Lobenberg: Hier haben wir die ältesten Reben der Kühns, über 50 Jahre alt. Der Weinberg liegt direkt am Rhein. Sand- und Quarzitböden. Die am frühesten reifende Lage überhaupt. Mit einer wahnsinnig schönen Luftzirkulation. Durch die Breite des Rheinstroms ist ständig Wind im Weinberg. Entsprechend ganz selten Fäulnisdruck. Aber die Reife auf diesen eleganten Böden macht aus dem Nikolaus im Grunde einen so überragend elegantes und vor allem sehr cremiges GG. Auch der Sankt Nikolaus wurde rund 4 Wochen später gelesen als in 2020, ein sehr spätreifendes Jahr wie früher. Der Sankt Nikolaus ist neben dem kräuterigen Doosberg in 2021 fast wie Tag und Nacht. Nikolaus ist so expressiv und exotisch, hat diese unglaublich leckere Maracuja in der Nase, die ich sehr mag, auch Grapefruit, reife Orangen, Nektarine. Eine Köstlichkeit in der Frucht! Dazu dieses zarte Hefepolster mit etwas Brioche und hellen Blüten. Der Mund ist explosiv, puh, hat das viel Zug und Pikanz. Die Zunge will sich einrollen so viel Salz und Maracujasäure schießt da durch. Rassig im Antrunk, aber dann kommt diese köstliche Gelbfruchtigkeit, die sich darüberlegt. Das ist schon eine grandiose Delikatesse dieser Sankt Nikolaus. Auch wenn die Aromatik sehr expressiv und krachend ist, bleibt er dennoch schlanker und säuregetriebener als in allen Vorjahren zuletzt. Sehr, sehr pikant, superfrisch und mit berauschender Frucht – das muss man mögen, ich finde es Weltklasse. 97-100/100
Mit den letzten Jahrgängen im Hinterkopf antizipierten die Winzer wie gewohnt einen eher trocken-warmen Witterungsverlauf. Doch 2021 machte recht schnell klar: nicht mit mir! Austrieb und Blüte waren bereits von ungewöhnlich nordisch-rauem Wetter begleitet und im Vergleich zu den Vorjahren »relativ spät« – im langjährigen Mittel also quasi normal. Die meisten deutschen Weinberge blieben von Frost verschont. Die recht harsche Witterung sorgte jedoch nahezu überall für Ertragseinbußen durch die windige, verregnete und dadurch unregelmäßige Blütephase. Der darauffolgende Sommer brachte zunächst keineswegs die Wende. Dramatisch konzentrierte Sommerniederschläge setzten der vorherigen Trilogie der heiß-trockenen Jahre ein jähes Ende und machten den Pflanzenschutz 2021 zu einer Sisyphusarbeit. Die Topwinzer haben 2021 Marathondistanzen in den Weinbergen abgeleistet, um der Situation Herr zu werden. Durch den zusätzlich hohen Personaleinsatz ist es in der Produktion für viele eines der teuersten Jahre aller Zeiten. Ein Glück, dass der Riesling als adaptierte Nord-Rebe stoisch in Wind und Wetter steht wie ein Islandpferd. Denn im Grunde wurde im Herbst immer klarer: Wenn man im Sommer richtig Gas gegeben hat, konnte das noch ein unglaublich starker Jahrgang werden – und so kam es dann auch. Nach diesem echten Cool-Climate-Sommer, der bis Ende August anhielt, retteten der September und ein Goldener Oktober den Weinjahrgang dann fast im Alleingang. Ein stabiles Hoch über Mittel- und Osteuropa sorgt für dieses seit Jahrhunderten bekannte Phänomen. Die Sonnenscheindauer ist gegen Oktober mit noch immer über 10 Stunden sehr hoch, dafür ist die Tag-Nacht-Amplitude schon viel ausgeprägter als noch im August. Da die Nächte länger werden, kann die Luft in Bodennähe stärker auskühlen. Das sorgt für eine langsame Ausreifung bei langer Hangzeit am Stock und trotzdem stabil bleibenden Säuren. Gerade der Riesling liebt das besonders, aber auch die Burgundersorten brillieren mit kühler Frische. Denn 2021 ist ein so spannendes, krachendes und zugleich kristallines Weißwein-Jahr, wie wir es lange nicht mehr hatten. Wer keine Angst vor berauschender Frische hat und sich gerne von hoher Spannung aus der Kurve tragen lässt, der wird mit 2021 seine größte Freude haben. Alle anderen sollten sich besser an die gar nicht so unähnlich gebauten, aber etwas freundlicheren 2020er halten.