß, dass Matthieu Kauffmann, ehemals Buhl, diesen kompletten Erstlingsjahrgang verantwortet, erkennt man sofort seine Handschrift. Der neue Karthäuserhofberg ist aufregend, die Ruwer trifft auf Pfalz, dieser Winzer ist einfach genial. 96-98/100
Mit den letzten Jahrgängen im Hinterkopf antizipierten die Winzer wie gewohnt einen eher trocken-warmen Witterungsverlauf. Doch 2021 machte recht schnell klar: nicht mit mir! Austrieb und Blüte waren bereits von ungewöhnlich nordisch-rauem Wetter begleitet und im Vergleich zu den Vorjahren »relativ spät« – im langjährigen Mittel also quasi normal. Die meisten deutschen Weinberge blieben von Frost verschont. Die recht harsche Witterung sorgte jedoch nahezu überall für Ertragseinbußen durch die windige, verregnete und dadurch unregelmäßige Blütephase. Der darauffolgende Sommer brachte zunächst keineswegs die Wende. Dramatisch konzentrierte Sommerniederschläge setzten der vorherigen Trilogie der heiß-trockenen Jahre ein jähes Ende und machten den Pflanzenschutz 2021 zu einer Sisyphusarbeit. Die Topwinzer haben 2021 Marathondistanzen in den Weinbergen abgeleistet, um der Situation Herr zu werden. Durch den zusätzlich hohen Personaleinsatz ist es in der Produktion für viele eines der teuersten Jahre aller Zeiten. Ein Glück, dass der Riesling als adaptierte Nord-Rebe stoisch in Wind und Wetter steht wie ein Islandpferd. Denn im Grunde wurde im Herbst immer klarer: Wenn man im Sommer richtig Gas gegeben hat, konnte das noch ein unglaublich starker Jahrgang werden – und so kam es dann auch. Nach diesem echten Cool-Climate-Sommer, der bis Ende August anhielt, retteten der September und ein Goldener Oktober den Weinjahrgang dann fast im Alleingang. Ein stabiles Hoch über Mittel- und Osteuropa sorgt für dieses seit Jahrhunderten bekannte Phänomen. Die Sonnenscheindauer ist gegen Oktober mit noch immer über 10 Stunden sehr hoch, dafür ist die Tag-Nacht-Amplitude schon viel ausgeprägter als noch im August. Da die Nächte länger werden, kann die Luft in Bodennähe stärker auskühlen. Das sorgt für eine langsame Ausreifung bei langer Hangzeit am Stock und trotzdem stabil bleibenden Säuren. Gerade der Riesling liebt das besonders, aber auch die Burgundersorten brillieren mit kühler Frische. Denn 2021 ist ein so spannendes, krachendes und zugleich kristallines Weißwein-Jahr, wie wir es lange nicht mehr hatten. Wer keine Angst vor berauschender Frische hat und sich gerne von hoher Spannung aus der Kurve tragen lässt, der wird mit 2021 seine größte Freude haben. Alle anderen sollten sich besser an die gar nicht so unähnlich gebauten, aber etwas freundlicheren 2020er halten.