Lobenberg: Wenn ein Winzer wie Karsten Peter ein Fass für sich selbst zur Seite stellt, dann darf man getrost von Ausnahme sprechen. Réserve du Famille – das ist kein Marketingschnörkel, sondern pures Understatement. 2024 ist das erste Jahr, in dem dieser geniale Einzelfasswein nun auch offiziell auf dem Etikett den Namen seiner Herkunft trägt: Hochbenn. Und zwar nicht irgendeine Parzelle, sondern die kalkigste, kühlste, charakterstärkste Stelle im alten Kernstück der Lage. Eine Gewann, die bereits in der bayerischen Klassifikation auf Augenhöhe mit dem Saumagen rangierte. Uralte Reben, winzige Erträge, die Trauben klein, aber hochkonzentriert. Der Jahrgang 2024 – kühl, präzise, auf den Punkt gelesen – kommt diesem Wein entgegen wie ein Mineralhammer: straff, glasklar, voller elektrisierender Spannung. Der Ausbau ist radikal puristisch. Ganztraubenpressung, ungeklärter Most, rein ins gebrauchte Holz. Keine Eingriffe, keine Korrekturen. Nur reduktives Handwerk, Ruhe, Zeit. Karsten nennt es »Dreck und Speck«. Was hier entsteht, ist ein Riesling, der die Kategorie Lagenwein dehnt, ein Ausnahmewein eben. In der Nase kommt der RdF zunächst ein Steinbruch bei Regen rüber. Kalter Kalk, nasser Feuerstein, zerriebene Muschelschale, ein Anflug von Jod, Austernschale, dazu sehr zestige Aromatik, grüner Tee, etwas Grapefruit und ein Hauch Ingwer. Alles wirkt unglaublich hell, fast gläsern. Keine üppige Frucht – dafür kristalline, geschliffene Aromen, wie aus einer anderen Klimazone. Leiser Rauch, Melisse, zerstoßene grüne Mandarine, sogar ein Hauch salzige Meeresbrise. Der Wein duftet nach Gestein, nicht nach Frucht. Nach Spannung, nicht nach Fülle. Am Gaumen dann das große Staunen. Der RdF ist kein Wein, der erzählt. Er flüstert auch nicht – er schlägt ein. Ein salziger Blitz, ein Vibrieren auf den Zungenrändern, glockenklare Säure, blitzsaubere Textur, zarte Gerbstoffe, vibrierende Kühle. Alles steht wie ein Pfeil. Zitrusfrucht in ihrer konzentriertesten Form – Limette, Amalfi-Zitrone, grüne Orange – trifft auf weißen Pfirsich, dann wieder Stein. Muschelschale, kalkiger Grip, ein Hauch Nussigkeit vom langen Hefelager. Und das Finale? Ein Crescendo aus Salzigkeit, Rauch, Frische, Länge. Minutenlang. Irre! Das ist ein Riesling auf absolutem Topniveau. Karsten Peter hat sich mit dem RdF 2024 selbst übertroffen. Ein Meisterstück von kühler Brillanz – und vielleicht der mineralischste Riesling, der je aus Bad Dürkheim kam. Enorm stark!
»Here comes the rain again…« – das Weinjahr 2024 war rasant und aufwühlend. Eine deutlich kühlere Vegetationsperiode mit wechselnden Regen- und Trockenphasen forderte die Winzer heraus. Der frühe Austrieb im April wurde von heftigen Spätfrösten abgelöst, die Ahr, Nahe, Nordbaden, Saar und Ruwer besonders hart trafen und zu teils dramatischen Ernteausfällen führten. Viel Manpower, bedingungsloser Einsatz und sorgfältige Selektion waren entscheidend. Die besten 2024er Weine zeigen eine bemerkenswerte Finesse mit überraschend viel Stoffigkeit und schlanker Kraft. Der kühlere Ausdruck erinnert an die präzisen Klassiker 2016, 2008, 2004 und 2002. Sie sind extrem klar gezeichnet und definiert und besitzen häufig mindestens ein Volumenprozent weniger Alkohol als die Vorjahre. Umso überraschender ist die Substanz und innere Dichte, die durch ausgiebige Sommerniederschläge und eine langsame Reifung bis in die kühlen Nächte der späten Lese ermöglicht wurde. Die Trauben erreichten enorm hohe Extraktwerte, die mit 2023 konkurrieren. »Die schönsten Aromen gedeihen im Schatten.« wie Florian Lauer immer sagt. Die Säuren sind »nordisch-straff« und vibrierend, aber reifer und weniger einschneidend als im “krachenden” 2021. Die Weine bieten eine genussvolle Cremigkeit, ohne ihr elektrisierendes Rückgrat zu verlieren. Der 2024er ist ein harmonischerer und feinerer Jahrgang als ebenfalls kühlere 2021, zudem ist es aromatisch in einem klassischeren und schlankeren Profil angesiedelt als die »Vollgas-2023er«. Bei vielen Weinen wurde ein Level erreicht, das mit dem Benchmark-Jahrgang 2023 mithalten kann, auch wenn die Mengen besonders bei den Großen Gewächsen teils sehr gering sind. Es gibt so viele wunderschöne, filigrane, saftig-dichte und auch richtig lecker-delikate Weine in diesem Jahr. Und das kann in dieser Leichtigkeit und finessenreichen, athletischen Form heute eben fast nur noch in Deutschland so geerntet werden. Franken glänzt mit exzellenten Silvanern mit kühlem Saft und eleganter Stoffigkeit. An Mosel-Saar-Ruwer wurde im restsüßen Bereich von Kabinett bis Auslese absolute Weltklasse geerntet, trotz mancherorts verheerender Frostschäden. Die Nahe glänzt 2024 nicht nur mit Riesling in ultrafokussierter Manier, sondern auch mit Burgundern dieses Jahr – genau wie die Südpfalz! Der wärmeren Mittelhaardt steht ein kühleres Jahr immer mehr als gut. Von Christmann über Bürklin bis Winning ist das der Stoff aus dem Riesling-Träume sind. In Rheinhessen hat wohl der Rote Hang sein Jahr der Jahre, so viele Mega-GGs nach den schwierigen Trockenjahren dort ein Segen… wow!